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Arnstein
Friedhof und Tennishalle standen unter Wasser: Arnstein stellt sich nun auf Starkregen ein
In der Sondheimer Au kann man errkennen, dass die Stadt nach dem Starkregen aktiv geworden ist. Zwei Experten zeigen, was bereits passiert ist und was es mit der Schwammregion auf sich hat.
Johannes Lindner (links) und Jacob Matusik zeigen ihr 'inoffizielles Regenrückhaltebecken' in der Sondheimer Au. Das Becken soll verhindern, dass bei starkem Regen das Wasser noch einmal den Ort so überschwemmt, wie im Sommer 2024.
Foto: Frieda Wecklein | Johannes Lindner (links) und Jacob Matusik zeigen ihr "inoffizielles Regenrückhaltebecken" in der Sondheimer Au.
Frieda Wecklein
 |  aktualisiert: 11.11.2024 02:33 Uhr

Vom Arnsteiner Bauhof bis in die Sondheimer Au braucht Bauhofleiter Jacob Matusik mit seinem Geländewagen nur wenige Minuten. An einer Weggabelung einige hundert Meter hinter der Bahnunterführung bei Maria Sondheim stoppt er schließlich den dunkelroten Wagen und deutet an den linken Wegrand. Dort befindet sich der Beginn eines neu ausgehobenen Grabens, welcher sich circa 800 Meter entlang des Flurweges nach oben zieht. Matusik holt sein Smartphone heraus, um Bilder von dem "davor" zu zeigen: Der alte Graben, bis zum Rand gefüllt mit Geröll, Ästen und aus den umliegenden Äckern gewaschener Erde. Bei den Starkregenereignissen dieses Sommers kamen die größten Wasser- und Schlammmassen in Arnstein auf genau diesem Weg in die Stadt geschossen. Sie bedeckten unter anderem am zweiten Mai den Arnsteiner Friedhof zentimeterdick mit Schlamm und setzten das Pfarrheim unter Wasser.

Wasser könnte gezielt auf Äcker abgeleitet werden

"Wochenlang haben wir den Graben hier ausgebaggert, über 1000 Tonnen Erde, Geröll und Gestrüpp kamen am Ende zusammen", erklärt Matsuik. Der Graben in der Sondheimer Au sei die bisher aufwendigste Maßnahme zur Starkregenvorsorge nach den Unwettern dieses Jahres gewesen. Jedoch wirkt das Ergebnis auf den ersten Blick fast etwas unordentlich: Gräser, kleine Bäume und Büsche wachsen direkt im und um den Graben. Dieser ist mal enger, mal breiter, mal tiefer, mal flacher und macht unregelmäßige, kleine Schlenker entlang des abfallenden, schmalen Feldwegs. Doch das ist keinesfalls das Ergebnis von Schlamperei, erklärt der Mitarbeiter für Klimaanpassungsstrategien der Stadt Arnstein, Johannes Lindner: "Gerade verbuschte Kulturen, Wurzeln und Kurven bremsen die Wassermassen enorm ab. So kommt das Wasser mit deutlich weniger Kraft am Einlaufbauwerk des Kanals an und schießt nicht daran vorbei."

Zusätzlich sollen kleine Dämme in die Gräben gebaut werden. Kostengünstig und naturverträglich sei dieses Konzept, so Lindner. Im Extremfall könnten überschüssige Wassermassen gezielt auf umliegende Äcker und Grünflächen abgeleitet werden, bevor sie das Wohngebiet überfluten. Doch dafür bedarf es noch der Zustimmung der betroffenen Landwirte. Diese sollen bei Schaden Ausgleichszahlungen erhalten, schlägt Lindner vor.

Zisternenpflicht für Neubauten gilt schon

Das Konzept für langfristige Maßnahmen zur Starkregenvorsorge wird gerade noch ausgearbeitet. Fest steht aber mittlerweile: Arnstein und die Region Main-Werntal sollen "Schwammregion" werden. Was ist darunter zu verstehen? In regenreichen Zeiten sollen Böden und Flur das Wasser gleichmäßig speichern können, um Trockenperioden besser zu überstehen. Dieses Konzept bedeute auch, über Versiegelung und Versickerung ganz anders nachzudenken, so Klimaanpassungsstratege Lindner. Schließlich sind trockene, harte Äcker häufig ein Grund, weshalb beim nächsten starkem Regenfall das Wasser ungebremst in tiefer liegende Ortschaften rauscht und dort Schaden anrichtet.

Ihn beschäftige somit auch die Fragen: Welche landwirtschaftlichen Pflanzenkulturen sind zukunftssicher und wasserrückhaltend? Die neuen begrünten Gräben in der Sondheimer Au sind ein Puzzleteil auf dem Weg zur "Schwammregion Arnstein". Bei der Planung wassersensibler Siedlungsgebiete ist eine langfristige Maßnahme schon seit ein paar Jahren etabliert: die Zisternenpflicht bei Neubauten.

Keller: Starkregen hört nicht am Ortsschild auf

Um finanziell mehr Spielraum zu haben, nahm Arnstein mit vier Nachbargemeinden an der Ausschreibung des bayrischen Staatsministeriums zum "Aktionsprogramm Schwammregion" teil. Susanne Keller von der ILE MainWerntal hat die vierzigseitige Bewerbung dafür verfasst. Im Kooperationsgeflecht der ILE MainWerntal sind neben der Gemeinde Arnstein noch die Stadt Karlstadt, die Gemeinden Eußenheim und Gössenheim sowie der Markt Thüngen. Und darin liegt laut Keller auch der große Vorteil: Starkregenereignisse hören nicht am Ortsschild auf, sie erfordern Kooperation. Um Arnstein zur Schwammregion zu machen, gebe es laut Keller schon einen Strauß an Ideen: Angepasster Waldbau, wasserspeichernde Granulate und Humus-Zertifikate zum Beispiel. Eine große Chance sieht Keller im Austausch: "Es ist noch so viel Wissen von früher da, wir sollten deshalb auch beispielsweise Landwirte und Siebener in die Gespräche einbeziehen." Die Nachricht, dass die Region Main-Werntal als eine von zehn Regionen in Bayern Förderung aus dem Projekt "Schwammregion" erhält, kam am Montag.

Zurück in der Sondeimer Au parkt Jacob Matusik den Wagen nun direkt neben dem oberen Einlaufbauwerk, durch das Wassermassen von den rundum abfallenden Äckern gesammelt in den Graben geleitet werden sollen. Rund um den Einlauf ist der Boden mehrere Meter tief ausgehoben worden. "Das ist unser inoffizielles Rückhaltebecken", erklärt Matusik. Anstatt großer baulicher Maßnahmen wie Dämme oder künstliche Rückhaltebecken will man in der Stadt Arnstein mit vielen kleineren Maßnahmen für die Zukunft gewappnet sein. Bisher konnten hauptsächlich die Gräben in allen Ortsteilen ausgebaggert, Geröllfänge gesäubert und Kamerabefahrungen der Kanäle durchgeführt werden. Die Behörden seien nach den akuten Hochwassern im Sommer kooperativer geworden, beispielsweise bei Genehmigungen zum Ausbaggern alter Gräben, bemerkt Johannes Lindner. Gerade bei der Naturschutzbehörde sei es zuvor schwieriger gewesen, solche Eingriffe in die Natur zu rechtfertigen und genehmigt zu bekommen.

 
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