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Gemünden
Die Streiche des Dapsers Hannes: Wie das Gemündener Original einen Urlauber in die Saale beförderte
Der Fischer Johann Edmund Roth aus Gemünden hatte viel Unsinn im Kopf. Erst recht, wenn er gut dem Apfelmost zugesprochen hatte. Mit seiner Babett schmückt er heute den Gemündener Kreisel.
Der Dapsers Hannes (Zweiter von rechts) in einem Schelch mit anderen Fischern.
Foto: Repro Ferdinand Heilgenthal | Der Dapsers Hannes (Zweiter von rechts) in einem Schelch mit anderen Fischern.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 31.08.2024 02:36 Uhr

Der "Dapsers Hannes" war ein richtiges Gemündener Original. Auf den beiden von ihm bekannten Fotos schaut er streng, aber ihm saß der Schalk im Nacken. Streiche des Fischers Johann Edmund Roth, so sein richtiger Name, sind älteren Gemündenerinnen und Gemündenern noch heute geläufig. Auch Jüngeren dürfte der Hannes ein Begriff sein, weil er und seine Frau Barbara (Babett) das Fischerpaar sind, mit dem der inzwischen verstorbene Betonkünstler Gert Pröschl vor drei Jahren den Verkehrskreisel am E-Center in Gemünden verschönert hat. Vor 100 Jahren, am 15. Dezember 1924, starb der "Dapsers Hannes" im Alter von 83 Jahren. Anlass genug, noch einmal auf das Leben des Originals zu blicken.

Eines der wenigen Fotos vom Dapsers Hannes.
Foto: Repro Ferdinand Heilgenthal | Eines der wenigen Fotos vom Dapsers Hannes.

Der Hannes befuhr jede Woche einige Male die Saale, um nach seinen Reusen zu schauen. Nach einem guten Fang konnte er sich in Schönau ein paar Glas Apfelmost gönnen, dem er gerne zusprach. Sommers gab es in Schönau Urlauber, von denen sich manche für das Angeln interessierten. Einer der Gäste bat ihn eines Abends, der Dapser möge ihn doch einmal mit dem Schelch zu einem Hechtstandort fahren. Für den nächsten Morgen sagte dieser zu. Der Gast musste sich ganz vorne aufs Brettchen setzen und der Hannes fuhr zu einer schön tiefen Stelle.

Schwupps lag der Sommerfrischler in der Saale

Auf einmal rief dieser aus: "Dou guck, durt steht äner" und zeigte in eine bestimmte Richtung. Dann ließ der Hannes den Schelch durch kräftiges Beinwippen schaukeln. Der überraschte Mitfahrer landete im Wasser. "Jetzt haste mir den Hecht a noch verschächt", knotterte der Fischer. Der Gast solle schnell heim und sich umziehen, um nicht krank zu werden, sagte der Dapser und fuhr ohne jede weitere Regung weiter. Diese Anekdote findet sich in der 1967 erschienenen Festschrift der Fischerzunft zu deren 400-Jahr-Feier.

Johann Edmund Roth, Jahrgang 1841, und seine Frau Barbara, geborene Brand, wohnten am Aufgang zum Mühltorberg. Das Haus hat den Krieg überstanden und hat heute die Hausnummer 10, weiß Ur-Ur-Enkel Winfried Roth. Die beiden hatten fünf Kinder, vier Buben und ein Mädchen. Sohn Johann Philipp Roth, ebenfalls Fischer, wurde selbst zu einem Original und war bei seinem Tod 1972 mit 96 der damals älteste Gemündener. Um die beiden jüngsten Buben vom Hannes dreht sich eine weitere Anekdote, die vor 40 Jahren schon einmal in der Zeitung stand und die Kreisheimatpfleger Bruno Schneider zusammen mit weiteren im Archiv hat.

Prügel für den falschen Sohn

Die Buben hatten die Aufgabe, täglich die Fische im Teich des Vaters zu füttern. Das Futter machte ihnen der Dapsers Hannes in Eimern zurecht. Einmal vergaßen sie es, und der Hannes verpasste dem Vorderen im Bett, ohne ein Wort zu sprechen, eine Abreibung. Der Sohn, der vorne im Bett lag, wollte nicht einsehen, warum immer er die Prügel bekam. Eines Tages hatten sie das Füttern wieder vergessen und der Leidtragende machte dem Bruder den Vorschlag, einmal die Plätze zu tauschen, der andere sei doch genauso schuld. Also wechselten sie den Schlafplatz. Als der Hannes ins Zimmer kam, hob er die Bettdecke hoch und rief: "Gerechtigkeit muss sei, der annere is genauso schuld." Und mit diesen Worten verdrosch er den vermeintlich anderen Buben. Doch der lag vorne im Bett und grinste.

Im Haus Mühltorberg 10 in Gemünden hat der Dapsers Hannes laut seinem Ur-Ur-Enkel Winfried Roth gewohnt.
Foto: Björn Kohlhepp | Im Haus Mühltorberg 10 in Gemünden hat der Dapsers Hannes laut seinem Ur-Ur-Enkel Winfried Roth gewohnt.

Das Stammlokal vom Hannes war der "Schwanen". Das Gasthaus stand dort, wo sich heute die inzwischen ehemalige Volksbank befindet. Dort traf der Hannes sonntagabends immer seinen Freund Nahm, der dann einen gepflegten, schwarzen Gehrock trug. Einmal unterhielten sie sich über die anstehende Bürgermeisterwahl. Nahm war, im Gegensatz zum Hannes, dem damaligen Bürgermeister nicht wohlgesinnt und sagte immer wieder: "Ro muss er", also" runter muss er". Nahm ließ sich nicht umstimmen. Um Mitternacht tasteten sie sich nach viel genossenem Apfelwein durch den dunklen Hausflur auf die Straße. Als Nahm wieder "Ro muss er" sagte, rief auf einmal der Dapser: "Jawohl, Nahm, alleweil is er hunne!" (jetzt ist er drunten). Nahm wunderte sich und entdeckte zu Hause den Grund für den Ausruf: Der Hannes hatte ihm die beiden Flügel seines stolzen Prachtstücks abgeschnitten.

Der Trick mit dem Mostfässle

Die wohl bekannteste Anekdote vom Dapsers Hannes ist aber die mit dem Mostfässle, die sich auch in der Festschrift findet. Eines Abends kam er zu seiner Babett heim, das Essen stand schon bereit, den Most musste er sich selber aus dem Keller holen. Nach dem Essen ging er gleich ins Bett. Nach wenigen Stunden wachte er wieder auf, vom Schnarchen war ihm der Hals trocken geworden. Er hatte Durst, aber der Krug war leer. Er sagte seiner Frau, sie solle noch ein bisschen Most holen. Aber die schlief tief und fest.

Der Dapsers Hannes und seine Babett als Betonfiguren im neuen Kreisverkehr in Gemünden.
Foto: Björn Kohlhepp | Der Dapsers Hannes und seine Babett als Betonfiguren im neuen Kreisverkehr in Gemünden.

Da rief der Hannes auf einmal: "Jesses, ich gläb ich hab heut Abend des Mosthöhnle nit richtig zugedreht." Plötzlich war seine Frau hellwach und sagte: "Ich mä, du bist nit recht gescheit." Sie schnappte sich den Krug und eilte die Kellertreppe hinunter. Aber Gott sei Dank, das Hähnle war zu. Sie freute sich und füllte den Krug. Am verschmitzten Grinsen ihres Hannes erkannte sie, dass er sie hereingelegt hatte.

Als der Hannes einmal Ohrfeigen kassierte

Fischer betätigten sich in Gemünden bei Hochwasser gegen ein Trinkgeld gern als Träger. Schließlich hatten sie Wasserstiefel. Mehrmals muss der Hannes aber Leute im Wasser abgesetzt haben. Einmal ging ein solcher Streich, der auf das große Hochwasser im Frühjahr 1909 datiert wird, aber nach hinten los. In der Altstadt stand das Wasser damals bis an die Stufen der Pfarrkirche. Da bat die Koppenwirts-Anna den Dapser, sie zum Sonntagsgottesdienst zur Kirche zu tragen. Er lud sie denn auch auf seinen Rücken.

Kurz vor der Kirche aber soll er gestöhnt und gesagt haben. "Oh Anna, du wirst mir aber auf emal so schwer, ich muss dich emal abstell." Plötzlich stand sie im Wasser. Die als schlagfertig bekannte Wirtin verpasste ihm dafür zwei saftige Ohrfeigen. Angeblich hat er sie, ohne ein Wort zu sagen, wieder heimgetragen. Der Vormittagsgottesdienst war gelaufen, aber am Nachmittag soll er sie wohlbehalten zur Kirche und wieder heim getragen haben.

Der Dapsers Hannes war der bekannteste Fischer in Gemünden

In der Festschrift steht über Johann Edmund Roth, dass er sicher die bekannteste Persönlichkeit der Fischerzunft im 20. Jahrhundert war. Sein Wort habe allseits Gehör gefunden, ob in einer Zunftversammlung oder an einem der drei Flüsse, wenn er dort seine Stimme erschallen ließ. Roth konnte auch sehr energisch werden, wenn nicht alles so lief, wie er es sich vorstellte. Wie die Linie der Roths zu ihrem Hausnamen "die Dapser" kam, ist nicht überliefert. Vielleicht "dapste" ein Vorfahr des Hannes einst, also bewegte sich schwerfällig, plump.

Ihnen ist noch eine Anekdote vom Dapsers Hannes bekannt, die hier nicht aufgeführt ist? Schicken Sie sie gern an bjoern.kohlhepp@mainpost.de. Sonst geht sie womöglich verloren.

 
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