Vor der Arbeit der Freiwilligen Feuerwehr haben alle Respekt – aber machen will sie kaum einer. Gefährliche Einsätze und die zeitaufwändige Ausbildung schrecken viele ab. Dabei gibt es bei der Feuerwehr auch Aufgaben, für die man kein todesmutiger Athlet sein muss, erklärt der Lohrer Kommandat Sebastian Mademann im Interview. Mit seinem Team bemüht er sich seit Anfang des Jahres, neue Mitglieder für die Lohrer Wehr zu werben.
Mademann: Aus meiner Sicht gibt es da zwei große Gründe. Der erste ist der gesellschaftliche Wandel, das "Ich-Denken" wird immer stärker. Niemand macht mehr etwas ohne Gegenleistung. Und weil die Arbeitswelt immer anspruchsvoller wird, haben viele am Feierabend keinen Kopf mehr für anderes.
Mademann: Die Abschaffung der Wehrpflicht. Wer nicht in Vollzeit seinen Wehr- oder Zivildienst machen wollte, der konnte sich für einige Jahre der Freiwilligen Feuerwehr anschließen. Viele sind auch nach dieser Pflichtzeit geblieben, weil es ihnen Spaß gemacht hat.
Mademann: Wir sind ungefähr 60 Aktive, das ist auch das absolute Minimum, das im Feuerwehrbedarfsplan festgeschrieben ist. Der Personalmangel gibt im Moment das ganze Wesen unserer Arbeit vor. Wir würden gerne mehr machen, mehr Spezialkräfte ausbilden, aber das ist einfach nicht möglich. Gut wäre, wenn wir 100 Mitglieder hätten.
Mademann: Das Problem haben wir in Lohr auch, aber weniger stark als in kleinen Orten, wo es keine Arbeitsplätze gibt. Manche Aktive haben auch eine Doppelmitgliedschaft bei uns und bei anderen Feuerwehren in der Umgebung. Dafür haben wir hier in Lohr aber auch mehr Einsätze als auf dem Dorf, da kommen wir personell trotzdem an unsere Grenzen.
Mademann: Als Kommandant ist das für mich im Einsatz wie Tetris spielen. Ich muss schauen, wer passt wo hin und kann welche Aufgabe übernehmen? Viele Mitglieder haben mehrere Spezialisierungen, sind zum Beispiel ausgebildet als Atemschutzgeräteträger oder als Maschinist. Aber mehrere Aufgaben kann man nicht gleichzeitig übernehmen. Ich muss also schauen, was brauche ich jetzt dringender: Einen Maschinisten oder einen Atemschutzgeräteträger? Auf welche Position muss ich erst einmal verzichten? Die Frage müsste ich mir nicht stellen, wenn wir 100 Mitglieder hätten.
Mademann: Klar, die Ausbildung ist aufwändig, man muss regelmäßig an Übungen teilnehmen und alle drei Jahre eine körperliche Untersuchung machen. Aber wenn man gut ausgebildet ist, kann man ohne Angst in den Einsatz gehen.
Mademann: Die körperliche und psychische Belastung hält nicht jeder aus. Das muss aber auch nicht jeder machen. Bei einem Hausbrand zum Beispiel sind meistens nur zwei, vielleicht vier Einsatzkräfte im brennenden Gebäude. Draußen braucht es aber 80 andere Feuerwehrleute, die mindestens genauso wichtig sind: um den Lkw zu fahren, die Straße zu sperren oder Wasser an die Einsatzstelle zu bringen. Jeder kann irgendetwas machen.
Mademann: Der kann zum Beispiel im Einsatzleitwagen unterstützen, das ist wie ein rollendes Büro. Es gibt viele Aufgaben im Hintergrund, nicht nur an der Front.
Mademann: Normalerweise dauert das etwa ein Jahr, mit Unterrichtseinheiten an zwei Abenden in der Woche.
Mademann: Viele Menschen zwischen Ende 20 und 40 schaffen das einfach nicht neben Beruf, Familie, Haus. Deswegen bieten wir jetzt zusätzlich die Grundausbildung in Vollzeit an. Die neuen Mitglieder werden bei vollem Verdienst von ihrem Arbeitgeber zweimal für eine Woche freigestellt und lernen in dieser Zeit alle Grundlagen. Zwischen den Lehrgangswochen sind einige Wochen Pause. Der Arbeitgeber bekommt die Lohnkosten des Mitarbeiters von der Stadt Lohr erstattet.
Mademann: Wir haben bisher einen Testlauf gemacht, bei dem vier Teilnehmer eine Woche im Block gelernt haben und die zweite Hälfte des Stoffes an vier Wochenenden. Das Feedback war sehr gut, unter den vier Teilnehmern hat sich eine gute Gruppendynamik entwickelt. Auch für die Arbeitgeber war das in Ordnung. Eine Person hat sich auch schon für die Vollzeit-Ausbildung im nächsten Jahr gemeldet.
Mademann: Uns war es wichtig, dass wir keinen vorwurfsvollen Ton anschlagen und niemanden am Samstag vor dem Supermarkt nerven. Stattdessen haben wir unsere Website neu gestaltet und eine Kampagne in den Sozialen Medien gestartet unter dem Hashtag #wirbrauchendich. Für Kinder haben wir eine Oster-Schnitzeljagd organisiert, am Buß- und Bettag gibt es ein Kinderprogramm in der Feuerwache. Wir haben sogar eine Prämie eingeführt für Mitglieder, die neue Mitglieder anwerben. Auch bei der Aktion "Lohrer Lieblingsplätze" haben wir uns präsentiert – was nicht so einfach war, denn im Laufe des Tages wurden wir zu drei Einsätzen gerufen.
Mademann: Ein paar neue Mitglieder konnten wir schon gewinnen. Es scheiden aber auch immer wieder Leute altersbedingt aus oder ziehen für eine Ausbildung oder einen Job fort. Auf 100 Mitglieder werden wir in diesem Jahr sicher nicht kommen, auch nicht nächstes Jahr. Aber irgendwann bestimmt.
Mademann: In einer Stadt von der Größe Lohrs würde das wohl nicht funktionieren. Für so eine Wehr können alle geeigneten Menschen zwischen 18 und 60 verpflichtet werden. Das gibt es schon in kleinen Orten in Schleswig-Holstein mit nur ein paar Hundert Einwohnern, da kommen dann 30 Leute in Frage und die werden alle verpflichtet. In Lohr sind das aber sicher um die 5000 Personen. Da bräuchten wir viele Helme. (lacht)
Mademann: Da müsste man eher bezahltes, hauptamtliches Personal einstellen. Aktuell haben wir zwei hauptamtliche Gerätewarte, die auch mit zu Einsätzen fahren. Mit der Stadt haben wir auch schon über diesen Plan B gesprochen. Lieber möchte ich aber mit aller Energie für mehr Freiwillige werben.
Mademann: Die Kameradschaft. Und dass man ein ehrliches "Danke" bekommt, von den Menschen, denen man hilft.
Am Dienstag, 16. November, lädt die Feuerwehr ab 17 Uhr zu einem Informationsabend in die Wache ein. Eine Anmeldung ist nicht nötig.