Es ist unsichtbar, es ist farblos, es ist geruchlos und geschmacklos. Mit keinem Sinn kann der Mensch Kohlenstoffmonoxid (CO) wahrnehmen. „Es ist ein heimtückisches Gas“, sagt Professor Berthold Jany von der Missio-Klinik in Würzburg.
„Wirklich schrecklich.“ Heimtückisch und schrecklich deshalb, weil Kohlenmonoxid die Atemorgane nicht reizt: Man spürt es nicht in der Nase, nicht in den Augen, nicht auf der Haut. Man bekommt keinen Hustenreiz, gerät nicht in Atemnot.
„Das Tückische ist die starke Bindungsfähigkeit.“Professor Dr. Berthold Jany über Kohlenmonoxid
Was am Sonntag nach dem Fund der sechs toten Jugendlichen in der Gartenlaube in Arnstein vermutet worden war, haben die Ermittlungen und die Obduktion bestätigt: Die Freunde sind durch eine Vergiftung ums Leben gekommen. Durch Vergiftung mit Kohlenmonoxid, das bei unvollständigen Verbrennungen entsteht.
Das Kohlenmonoxid verdrängt den Sauerstoff vom Hämoglobin
In Deutschland sind laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr 648 Menschen an einer CO-Vergiftung gestorben. Die Dunkelziffer, sagt Chefarzt und Lungenspezialist Berthold Jany, könne weit höher sein. Bereits geringste Konzentrationen des unsichtbaren, reizlosen Gases können zu Bewusstlosigkeit führen – und zum Tod.
„Das Problem ist“, so Jany, „dass Kohlenmonoxid mit einer 300-fach stärkeren Affinität als Sauerstoff an den roten Blutfarbstoff bindet.“ Die Sauerstoffsättigung in der Luft – normalerweise 20 Prozent – sei bei den Vergiftungen gar nicht entscheidend. „Das Tückische ist die starke Bindungsfähigkeit von Kohlenmonoxid.“ Es verdrängt den Sauerstoff aus dessen Bindung mit Hämoglobin im Blut – und blockiert.
„Der Tod tritt durch inneres Ersticken ein“, erklärt der Würzburger Notfallmediziner Professor Peter Sefrin. Hämoglobin ist im Blutkreislauf für den Transport von Sauerstoff zu den Organen zuständig. Werden Hämoglobin-Moleküle durch das angedockte Kohlenmonoxid blockiert, kann der eingeatmete Sauerstoff nicht mehr im Körper verteilt, nicht mehr an die Zellen geliefert werden. „Selbst geringe Mengen Kohlenmonoxid in der Atemluft reichen für eine Vergiftung aus“, sagt Sefrin. „Das geht schnell.“
Notarzt Peter Sefrin: „Man schläft dem Tod entgegen.“
Und die Betroffenen merken es kaum und können die Vergiftungserscheinungen kaum wahrnehmen. Kohlenmonoxid ist leichter als Luft, es sammelt sich erst einmal oben an der Decke – „sie haben keine Chance, es zu merken“. Erste Symptome, so der Bundesarzt im Deutschen Roten Kreuz, sind Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit. Sie treten auf, wenn an rund einem Viertel der Hämoglobin-Moleküle Kohlenmonoxid gebunden ist. Je mehr Hämoglobin blockiert wird, desto stärker ist das Bewusstsein eingeschränkt – bis hin zur Bewusstlosigkeit. „Bei 40 Prozent Kohlenmonoxid-Hämoglobin wird es kritisch“, sagt Internist Berthold Jany. „Bei 50 bis 60 Prozent ist es tödlich.“
Entstehen kann Kohlenmonoxid bei der Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Substanzen wie Kohle, Öl, Gas oder Holz – insbesondere dann, wenn die Sauerstoffzufuhr unzureichend ist und die Verbrennung deshalb unvollständig abläuft. Werden Kohle, Holz oder Gas vollständig verbrannt entsteht Kohlendioxid (CO2). Das ist zwar ungiftig, doch kann man daran ebenfalls ersticken – wenn die Konzentration in einem geschlossenen Raum zu hoch ist.
Risiko Heizungsanlage und offener Kamin
Kohlenmonoxid-Vergiftungen kommen heute „vor allem im häuslichen Bereich“ vor, sagt Jany. Unzureichend gewartete Gasthermen oder Gas- oder Ölheizungen sind in vielen Fällen die Ursache, dass tödliches Kohlenmonoxid freigesetzt wird. Aber auch ein schlecht ziehender offener Kamin oder Ofen könne verantwortlich dafür sein, so Jany. Und Notarzt Sefrin verweist auf Kohlegrills oder benzinbetriebene Geräte. Im Freien kein Problem, könne das von ihnen abgegebene Kohlenmonoxid in geschlossenen Räumen zur gefährlichen Konzentration führen.
Behandlungsmöglichkeit: schnell und viel Sauerstoff
Was dann tun? „Sauerstoff im Übermaß anbieten“, sagt Sefrin. „Aber es muss schnell gehen.“ Die einzige Behandlungsmöglichkeit bei einer CO-Vergiftung ist die Beatmung mit reinem Sauerstoff. Der kann hoch dosiert einen Teil des Kohlenmonoxids – allerdings nur sehr langsam – wieder vom roten Blutfarbstoff verdrängen. Eigentlich müssten die Betroffenen möglichst schnell in eine Überdruckkammer gebracht werden, sagt Jany – „aber die gibt es fast nirgends“.
Auch für die Rettungskräfte ist Kohlenmonoxid, besonders bei Bränden, ein Problem – eben weil man es nicht sieht, nicht riecht, nicht schmeckt. Inzwischen seien die Rettungsdienste zunehmend mit CO-Warnern ausgestattet. Sie messen das tückische Gas, bevor die Retter einen geschlossenen Raum betreten.