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Werntal
Direkt vom Hof als Lösung für die Landwirtschaft? So sehen Direktvermarkter aus dem Raum Arnstein und Karlstadt die Zukunft
Viele landwirtschaftliche Betriebe setzten in den vergangenen Jahren auf die Direktvermarktung. Was das für Herausforderungen mit sich bringt, wenn es zum festen Standbein wird.
Direktvermarkter, hauptsächlich aus dem Werntal, sammelten kürzlich Ideen für die Zukunft. Oben (von links) Gerhard Volk, Barbara Hettrich, Ludwig und Maximilian Keller. Unten (von links) Sophia Natalia Ratcliffe und Konrad Freiherr von Thüngen, Mario Werthmann, Stefan Veeh.
Foto: Tabea Goppelt | Direktvermarkter, hauptsächlich aus dem Werntal, sammelten kürzlich Ideen für die Zukunft. Oben (von links) Gerhard Volk, Barbara Hettrich, Ludwig und Maximilian Keller.
Tabea Goppelt
 |  aktualisiert: 26.06.2024 02:53 Uhr

Bestellungen per Bestellschein, ein großes Verkaufsevent oder bessere Vernetzung mit lokalen Abnehmern wie Schulen und Kitas: Diese Ideen sammelten die Direktvermarkter und Direktvermarkterinnen, hauptsächlich aus dem Werntal, kürzlich im Weingut Hack in Gössenheim. Das große Thema war, wie sich die Direktvermarktung in der Region weiter stärken lässt. Organisiert hat das Treffen ILE-Managerin Susanne Keller. Acht Vermarkterinnen und Vermarkter erzählen hier, welche Erfahrungen sie mit ihrem Modell gemacht haben – und wie sie die Zukunft sehen. Denn bei allen ist die Direktvermarktung zu einem wichtigen Standbein der Betriebe geworden. 

1. Gerhard Volk will mit seinen Produkten nicht von großen Abnehmern abhängig sein

Gerhard Volk ist Quereinsteiger und begann vor drei Jahren mit der Direktvermarktung.
Foto: Tabea Goppelt | Gerhard Volk ist Quereinsteiger und begann vor drei Jahren mit der Direktvermarktung.

Gerhard Volk startete vor drei Jahren mit einem Gemüsegarten in Halsheim, ist Jäger und hat mittlerweile auch 50 Hühner. "Ich bin Quereinsteiger", sagt er – aus seinem alten Beruf in der Metallbranche ist Volk komplett ausgestiegen, um Vollerwerbs-Gemüsegärtner zu werden. Er verkauft ab Hof; Direktvermarktung ist sein Hauptstandbein, auch in Zukunft: "Ich möchte mich von niemandem abhängig machen." Eine Herausforderung liegt für ihn im Faktor Zeit: "Auf der einen Seite steht die Produktion im Vordergrund, um überhaupt verkaufen zu können, und auf der anderen Seite die Vermarktung, die Zeit kostet und Erfahrung braucht."

2. Bei Barbara Hettrichs Selbstbedienungsmodell fließt viel Zeit in die Bürokratie

Barbara Hettrich startete vor wenigen Jahren mit ihrem Mann einen Vollerwerbsbetrieb.
Foto: Tabea Goppelt | Barbara Hettrich startete vor wenigen Jahren mit ihrem Mann einen Vollerwerbsbetrieb.

Barbara Hettrich bietet im Selbstbedienungshäuschen in Schwebenried zum Beispiel Masthähnchen, Eier, Nudeln, Bruderhahnprodukte und Gemüse an. 2017 begann sie zusammen mit ihrem Mann mit der Direktvermarktung, die einen großen Teil des Vollerwerb-Betriebs ausmacht. Selbst hinter der Theke zu stehen, wäre wirtschaftlich nur für ein kleines Zeitfenster möglich. Viel Zeit frisst das Häuschen sowieso, vor allem im Bereich der Bürokratie. In der Corona-Zeit sei der Umsatz stark gestiegen, nach Beginn des Ukraine-Kriegs abgefallen. "Wir merken langsam, dass es wieder ein bisschen aufwärts geht – wir sagen aber auch: Das Tal ist noch nicht ganz durchschritten", sagt Hettrich.

3. Bei Kellers weiß der Nachfolger bereits, dass er die Weine nicht im Supermarkt anbieten kann

Ludwig und Maximilian Keller betreiben mit ihrem Weingut seit Jahrzehnten Direktvermarktung, weil sie preislich im Supermarkt nicht konkurrieren könnten.
Foto: Tabea Goppelt | Ludwig und Maximilian Keller betreiben mit ihrem Weingut seit Jahrzehnten Direktvermarktung, weil sie preislich im Supermarkt nicht konkurrieren könnten.

Ludwig und Maximilian Keller sind Vater und Sohn hinter dem Weingut A. Keller in Eußenheim. Beide sind hauptberuflich im Weinbau tätig. "Seit ungefähr 40 Jahren machen wir Direktvermarktung", sagt Ludwig Keller. Weinprodukte, Brotaufstriche, Weinessig, Pralinen – die Liste ist lang. "Bei der Größe des Weinguts ist die Direktvermarktung unabdingbar", sagt Maximilian Keller, auch mit Blick auf die Zukunft. Er will das Gut übernehmen, weiß aber: Mit den großen Weingütern kann er nicht konkurrieren, Vermarktung im Supermarkt ist preislich nicht machbar. Die Corona-Zeit erlebten sie als schwierig – und boten Online-Weinproben an, um das Geschäft zu beleben. 

4. Mario Werthmann beobachtet, dass der Handel sich Nischenprodukte abschaut

Mario Werthmann betreibt neben seinem Beruf Rinderhaltung auf der Weide.
Foto: Tabea Goppelt | Mario Werthmann betreibt neben seinem Beruf Rinderhaltung auf der Weide.

"Wir sind auf Direktvermarktung ausgerichtet", sagt Mario Werthmann. In Rettersbach haben er und seine Frau eine Rinderherde auf der Weide stehen. Beide sind berufstätig und kümmern sich nebenbei um die Landwirtschaft. "Es wird schwieriger", sagt Werthmann. Während der Coronazeit hätte er deutlich mehr Umsatz gemacht. Nun glaubt er, dass Geld wieder eher in Urlaube investiert wird als in sein vergleichsweise teures Bio-Rindfleisch. "Seit letztem Jahr kommen wir um Werbung nicht mehr herum", sagt Werthmann. Damit schmälert sich die kleine Gewinnmarge noch einmal. Eine weitere Gefahr sieht er in der Nachahmung von gut laufenden Nischenprodukten: "Was im Kleinen funktioniert, schaut sich der große Handel ab. Warum sollen die Leute zu mir kommen, wenn der Handel das Gleiche verspricht?"

5. Von Thüngens wollen die Ausschilderung verbessern und setzen auf Online-Marketing

Sophia Natalia Ratcliffe und Konrad Freiherr von Thüngen spürten vor allem den Effekt des Online-Marketings bei den Verkaufszahlen.
Foto: Tabea Goppelt | Sophia Natalia Ratcliffe und Konrad Freiherr von Thüngen spürten vor allem den Effekt des Online-Marketings bei den Verkaufszahlen.

Die Gutsverwaltung Thüngen umfasst im Bereich der landwirtschaftlichen Direktvermarktung seit drei Jahren Sonnenblumenkerne als Basis für Vogelfutter. "Das wird super gut angenommen", ist die Erfahrung von Konrad Freiherr von Thüngen. Dazu kommen Whiskey, Bierbrand und Bier – die Braugerste werde auch im Betrieb angebaut, durch einen Brunnen komme das Wasser aus Thüngen. Aus dem Bereich der Jagd bieten sie außerdem getrocknetes Fleisch, Rotwild-Jerkey, an. Die Produkte werden im Büro in Thüngen verkauft. "Aber wir müssen auch dazusagen: Online-Marketing hat uns viel geholfen", sagt seine Partnerin Sophia Natalia Ratcliffe. Dadurch habe sich der Verkauf verbessert. Demnächst kommen weitere Schilder im Ort dazu, damit der Laden besser auffindbar ist.

6. Stefan Veeh setzt auf Beratung und auf neue Einkaufsstrukturen in Ortschaften

Stefan Veeh sieht es als Herausforderung, dass Erzeugerbetriebe dort Strukturen schaffen müssen, wo etwa Bäcker und Metzger aufhören.
Foto: Tabea Goppelt | Stefan Veeh sieht es als Herausforderung, dass Erzeugerbetriebe dort Strukturen schaffen müssen, wo etwa Bäcker und Metzger aufhören.

Stefan Veeh aus Reuchelheim baut verschiedene Früchte an und verkauft einen Großteil des Frischobsts seit 2021 im eigenen Hofladen. Der Rest wird zu verschiedenen Fruchtsäften gepresst und auch direkt verkauft. Die Direktvermarktung ist das Hauptstandbein des Betriebs, sagt er – für ihn steht dabei die Beratung im Vordergrund, auf die er nicht verzichten möchte: "Wenn wir verschiedene Apfelsorten haben, muss ich den Kunden schon beraten, was ihm schmecken könnte." Im Laden ist deshalb zu den Öffnungszeiten immer jemand vor Ort, obwohl der größte Teil der Arbeitszeit eigentlich auf die Erzeugung fällt. Wo Strukturen wie Bäcker und Metzger wegfallen, müssen nun die Betriebe eigene Strukturen aufbauen, das sieht er als weitere Herausforderung.  "Direktvermarktung ist auf jeden Fall eine Lösung", sagt er trotzdem für seinen Betrieb.

 
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