Im Januar stellte Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) in Aussicht, eine Grundschulreform durchzusetzen. Dabei soll die Stundentafel angepasst werden. Im Fokus sollen ab dem Schuljahr 2024/2025 mehr Wochenstunden in Mathe und Deutsch stehen.
Die kreativen Fächer Kunst, Musik, Werken und Textiles Gestalten sollen dabei in ihrer Stundenzahl auch in den Jahrgangsstufen 3 und 4 "flexibilisiert" werden. Lehrkräfte dieser Klassen können dann entscheiden, ob sie diese Fächer in Summe vier oder fünf Wochenstunden unterrichten möchten und die Verteilung selbst festlegen. Gleiches gilt für die künftig ein bis zwei Wochenstunden im Englischunterricht. Die Wochenstunden im Fach Religion sollen unangetastet bleiben.
Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) zeigt sich in einer Stellungnahme unzufrieden mit einigen Teilen der baldigen Reform. Stellvertretend für die GEW Main-Spessart erklärten Wolfgang Tröster als Vorsitzender und langjähriger Gymnasiallehrer am Johann-Schöner-Gymnasium in Karlstadt und Verena Frey, stellvertretende Vorsitzende und Grundschullehrerin in Steinfeld, im Gespräch mit dieser Redaktion ihre Meinung zu den einzelnen Änderungen. Tröster ist regelmäßig in Projekten involviert, die sich mit alternativen pädagogischen Ansätzen für alle Schulformen beschäftigen.
Gewerkschaft: Effizientere Nutzung der Mathe- und Deutschstunden sinnvoller
"Der Slogan der PISA-Offensive Bayern von Frau Stolz lautet ja 'Lesen, Schreiben, Rechnen im Fokus'. Das steht für uns Lehrkräfte aber schon lange im Fokus", sagt Frey. Die Stundentafel hat den Grundfächern Mathe und Deutsch schon immer mehr Zeit eingeräumt als den musischen, erinnert sich auch Tröster, der seit Mitte der 70er-Jahre selbst Deutsch unterrichtete.
Als problematisch erachten beide den rein quantitativen Blick auf die Grundschulwoche. In der vierten Klasse soll es eine Deutschstunde mehr geben, in der Dritten sogar in Deutsch und Mathe jeweils eine dazu. "Damit sind es jetzt sieben Stunden Deutsch in diesen beiden Jahrgangsstufen. Das finden wir nicht gut. Es wäre zielführender, die sechs bisherigen Stunden besser zu nutzen, zum Beispiel durch eine individuelle Förderung in Kleingruppen", so Frey. Die Gewerkschaft spricht sich also für eine effizientere Nutzung der aktuellen Stunden und gegen eine Erhöhung der Stundenanzahl aus.
Musische Fächer zur Förderung von Konzentration und Kreativität
"Offiziell wird von Flexibilisierung gesprochen, aber diese geht auf Kosten der musischen Fächer", stellt Frey fest. Sie und Tröster halten Flexibilisierung für wichtig und den Reformplan von Stolz in diesem Bereich auch für durchaus ambitioniert. Es dürfe aber nicht passieren, dass musische Fächer und der Fremdsprachunterricht gegeneinander ausgespielt würden. Frey sieht diese Gefahr, da eine fünfte Stunde in den musischen Fächern künftig nur unterrichtet werden soll, wenn dafür eine Englischstunde eingespart wird oder andersrum.
Tröster sieht bei einer fehlenden Rhythmisierung, also der konzeptionellen Gestaltung des Schultags, durch musische Fächer auch die Konzentrationsfähigkeit der Kinder gefährdet. "Die Kunst- oder Musikstunden zwischendurch helfen, den Kopf freizubekommen", sagt er und verweist ebenso auf die Wichtigkeit handwerklicher und kreativer Kompetenzen. "Nur diese Fächer bieten den entsprechenden Freiraum, in dem Kinder, die in Mathe und Deutsch schwächer sind, auch individuelle Stärken entdecken können".
Religionsunterricht im Stundenplan große Herausforderung
Eine Flexibilisierung im Fach Religion hätten Frey und Tröster begrüßt. "Anna Stolz hatte das ja ursprünglich auch nicht ausgeschlossen, bevor Markus Söder sein Machtwort gesprochen hat", betont Frey. In der Stundentafel ist die Einbindung von Religion durch die drei Stränge katholisch, evangelisch und Ethik der Grundschullehrerin zufolge die größte Herausforderung bei der Erstellung des Stundenplans.
Es soll nun weiterhin bei zwei Wochenstunden in den Jahrgangsstufen 1 und 2 und bei drei Wochenstunden in den Jahrgangsstufen 3 und 4 bleiben. Der Religionsunterricht wird in Teilen von außerschulischem Personal gehalten, teilweise aber auch von Lehrkräften, die eigentlich für andere Fächer qualifiziert sind. "So werden einige Religionsstunden auch auf Kosten anderer Fächer unterrichtet – wie zum Beispiel Deutsch", so Frey.