Knorrig, dunkelbraun und fein säuberlich zu einem großen Haufen gestapelt liegen sie auf der grünen Wiese: Die Weinstöcke der Familie Willert-Eckert. Ein Stück daneben türmen sich die Weinbergs-Pfähle, durch deren Hilfe die Reben viele Jahre ihre Stabilität bekamen. Doch damit ist es nun vorbei. Knapp 30 Jahre lang hat Hartmut Eckert zusammen mit seiner Frau Karin Eckert, geborene Willert, ökologischen Weinbau in den Hängen oberhalb von Müdesheim betrieben. 2017 beschloss das Ehepaar, aufzuhören.
Die Gründe? "Ich hatte die Schnauze voll von der Agrarwirtschaft", beschreibt Hartmut Eckert. Dazu kamen noch persönliche Umstände. Trotzdem: Die Entscheidung ist ihm nicht leicht gefallen. "Wir haben hier 30 Jahre lang ökologisch gearbeitet, von dem Boden kann man sozusagen essen", erläutert der 57-Jährige. Insofern beschäftige den Ex-Öko-Winzer vor allem die Frage: Was mache ich aus den zwei Hektar ehemaliger Weinberg?
Ein Jahr lang habe er überlegt, sich Vorschläge angehört, durchdacht und wieder verworfen. Zum Beispiel, aus dem Stück Land einen Wald zu machen. Doch davon gebe es in der unmittelbaren Umgebung genug, so Eckert. Oder die Anfrage nach einer Pacht des Weinbergs. Als sich herausstellte, dass die Interessenten den Weinberg nicht ökologisch bewirtschaften wollten, sagte Eckert ab.
Idee zur Blühfläche kam ihm während der Autofahrt
Die zündende Idee kam dem Müdesheimer im Auto. Seit er kein Bio-Winzer mehr ist, arbeitet er im Vertrieb einer Firma und betreut den Süddeutschen Raum. Auf einer seiner Fahrten hörte er einen Radiobericht über die Pläne eines Biobauern, der genau zwei Hektar Land in eine Blühwiese umgestalten und Patenschaften anbieten wollte. "Das ist genau mein Ding!", beschloss Eckert. Die Rechte an seinem Weinberg hatte er zu diesem Zeitpunkt an einen Winzer aus Volkach weitergegeben. Was ihm blieb, war das Land.
Und das wurde zu "Eckertfelde". Am 20. Mai wird die Fläche offiziell eröffnet. "Auf den Namen bin nicht ich gekommen, sondern ein Bekannter aus Berlin, der mich in Sachen IT unterstützt", erzählt er. Die Homepage und alle Anfragen zu Patenschaften laufen dort zusammen. Eckert selbst kümmert sich dafür um die zukünftige Blühwiese. "Dazu habe ich mich zunächst an die Landesanstalt für Landwirtschaft in Veitshöchheim gewandt und mich beraten lassen", so Eckert.
Welches Saatgut ist an welcher Stelle geeignet? Geworden sind es drei verschiedene Mischungen: Auf dem ersten Stück hat er bereits vor gut zwei Wochen die "Veitshöchheimer Bienenweide" ausgesät, eine Mischung aus jährigen und mehrjährigen Wildkräutern, die ein reiches Nektar- und Pollenangebot für Bienen, Hummeln und Schmetterlinge bietet. Auf einem, von dichten Hecken und Sträuchern gesäumten Stück möchte er besonders geeignete Bedingungen für den Ortolan schaffen. Der mit der Goldammer verwandte Vogel gilt als Rarität. Die Bestände in Unterfranken gehen seit Jahrzehnten stark zurück. Das dritte und größte Stück des ehemaligen Weinbergs will er mit einem Saatgut bepflanzen, das sehr hoch im Wuchs ist und somit auch größeren Tieren, wie Hasen, Rehen oder Igeln Schutz bietet.
Altes Weinbergshaus wird zum "Tiny house"
Aus ehemaligen, alten Ortsschildern aus Holz möchte er Insektenhotels bauen. Dafür sucht Eckert noch Kindergärten und Schulen, die sich beteiligen. Ein weiteres Projekt ist das alte steinerne Weinbergshaus, das am Fuße des aufgelassenen Weinbergs steht. Das will der Müdesheimer in eine Art "Tiny house", also ein Minihaus umbauen, mit zwei Schlafplätzen im Giebel und einen Ofen und Sitzplätze im unteren Bereich. "Hier können dann die Blühwiesen-Paten übernachten", erklärt er.
Zwölf Anfragen für Blühwiesen-Patenschaften hat Hartmut Eckert für sein Projekt "Eckertfelde" schon. Sein Angebot: Für 50 Euro kann eine Patenschaft für einen Quadratmeter Blühwiese auf zwei Jahre erworben werden – ohne Rechte, ohne Pflichten. Den ersten Quadratmeter hat sich bereits die Landtagsabgeordnete Kerstin Celina (Bündnis 90/Die Grünen) reserviert. Sie soll auch am offiziellen Eröffnungstermin von Eckertfelde vor Ort sein. Ebenso wie der Künstler Peter Wittstadt sowie eines seiner Kunstwerke. Hintergrund: Hartmut Eckert plant entlang seines Feldes sozusagen die Weiterführung des Arnsteiner Kunstwegs. Wenn es nach ihm geht, können hier zukünftig Wanderer nicht nur die schöne Aussicht, sondern auch Kunst entlang der ehemaligen Weinberge genießen.
Blühflächen mittlerweile keine Seltenheit mehr in der Region
Mittlerweile sind Blühflächen im Landkreis keine Seltenheit mehr. Laut dem Amt für Landwirtschaft wurden 2018 im Landkreis Main-Spessart 654 Hektar Blühflächen gemeldet. Ausgenommen davon sind Blühstreifen entlang von Ackerflächen. Auch rund 15 Kilometer weiter, in Eußenheim, hat Bio-Bauer Klemens Hoßmann die gute Witterung genutzt und Saatmischungen für einjährige Blühflächen ausgebracht. Darüberhinaus hat er bereits seit vielen Jahren Flächen mit mehrjährigen Blühflächen. Er weiß aus Erfahrung: Nach zwei Jahren blüht dort nicht mehr viel. Dennoch bietet das Feld Insekten und Wildtieren weiterhin gute Bedingungen. Die Eröffnung von "Eckertfelde" sieht er positiv. "Da sollte jeder Bauer mitmachen", findet er. Aber auch jeder Bürger. Wenn jeder Gartenbesitzer einfach fünf Quadratmeter Wiese wild stehen ließe, wäre schon viel gewonnen, so Hoßmann, der für 100 Quadratmeter Blühfläche 50 Euro pro Jahr von den Paten will.
50 Patenschaften hat Hoßmann gesammelt, als er rund um das Volksbegehren herum mit Blühflächen-Patenschaften geworben hat.Dabei seien die Mehrzahl der Paten interessanterweise Leute gewesen, die bei dem Volksbegehren nicht unterschrieben hätten.
Nach starkem Volksbegehren: Mehr potentielle Patenschaftsanwärter erwartet
Auch Thomas Wolf, ebenfalls Bauer in Eußenheim, setzt schon länger auf Blühflächen. Seit dem Volksbegehren bietet er ebenfalls an, Blühstreifen in Form von Patenschaften anzulegen. Es hätten sich einige Leute gemeldet, allerdings nicht so viele wie er bei dem Ansturm auf das Volksbegehren erwartet hätte, so Wolf. Er schiebt das auch auf die Bequemlichkeit der Leute. "Unterschrieben ist schnell", so Wolf. Um eine Blühflächen-Patenschaft hingegen müsse man sich aktiv kümmern. Er bietet Paten, ebenso wie Frank Röder in Wiesenfeld, die Blühfläche für 50 Euro pro 100 Quadratmeter jährlich an.
Hartmut Eckert in Müdesheim sieht das Thema Patenschaften gelassen. "Ich will die Menschen aufmerksam machen und lade jeden ein, zu kommen und zu schauen." Auch die staatliche Förderung von Blühflachen will Eckert nicht in Anspruch nehmen. Dafür steht er zu sehr auf Kriegsfuß mit der Agrarpolitik. Wenn keiner mitmache, ziehe er das Projekt auch alleine durch."Dann geht es eben langsamer", so Eckert.
Eröffnung Eckertfelde
Am Weltbienentag, am 20. Mai, wird Eckertfelde um 14 Uhr von Hartmut Eckert eröffnet. Eingeladen sind Bürgermeister sowie Politiker und alle Interessierten. Anmeldungen unter naturort@eckertfel.de. Weitere Informationen unter www.eckertfel.de.