Ein Autofahrer überholt andere Fahrzeuge auf der Bundesstraße 27, schert kurz vor ihnen wieder ein und zwingt die Fahrer dazu, stark abzubremsen: Mit diesem Vorwurf konfrontierte die Staatsanwaltschaft den Angeklagten. Wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs im Dezember vergangenen Jahres musste sich der 65-Jährige aus Karlstadt nun vor dem Amtsgericht Gemünden verantworten.
Der Verteidiger des Angeklagten räumte ein, dass sein Mandant zunächst auf die Linksabbiegespur Richtung Retzbach gefahren, dann aber doch wieder auf die Geradeausstrecke eingeschert sei. Gefährdet habe er dabei aber niemanden.
Dass es überhaupt zu diesem Manöver gekommen sei, hänge damit zusammen, dass sein Mandant zunächst zu einem Bekannten nach Retzbach habe fahren wollen. Am Nachmittag habe er zu seiner Tochter fahren wollen, um ihr ein Regal zu bauen. Auf der Linksabbiegespur habe sein Handy einen Anruf der Tochter angezeigt.
Er habe das Gespräch im Auto zwar nicht angenommen, aber geahnt, dass es ihr mit dem Regal nicht schnell genug gehe. Er habe sich unter Druck gesetzt gefühlt und seinen Plan dahingehend geändert, dass er wieder auf die Geradeausspur eingeschert sei, um in einem Baumarkt Holz für das Regal zu besorgen.
Staatsanwaltschaft fordert sechs Monate Führerschein-Entzug
Von Abbremsmanövern anderer Autofahrer, die diese der Polizei gemeldet hatten, habe sein Mandant nichts mitbekommen. Er sei zum Baumarkt gefahren und als er wieder herausgekommen sei, habe die Polizei auf ihn gewartet.
Beide betroffenen Autofahrer berichteten als Zeugen vor Gericht, dass sie aufgrund des Fahrverhaltens des Angeklagten gezwungen gewesen seien, stark abzubremsen. Andernfalls wäre es ihren Aussagen nach in beiden Fällen zu einem Unfall gekommen.
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft sah den Sachverhalt als erwiesen, die Zeugen seien glaubhaft. Sie forderte eine Geldstrafe von 40 Tagesätzen zu je 20 Euro (800 Euro) und den Entzug der Fahrerlaubnis für sechs Monate.
Dem hielt der Verteidiger des Angeklagten entgegen, dass er die Schilderungen der Zeugen für übertrieben halte. Nicht jedes Bremsmanöver sei gleich eine Gefährdung des Straßenverkehrs. Im vorliegenden Fall sei es um einen Bremsvorgang beim Anfahren nach einer Ampel mit vielleicht 40 Stundenkilometern gegangen. Er sehe keine Gefährdung des Straßenverkehrs, allenfalls Nötigung. Zu einem Entzug der Fahrerlaubnis sage er "eindeutig nein".
Von einem Unfall "meilenweit entfernt"
Außerdem gab der Verteidiger zu bedenken, dass sein Mandant nicht vorbestraft sei und auch keine Eintragungen im Fahreignungsregister habe. Würde ihm der Führerschein entzogen, so würde dies vor allem die schwerstbehinderte Mutter seines Mandanten treffen, die dieser seit Jahren pflege und regelmäßig zu Arztterminen fahre.
Der Angeklagte selbst sagte, er habe sich falsch verhalten und das tue ihm auch leid. Es sei dazu gekommen, weil er unter Druck gestanden habe, allerdings sei er seiner Meinung nach damals von einem Unfall "meilenweit entfernt" gewesen.
Richter Sven Krischker verurteilte den Mann zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 20 Euro (700 Euro) und dem Entzug der Fahrerlaubnis für drei Monate. Der Angeklagte habe den hinter ihm liegenden Verkehr durch falsches Überholen gefährdet. Da er dies mehrfach gemacht habe, liege Rücksichtslosigkeit nahe. Dass sich das Urteil – es ist noch nicht rechtswirksam – vor allem auf die Mutter des Angeklagten auswirke, sei bedauerlich.