Die Pandemie hat die Arbeitswelt ganz schön durcheinandergewirbelt. Welche Möglichkeiten bleiben da für diejenigen, die gerade erst eine Ausbildung anfangen möchten? Experten sind sich einig: Wer sucht, kann einen Ausbildungsplatz finden – auch im Landkreis.
"Die Chancen sind hervorragend, nicht nur jetzt, auch für die Zukunft", sagt Lukas Kagerbauer. Er ist Leiter des Bereichs Berufsausbildung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mainfranken. Das große Problem sei laut Kagerbauer nicht, dass die Betriebe keine Stellen melden. Viele seien schon wieder in einer sehr guten Situation. "Wir haben zum aktuellen Stand der letzten statistischen Erhebung Ende Mai nahezu das gleiche Niveau an angebotenen Stellen wie im Vorjahr." Zwar sei das im Vergleich zu den Jahren vor Corona ein niedriges Niveau, aber es gebe "durch die Bank noch offene Plätze."
"Das Problem ist die Zurückhaltung der Jugendlichen", sagt er. Schlechte Nachrichten und Ängste führten dazu, dass Jugendliche im Bewerbungsprozess zurückhaltender agieren. "Diese Unsicherheit ist unangebracht", sagt Kagerbauer. Denn Ausbildung sei langfristige Fachkräftesicherung für die Betriebe. Und die bräuchten jetzt durch die Lockerungen wieder Personal. Das Wegfallen der Präsenzmessen und Präsenztermine sieht er als größte Ursache für die Zurückhaltung unter den Jugendlichen. Praktika würden ebenfalls extrem fehlen.
Corona lässt Bewerberzahlen sinken
Auch Wolfgang Albert glaubt, dass die sinkenden Bewerberzahlen im Landkreis zu einem hohen Anteil pandemiebedingt sind: "Die Berufsberater, die normalerweise an den Schulen sind, die Berufsorientierung betreiben, die Beratungsgespräche führen. Das ist mit dem Lockdown komplett weggefallen", sagt der Pressesprecher der Agentur für Arbeit. Der fehlende persönliche Kontakt zu den Jugendlichen sei ein Knackpunkt gewesen. "Da haben sich natürlich sehr viele im Berufswahlprozess schwergetan", sagt Albert. Er glaubt jedoch, dass sich das in den nächsten Monaten wieder etwas entzerren wird durch die rückläufigen Pandemiezahlen.
Die Agentur für Arbeit verzeichnet laut Albert ebenfalls einen Rückgang bei den angebotenen Ausbildungsstellen in Main-Spessart. Aber die Wahlmöglichkeiten für Bewerber seien nicht schlechter geworden. Es gebe durchaus sehr viele Angebote an Ausbildungen. "Ich glaube, daran wird es nicht scheitern", sagt er.
Von staatlicher Seite gebe es dafür eine Ausbildungsprämie. "Wenn Betriebe in diesem Jahr wieder so viel wie im Durchschnitt der zurückliegenden Jahre ausbilden, gibt es einen finanziellen Zuschuss", sagt Albert. Das solle als Anreiz für die Ausbildung dienen. Zwar müssen noch weitere Kriterien erfüllt werden, aber Albert glaubt: "Das motiviert vielleicht den ein oder anderen zusätzlich, wieder einen Ausbildungsplatz anzubieten."
Boom nach dem Lockdown?
Der Sprecher der Agentur für Arbeit sieht für die nächste Zeit Bewegung am Ausbildungsmarkt. "Bisher war das Ganze nur sehr gedämpft. Der Lockdown hat da sehr viele Möglichkeiten ausgebremst", sagt Albert. Er glaube aber, dass mit Sicherheit noch der ein oder andere Ausbildungsvertrag zustande komme. In diesem Jahr sei man zeitlich etwas hintendran mit den eingetragenen Ausbildungsverträgen. Jedoch: "Mit den rückläufigen Inzidenzwerten spürt man noch einmal einen kleinen Schub am Ausbildungsmarkt", sagt er. "Wir ziehen die Bilanz Ende September und bis dahin wird sich noch sehr viel tun. Das ist auch unsere Erfahrung der letzten Jahre."
Pendeln von Main-Spessart aus
Im vergangenen Jahr haben nicht alle Betriebe in Main-Spessart bis September die Ausbildungsstellen besetzen können; es blieben aber auch einige wenige unversorgte Bewerber. Dafür gebe es laut Albert ganz unterschiedliche Gründe: Für manche Berufe fehle das Interesse bei den Jugendlichen, für andere seien die Bewerber zu gering qualifiziert. Und manchmal sei einfach die Entfernung zwischen Wohnort und Bewerber zu groß, auch im Landkreis. Trotzdem erklärt Albert: "Für sehr viele Jugendliche aus Main-Spessart ist es eine Selbstverständlichkeit, nach Würzburg oder Schweinfurt zu pendeln", sagt er. Man dürfe den Ausbildungsmarkt Main-Spessart daher nicht so eng sehen. Die Ausbildungsmöglichkeiten seien sehr viel umfangreicher als es die Statistik vermuten lasse.
Matching - und wo es nicht zusammenpasst
"Wir sind aktuell dabei, dieses Matching zu unterstützen", sagt Kagerbauer von der IHK. "Matching" nennt er den Prozess, Bewerber und Stellen zusammenzubringen. Über die Smartphone-App "IHK-Lehrstellenbörse" lassen sich beispielsweise Ausbildungsplätze in der Region finden. Albert sieht das Problem der unbesetzten Ausbildungsstellen berufsspezifisch: Kaufmann/-frau für Büromanagement, Industriekaufmann/-frau und Mechatroniker:in seien ganz weit vorne bei der Berufswahl in Main-Spessart. Für Kaufmann/-frau im Einzelhandel und Verkäufer:in gebe es die meisten Ausbildungsplätze.
"Das passt nicht komplett zusammen", sagt er. Im Handel und Verkauf blieben in der Regel immer wieder Ausbildungsstellen übrig, speziell im Lebensmittelverkauf. Oder in Teilbereichen des Handwerks. "Oftmals die Berufe, die vermeintlich wenig attraktiv erscheinen", sagt Albert.