Johann Michael Herberich hat am Freitag ein Ehrenmal in Gemünden erhalten. Bis vor wenigen Jahren waren er und seine Verdienste um die Behindertenfürsorge und -pädagogik kaum noch bekannt. Dann bekam der 1930 gestorbene Pionier eine Gedenktafel, eine Straßenbenennung (Johann-Michael-Herberich-Allee) und jetzt einen etwa drei Meter großen Gedenkstein ebenda, an seiner ehemaligen Wirkungsstätte, dem Josefshaus (heute Gesundheitszentrum Main-Spessart). Und Bürgermeister Jürgen Lippert nannte ihn in der Feierstunde vor rund 40 Gästen "einen großen Sohn der Stadt Gemünden am Main".
Dem Vergessen entrissen
Dem Vergessen entrissen hat Herberichs Pionierarbeit und sein Wirken wie auch die dann später in der Nazi-Zeit ermordeten Kinder Birgit Amann (geborene Schierlitz). Sie ist hat sich akribisch mit dem Lebenswerk des gelernten Lehrers auseinandergesetzt und dieses mit einiger Unterstützung – vor allem durch Gemündens Kulturamtsleiterin Jasna Blaic und den Stadtrat und Pädagogen Dr. Gerhard Köhler – in einer Veranstaltungsreihe ab 2015 bekannt gemacht.
Amann und ihre Jugendfreundin Blaic sind im Josefshaus-Komplex aufgewachsen. Zu ihrer Zeit war das Anwesen, dessen Nebengebäude später dem Klinikneubau wichen, noch für Wohnungen genutzt. Der 1845 in Stadtprozelten geborene Johann Herberich, gelernter Lehrer, hatte 1882 in der ehemaligen Glashütte am Kleingemündener Waldrand die Behinderteneinrichtung Josefshaus gegründet. Er führte es 38 Jahre, bis er die Leitung 1920 an seinen Schwiegersohn Professor Dr. med. Friedrich Lehnert abgab. Die Nationalsozialisten schlossen das Heim 1940, die verbliebenen Kinder und Jugendlichen wurden deportiert, waren Gräueln ausgesetzt, die meisten wurden umgebracht.
1300 Kinder und Jugendliche betreut
Insgesamt waren in den 58 Jahren rund 1300 Kinder und Jugendliche mit Behinderungen nach Herberichs revolutionär fortschrittlichen Prinzipien betreut und gefördert worden. In der Zeit waren zu Beginn bis zu 30 Franziskanerinnen aus Dillingen und ab Ende 1883 über 200 Erlöser-Schwestern aus Würzburg im Einsatz.
Dass Herberichs Prinzipien bis heute Gültigkeit haben, sein Josefshaus Vorbild für die Behinderteneinrichtungen in Bayern war und mit dem Josefsstift in Eisingen eine Nachfolgeeinrichtung hat, daran erinnerten alle Redner der Feierstunde. Dazu hatte Bürgermeister Lippert fast alle Besucher namentlich begrüßt, darunter die Kreuzschwestern Oberin Hildburg Baumgartner und Ehrenringträgerin Ursula Falk, Pater Leo Beck aus Schönau, Landrat Thomas Schiebel, den Bundestagsabgeordneten Bernd Rützel, Ehrenbürger Hubert Schuster, Ehrenringträgerin Lotte Bayer, die Bürgermeister-Stellvertreter Werner Herrbach und Irmgard Pröschl sowie die Schulleiter Anne Kade (Grundschule Gemünden), Robert Wolz (Theodosius-Florentini-Schule) und Joachim Nöth (Mittelschule).
Porträt in Stein
Lippert erinnerte an die jeweils einstimmigen Stadtratsentscheidungen von 2017 und 2018, den Anträgen Gerhard Köhlers auf eine Würdigung "des Vordenkers der Behindertenarbeit" zu folgen. Birgit Amann dankte für die Finanzierung und freute sich über "dieses schöne Ehrenmal". Der Sandsteinblock aus dem Wernfelder Natursteinbetrieb Dittmeier zeigt nach Art eines Medaillons ein Porträt Johann Herberichs aus der Hand der Bildhauerin Anja Hartmann. Conny Többe verteilte an die Gäste ein Foto der Familie Herberich. Auch die vom Josefshausgründer betreuten Kinder nannten ihn Papa, zitierte Amann. Ihr Cousin Siggi Juhasz (Arnstein) trug in der Feierstunde beziehungsreiche Lieder vor.
Gerhard Köhler umriss Herberichs Lebenswerk und konstatierte: "Mit der Gründung des St.-Josefshauses und mit seinem Wirken war Johann Michael Herberich beispielgebend seiner Zeit voraus. So war es sein beharrlich verfolgtes Ziel, Menschen mit Behinderungen Würde und Wertschätzung zu schenken, ihre Rechte zu schützen und ihnen einen Platz in der Gesellschaft zu geben." Stadtpfarrer Richard Englert zitierte aus dem Markus-Evangelium ("Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn solchen wie ihnen gehört das Reich Gottes.") und segnete zwei zum Gedenken entzündete Kerzen.