
Wann gilt ein Mensch als ein "Original"? In erster Linie wohl, wenn er sich selbst immer treu geblieben ist, mit all seinen Eigenheiten und markanten Merkmalen. Karl Anderlohr war ein solches Original, ein Mann mit Kanten, der das Leben in Lohr ein Stück weit mit geprägt hat: Der Handwerkersohn, den viele kannten, war waschechter Mopper und Wehrpflichtiger, Verlagskaufmann und Redakteur, Heimathistoriker und Chronist, Pfadfinder und aktiver Katholik. Am Samstag ist Karl Anderlohr, drei Monate nach seinem jüngeren Bruder Eduard, nach kurzer Krankheit gestorben. Er wurde 81 Jahre alt.
Aufgewachsen ist er in der Vorstadt als Sohn eines Wagnermeisters. Als dieser 1958 starb, war Karl Anderlohr gerade mal 16 Jahre alt. Seine gymnasiale Ausbildung brach er ab, um die Mutter finanziell zu unterstützen und lernte Verlagskaufmann. Nach dem Grundwehrdienst wurde er 1964 kaufmännischer Angestellter in der Buchdruckerei und im Verlag C. Keller, der die Lohrer Zeitung herausgab. Schon damals schrieb Anderlohr nebenbei Beiträge für deren Redaktion.
2005 in den Vorruhestand gegangen
Als der für Main-Post und Lohrer Zeitung arbeitende Hans Nestmeier 1969 starb, übernahm Anderlohr vertretungsweise die Berichterstattung für den Würzburger Verlag, der ihn dann 1972 nach dem Volontariat als Redakteur anstellte. 1976 wurde er Alleinredakteur bei der Lohrer Zeitung, die 1993 an den Mainpresse-Verlag verkauft wurde. 2005 verabschiedete er sich nach 35-jähriger hauptberuflicher Tätigkeit in den Vorruhestand.
Anderlohr war eingefleischter Junggeselle, ein Mann der Verlässlichkeit und Beständigkeit. Wo immer er sich engagierte – er tat es immer über Jahrzehnte hinweg. Fast 60 Jahre war er Mitglied im Geschichts- und Museumsverein, 40 Jahre in dessen Vorstand, die Hälfte davon als Vorsitzender. Er war Vorstandsmitglied im staatspolitischen Arbeitskreis auf Burg Rothenfels, Mitglied beim Bayerischen Roten Kreuz, das ihn auch für seine weit über 125 Blutspenden ehrte, Gründungsmitglied beim Lohrer Wohltätigkeitsverein "Goldenes Herz" und von Jugend an Pfadfinder mit Leib und Seele.
Ebenso prägte er das kirchliche Leben mit: als Pfarrgemeinderat von St. Michael, Lektor und Kommunionhelfer. Auch beim Spessartverein sowie in der Kolpingfamilie und deren Faschingsabteilung, den Lohrer Moppern, war er lange aktiv.
Ein Chronist wie kein anderer
Als Heimathistoriker referierte Anderlohr, Experte für die Karfreitagsprozession, über Themen wie die Reformation in Lohr, die Valentinuskapelle, den zum Christentum konvertierten Juden Bruno Rothschild und noch am 8. Oktober – dann schon in Kenntnis seiner unheilbaren Krankheit – über den Lohrer Kaplan Georg Höfling.
Aufgrund seiner ungezählten Veröffentlichungen sei er für Lohr und Umgebung "ein Chronist wie kein anderer" gewesen, würdigt ihn Wolfgang Vorwerk, der 2017 den Vorsitz des Geschichts- und Museumsvereins von Anderlohr übernommen hat. "Er war das wandelnde Gedächtnis unseres Vereins." Weil die Satzung keinen Ehrenvorsitz vorsieht, ernannte ihn dieser zum "Ehrenmitglied im Sinne eines Ehrenvorsitzenden".
Im Unruhestand pausenlos beschäftigt
Er schaute aber auch über den Tellerrand hinaus: Besonders die ägyptische Antike und die Ostkirche mit ihren Ikonen hatten es ihm angetan – von Kindheit an. Sie beschäftigte ihn bis an sein Lebensende – wie auch die Heimatgeschichte. So war er im Unruhestand nahezu pausenlos beschäftigt, in Jahrzehnten gesammeltes Material zu ordnen und zu digitalisieren – eine Sisyphusarbeit.
Stilblüten und Anekdoten aus seiner Berufstätigkeit wollte er unter dem Titel "Am Rande notiert" veröffentlichen. Dafür hat die Zeit nicht mehr gereicht. In der Lohrer Heimatforschung wird Anderlohr – wie einst Kaplan Höfling 180 Jahre vor ihm – mehr als nur eine Randnotiz bleiben. Requiem ist am Donnerstag um 14 Uhr in der Stadtpfarrkirche, anschließend findet die Beerdigung auf dem Hauptfriedhof statt.