Bei der Diskussion in Karlstadt (Lkr. Main-Spessart) am Samstag fällt ein bemerkenswerter Satz: "Die Gesetze der sozialen Netzwerken schaden unserer Demokratie." Das sagt ausgerechnet Jakob Blasel, einer der Mitinitiatoren der Protestbewegung Fridays-for-Future. Er kritisiert, dass die Algorithmen von Plattformen wie Facebook, Twitter und Instagram dafür sorgen, dass vor allem zugespitzte und polarisierende Beiträge viele Nutzer erreichen. Auf Dauer führe das zu einer problematischen Debattenkultur, warnt der 19-jährige Aktivist.
Vernetzt von Kiel bis New York
Der Satz ist schon deshalb bemerkenswert, weil es Fridays-for-Future ohne die Mobilisierung in den sozialen Netzwerken wohl nicht geben würde. "Ohne digitale Werkzeuge wären wir nichts. Wir sind kein Verein, wir sind keine Partei. Wir existieren eigentlich gar nicht", sagt der 19-jährige Aktivist, der für die Veranstaltungsreihe "Digital Media Lab" extra aus Hannover angereist ist. Die Protest-Koordination laufe vor allem über digitale Messenger-Gruppen und regelmäßige Telefonkonferenzen. "Wir sind auf der digitalen Ebene zwischen Kiel und New York genauso gut vernetzt wie zwischen Kiel und Bamberg."
Bei der Diskussion im Rahmen der 70-Jahr-Feier der Landes-Eltern-Vereinigung geht es um die Frage, wie sich junge Leute digital organisieren und so Politik mitgestalten. Auf dem Podium sitzt deshalb auch Dorothee Bär (CSU), die Staatsministerin im Bundeskanzleramt, die sich über ihre eigene Partei hinaus als Digitalpolitikern einen Namen gemacht hat.
Was Fridays-for-Future betrifft, sagt die 41-Jährige, eine solche Mobilisierung sei ein neues Phänomen. Und sie ergänzt mit Blick auf ihre eigene Partei: "Auch wir müssen viele Prozesse, die 70 Jahre funktioniert haben, hinterfragen." Bär weiß, dass gerade die Union für ihren Umgang mit Fridays-for-Future viel Kritik einstecken musste.
Eine Frage der Organisation
Bär kennt beide Welten: Als sie 2002 in den Bundestag kam, wurde dort noch überwiegend per Fax kommuniziert, an Smartphone und Apps dachte noch niemand. Doch seitdem ist viel passiert. Heute betont sie – landauf, landab – die Chancen der Digitalisierung und warnt vor zu viel "Bedenkenträgerei".
Dass dynamische und gut vernetzte Bewegungen wie Fridays-for-Future zur Gefahr für die klassischen Parteien werden könnten, glaubt Bär indes nicht. "Es ist eine Ergänzung in unserer Demokratie", sagt sie und verweist auf die besondere Stellung der Parteien im Grundgesetz. Mit Blick auf die Organisation von Fridays-for-Future betont sie, dass es auch dort mittlerweile Arbeitskreise, Untergruppen und Delegierte gebe – fast wie in Parteien.
Instagram allein reicht nicht aus
Auch Jakob Blasel sieht die junge Protestbewegung nicht als Konkurrenz zu den klassischen Parteien. Neben deren Anspruch, an Wahlen teilzunehmen und in die Parlamente einzuziehen, gebe es auch einige organisatorische Unterschiede: "Wir haben keine Mitgliederregister, wir sind nicht über Landesverbände organisiert und haben keine Ämter und Mandate." Die Bewegung definiere sich in erster Linie über die Inhalte.
Den Strategen in den Parteizentralen empfiehlt Blasel künftig weniger über technische Fragen nachzudenken: "Parteien verlieren keine jungen Leute, weil sie ihren Instagram-Kanal nicht pflegen", sagt der junge Aktivist. Das Problem sei, dass gerade Union und SPD nicht mehr den richtigen Ton treffen und es nicht schaffen die Themen der jungen Generation – insbesondere die Klimakrise – zu adressieren.
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