
465 Kilometer Stromleitungen hat die Energieversorgung Lohr-Karlstadt im Lohrer Untergrund liegen, dazu 170 Kilometer Gasleitungen und 140 Kilometer für die Straßenbeleuchtung. Und womöglich noch nie hat man sich größere Sorgen um dieses Leitungsnetz gemacht. Es sind die seit April in Lohr laufenden Arbeiten zum von der Telekom beauftragten Glasfaserausbau, die bei der Energie Unruhe auslösen.
Deutliche Kritik an der Qualität dieser Arbeiten hatte es in den vergangenen drei Wochen bereits von verschiedenen Baufachleuten und Anwohnern gegeben. Die Rede war von Verstößen gegen geltende Baustandards, von unsachgemäßem Auffüllen der Gräben, gar von Pfusch bei Pflasterarbeiten.
Bei einem Pressetermin räumten die Telekom ebenso wie die in ihrem Auftrag vor Ort tätige Firma Circet Deutschland sowie die Stadt Lohr fehlerhafte Arbeitsweisen ein. Telekom und Circet gelobten Besserung. Die Stadt kündigte eine stärkere Überwachung der Baustellen an. Doch die Kritik hält an. Der Wombacher Walter Siegler, der mit einem offenen Brief an die Stadt die Diskussion ins Rollen gebracht hatte, schrieb am Dienstag in einer neuerlichen Mail ans Rathaus, dass "uneingeschränkt fehlerhaft weitergearbeitet" werde. Er habe am Freitag und Samstag an mehreren Stellen die "permanente Missachtung der einschlägigen Regularien" beobachtet, so der 58-Jährige, der über jahrzehntelange Erfahrung als Bauleiter im Hoch- und Tiefbau verfügt.
Bei der Energieversorgung Lohr-Karlstadt sieht man die Sache ähnlich: "Fachmännisch ist das nicht", sagt Franz Ort, der für das Lohrer Gasnetz zuständige Energie-Mitarbeiter. Er sowie sein für das Stromnetz zuständiger Kollege Felix Gold und Stefan Schinagl, Pressesprecher der Energie, schilderten am Dienstag gegenüber der Redaktion ihr Erstaunen über die Abläufe beim Lohrer Glasfaserausbau.
Anwohner sorgen sich um den Hausanschluss für Strom und Gas
Dieses Erstaunen habe schon damit begonnen, dass es vor den Arbeiten keinen bei solchen Vorhaben üblichen Ortstermin gegeben habe, bei dem Stadt, Baufirma und örtliche Versorger den Verlauf der zu verlegenden Leitungen abstimmen. Jedenfalls sei die Energie zu einem solchen Treffen nicht eingeladen worden, sagen Ort und Gold übereinstimmend. Die Firma Circet habe bei der Energie zwar Lagepläne der vorhandenen Leitungen angefordert. Danach habe es jedoch keinerlei Abstimmung gegeben. Vom Beginn der Bauarbeiten habe man erst dadurch erfahren, dass Bagger Gräben zogen und sich erste Anwohner sorgenvoll an die Energie wandten. Erst am vergangenen Freitag sei man wieder von einem Rodenbacher alarmiert worden. Dieser habe sich angesichts der laufenden Grabungsarbeiten Sorgen um den Hausanschluss für Strom und Gas gemacht.
Schon wiederholt habe man festgestellt, dass beim Verlegen der Glasfaserleitungen die vorgeschriebenen Abstände zu Gas- und Stromleitungen nicht eingehalten würden. Die Absicht der Firma Circet, zwischen Wombach und Rodenbach den Graben für die Glasfaserleitung mit einer großen Fräse direkt neben der Gasleitung einzuziehen, habe man unterbunden und stattdessen einen ausreichenden Sicherheitsabstand gefordert, sagt Ort.
In Zellingen wurden Glasfaserarbeiten zwei Gasleitungen durchtrennt
In anderen Fällen sei die Glasfaserleitung ohne Absprache einfach über vorhandene Leitungen gelegt worden. "Das ist eine Vorgehensweise, die wir nicht kennen und die uns nicht gefällt", so Gold. Auch dass in Wombach ein Glasfaserkabel mit einer sogenannten Erdrakete über eine Gasleitung durchgeschossen worden sei, sei "unmöglich", betont Ort. In Zellingen habe Circet bei Glasfaserarbeiten zwei Gasleitungen der Energie durchtrennt, berichten die Energie-Vertreter.
Marcus Böker, als Vertreter von Circet in der vergangenen Woche bei dem Pressetermin im Rathaus präsent, wollte sich am Dienstag zu all diesen Aussagen nicht im Detail äußern. Wenn die Energieversorgung mit etwas nicht einverstanden sei, möge sie sich schriftlich an die Stadt oder Circet wenden. Dann nehme man Stellung dazu, so Böker.
Der Abstimmungsbedarf könnte eventuell noch zunehmen. Denn wie Circet-Vertreter Böker erklärt, sind derzeit gut 45 Mitarbeiter mit dem Glasfaserausbau in Lohr befasst. Sie arbeiten für Circet und fünf Subunternehmen. In Kürze werde die Zahl der in Lohr tätigen Bauarbeiter aber auf 100 bis 120 erhöht.
Befürchtung, dass am Leitungsnetz verursachte Schäden unentdeckt bleiben
Bei der Energieversorgung fragt man sich angesichts dessen, wie man die korrekte Ausführung der Arbeiten überhaupt noch überwachen kann. Die Befürchtung ist, dass viele am bestehenden Leitungsnetz verursachte Schäden unentdeckt bleiben und in den kommenden Jahren Reparaturen erfordern könnten. Wenn es nicht gelingen sollte, die Schäden einem Verursacher zuzuordnen, müssten die Kosten letztendlich Strom- und Gaskunden tragen.