Nach sechs Jahrzehnten schließt Ende Juni die Wernfelder Metzgerei Bald. Nach dem Dirmbacher Hof, der letzten Wernfelder Gaststätte, die zum Jahresanfang zugemacht hat, geht dem Gemündener Stadtteil damit ein weiterer Fixpunkt verloren. Metzger Gerold Bald, 54, der neue Wege gehen wird, erzählt, dass sich manche Kundinnen und Kunden noch schnell mit Wurstwaren eindecken – darunter auch Vater Erwin Bald, 87, der die Metzgerei 1963 gegründet hat. Der Vater habe sich noch eine ganze Kiste Aufschnitt gesichert. Erwin Bald hatte einst auch die Idee für den Verkaufsschlager der Metzgerei: "Opas Weiße", eine weiße Hausmacherwurst im Glas. Name und Rezept habe dann ein ehemaliger Mitarbeiter mit nach Veitshöchheim genommen, wo "Opa's Weißer" zum bundesweiten Verkaufshit von Mehlig & Heller wurde.
Gerold Bald berichtet, dass er nach Bekanntwerden der Schließungspläne schon zu hören bekommen habe: "Wie kannst du die Metzgerei zumachen? Das ist doch eine Goldgrube." Aber eine Goldgrube sei eine Metzgerei vielleicht früher einmal gewesen. Seine Frau Tina Fischlein-Bald erzählt, dass es spürbar sei, dass viele Kunden mittlerweile ihre Fleischwaren einfach im Supermarkt kaufen, hinzu kämen Preissteigerungen, die sich nicht ganz auf die Kundschaft hätten abwälzen können. Sie kann sich noch an vier Metzgereien allein in Gemünden, davon drei in der Innenstadt erinnern, dazu die Metzgerei in Langenprozelten und die Metzgerei Bald in Wernfeld. Heute gibt es in Gemünden keine Metzgerei mehr.
Personal ist schwierig zu bekommen
Hinzu komme ein massives Personalproblem, das vor drei Jahren auch ausschlaggebend dafür war, dass die Metzgerei ihre Filiale am Gemündener Marktplatz aufgeben musste. Fehlendes Personal sei auch der Grund, warum zuletzt montagnachmittags zu gewesen sei. Jetzt gehe eine Verkäufern Anfang Juli in Rente, einen 70-jährigen Gesellen, der in zwei Tagen so viel geschafft habe wie andere in fünf, habe Bald noch überreden können, bis jetzt weiterzumachen. "Pass auf, wir machen einen glatten Schnitt und hören gemeinsam auf", habe ihm Bald dieses Jahr zu dessen Erstaunen gesagt.
Nach einer Knieoperation im Januar habe sich der 54-Jährige auf einer dreiwöchigen Reha Gedanken gemacht, wie es weitergehen solle. Zuvor habe er nie über Schließung nachgedacht, aber angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung und der Personalprobleme sei ihm da der Gedanken gekommen. Zudem habe Bald seine Arbeit gewissermaßen als Rund-um-die-Uhr-Job verstanden. Bei Festen sei er der einzige gewesen, der gesagt habe, ihr könnt mich jederzeit anrufen. Sogar sonntagmorgens beim Frühstück sei er angerufen worden von Leuten, die sich spontan überlegt hätten zu grillen und noch Grillgut brauchten. Er habe gemerkt, dass eine solche Dauerbereitschaft schlauche.
Die Geschichte hinter "Opa's Weiße"
Bekannt ist die Metzgerei vor allem für "Opas Weiße" und die Wernfelder Bratwürste. Die Geschichte hinter "Opa's Weiße" ist in der Erinnerung von Bald mit dem Dirmbacher Hof verknüpft. Als der in den 1970er Jahren eröffnete und es das Gerücht gab, dass der Wirt Hausmacherwurst anbieten wolle, habe ein Bekannter seinem Vater gesagt: "Dann kannst du zumachen." Also fing die Metzgerei selbst an, weiße Wurst im Glas zu verkaufen. Erwin Bald sagt, er habe das Rezept seinem Gesellen, der nach Veitshöchheim ging, gern überlassen.
Gerold Bald hatte das Geschäft 1998 von seinen Eltern Erwin und Erika übernommen, die zunächst die Metzgerei Knotz gegenüber dem Rathaus in Wernfeld weiter betrieben und 1972 eine moderne Metzgerei auf ihrem Anwesen eröffneten. Der Großvater hatte schon Hausschlachtungen gemacht, woraufhin sein Vater Metzger gelernt habe.
Bald selbst wollte eigentlich gar kein Metzger werden. Sein älterer Bruder lernte Metzger und hatte schon den Meistertitel, während Gerold Metallblasinstrumentenbauer bei Dotzauer in Karlstadt lernte. Aber sein Bruder habe eine Allergie entwickelt und konnte nicht mehr in dem Beruf arbeiten, woraufhin Gerold Bald dann doch Metzger lernte und das Geschäft übernahm.
Der Metzgermeister machte sich auf Jobsuche
Im Frühjahr habe er irgendwann den Entschluss gefasst, sich nach einer anderen Arbeit umzuschauen und die Metzgerei zu schließen. "Das war nicht so einfach im ersten Moment", erzählt der Bär von einem Mann. Ihm war dann klar, dass seine neue Arbeit etwas ganz anderes sein sollte als bisher. Die Schließungspläne wollte er jedoch erst bekannt geben, wenn er eine neue Stelle gefunden habe.
Jetzt fängt er gleich im Juli bei EDC (ehemals Indramat) in Lohr an. Ein Vorstellungsgespräch, bei dem er Fragen zu seinen Stärken und Schwächen habe beantworten müssen, sei eine ganz neue Erfahrung für den Metzgermeister gewesen. Auf die Frage: "Wie sieht's denn aus mit Urlaub, haben Sie den schon genommen?" habe er gesagt, dass er, wie bisher, gern eine Woche Familienurlaub nehmen würde. Mehr war all die Jahre nicht drin. Im Bewerbungsgespräch sei ihm daraufhin klargemacht worden, dass er künftig die ihm zustehenden 30 Tage Urlaub alle nehmen müsse. Das mit der Geheimhaltung habe so mäßig geklappt, berichtet er, weil ihn bei seinem neuen Arbeitgeber gleich Leute erkannt hätten.
Gerold Bald muss bald zum ersten Mal Wurst kaufen
"Wie kannst du mir das antun? Ich muss mir wegen dir einen anderen Metzger suchen", habe Bald nach Bekanntwerden der Pläne von einem Kunden zu hören bekommen. Bald habe daraufhin geantwortet: "Ich doch auch, ich war noch nie in einem anderen Geschäft." Vater Erwin sagt: "Es hat mich schon e weng mitgenommen." Aber so sei es halt jetzt, sein Sohn kriege ja kein Personal mehr. Erika Bald habe "von frühs bis abends geschafft", was zwei Angestellte gespart habe.
Der Partyservice, den Gerold Bald mit seiner Frau betreibt, die als Optikerin arbeitet und nebenher die Buchhaltung der Metzgerei macht, habe die Metzgerei gestützt. Der soll deshalb auch erhalten bleiben, auch wenn Bald seine Maschinen für die Wurstproduktion verkaufen möchte. Ob es denn wenigstens noch die Bratwürste gebe? Solange er die Maschinen noch hat, habe Bald einem Kunden gesagt.
Wie „Blauwal“ schon erstklassig herausgearbeitet hat, hat eine verfehlte Politik der Angstmacherei, trotz unendlich vieler Skandale in der (Lebensmittel)Industrie, die immer größere Kreise ziehen, die KMUs zerstört!
Der Wahn jeder müsse studieren und die Produktion wird in billiglohnländern verlegt haben uns in eine Sackgasse mit hochgebildeten Fachidioten gebracht!
Ein Handwerkskollege sagte neulich zu mir, wir haben überbezahlte Industriearbeiter, die zwei Handgriffe beherrschen und im Handwerk nicht zu verwenden sind, Gnade ihnen wenn die Industrie durch Verlagerungen (wie sie ja gerade im großen Stil gerinnen) Stellen abbauen!
Einfach nur schade und erbärmlich!
Wer hat denn die Leute zu Fachleute ausgebildet?
Urlaub? Generation "Work-Life-Balance" hätte diese Jahre mit nur einer Woche Urlaub nie überstanden.
Auch so ein Thema, die Work-Life- Balance geht ganz oft auf Kosten anderer, die sich um die diese dann "kümmern".
Hut ab, sich auch nochmal komplett neu zu orientieren. Wenn auch aus dieser Lage heraus. Aber auch das muss man entscheiden.
Ich wünsche ihm alles erdenklich Gute für die Zukunft.