zurück
Mittelsinn
Das Flur-Lädchen: Wie behauptet sich ein privat geführter Mini-Dorfladen am Ortsrand vom kleinen Mittelsinn?
Am Anfang mochte niemand so recht an die Idee glauben. Aber der kleine Laden hält sich. Der Café-Bereich soll nun größer werden.
Marcus und Catherine Herr im Flur-Lädchen in Mittelsinn. Besonders geschätzt wird ihr frisches Obst und Gemüse.
Foto: Björn Kohlhepp | Marcus und Catherine Herr im Flur-Lädchen in Mittelsinn. Besonders geschätzt wird ihr frisches Obst und Gemüse.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 11.02.2025 02:37 Uhr

Würden die Mittelsinnerinnen und Mittelsinner ein privates Nahversorger-Lädchen im Ort annehmen? Noch dazu am Ortsrand der gut 800-Seelen-Gemeinde? Nachdem es so etwas jahrzehntelang nicht mehr gab und Penny und Tegut in Burgsinn nicht weit sind? Sie sei sich selbst unsicher gewesen, ob die Kunden in ihr "Flur-Lädchen" kommen, erzählt Inhaberin Catherine Herr. Und dann kam auch noch ein Zeitschriften-Vertreter daher, der ihr prophezeite: "Das ist eine Totgeburt." Wie solle ein so kleiner Laden in Mittelsinn bestehen? Der Dorfladen in Karlburg habe auch wieder zumachen müssen. So recht an den Laden geglaubt habe im März vor zwei Jahren, als er aufmachte, niemand. Aber es funktioniere, das Lädchen werde immer besser angenommen.

"Es kommt halt drauf an, ob man es gern macht", sagt die 44-Jährige, die ursprünglich aus Aura kommt. "Für mich ist es keine Arbeit, ich lebe das." Das spürten die Kunden auch, glaubt sie. Nach der Erfahrung mit dem Zeitschriften-Vertreter habe sie lange keine Zeitschriften im Sortiment gehabt. Inzwischen hat sich das geändert. Dessen Nachfolgerin hatte beim Besuch offenbar einen ganz anderen Eindruck, denn die habe gleich geäußert, wie schön der Laden sei.

Männerkaffeekränzchen mit eigenen Tassen

Am Donnerstagmorgen vergangener Woche ist viel los in dem 40 Quadratmeter-Laden in der Flurstraße. Einige fröhliche Herren in gesetztem Alter treffen sich in der kleinen Café-Ecke zu ihrer Kaffeerunde, manche kommen aus Obersinn. Mit Catherine Herr und ihrem Mann Marcus sind alle per Du. Als Weihnachtsgeschenk haben die Stammgäste Tassen mit ihren Namen drauf bekommen. Weil das Café so gut läuft, haben die Herrs mit finanzieller Unterstützung der Sinngrundallianz die Außenterrasse als Café-Erweiterung überdachen lassen. Jetzt muss sie nur noch rundum geschlossen werden.

Das Flur-Lädchen in der Flurstraße.
Foto: Björn Kohlhepp | Das Flur-Lädchen in der Flurstraße.

Wie kommt man in Zeiten von Supermärkten auf die Idee zu so einem Lebensmittelladen in Mittelsinn? Für die gelernte Arzthelferin, die zuvor im Drei-Schicht-Betrieb bei Viant in Aura arbeitete, hat die Sache etwas Anlauf gebraucht. Auf die Idee, selbst einen Laden zu führen, habe sie der Inhaber des Lottoladens in Burgsinn gebracht, der sie auf der Suche nach einem Nachfolger angesprochen habe. Das war für sie damals keine Option, aber die Frage fiel bei ihr auf fruchtbaren Boden.

Zwischenstation Nahversorger Lohrhaupten

Irgendwann hörten die Herrs, dass im 25 Minuten entfernten Lohrhaupten für einen Nahversorger mit Getränkeverkauf ein Nachfolger gesucht werde. Catherine Herr sah darin ihre Chance, sich zu verwirklichen, und so übernahmen sie das Ruder. Allerdings nur für zwei, drei Jahre. Ihr Mann Marcus habe irgendwann gesagt: "Das geht nicht mehr, wir bringen nur Geld mit." Es seien viele Tränen geflossen, als sie im Oktober 2022 in Lohrhaupten aufhörten, der Laden habe immerhin über 40 Jahre bestanden. "Dann hat sie angefangen, wir können doch hier –", erzählt Marcus Herr, 49.

Bis dahin waren die ebenerdigen Räume ihres Wohnhauses als Keller genutzt worden. Da war kein Fußboden drin, die Decke musste abgehängt werden. "Dann hab ich mich halt doch breitschlagen lassen", sagt ihr Mann. Die nötigen Arbeiten machte er mit seinem Vater. Sie fühle sich mit ihrem Laden wohl, und es mache ihr einfach Spaß, sagt sie. In der Industrie sei das anders gewesen. "Sie wuppt das alles alleine", sagt er.

Kaffee-Gäste im Flurlädchen in der Flurstraße in Mittelsinn
Foto: Björn Kohlhepp | Kaffee-Gäste im Flurlädchen in der Flurstraße in Mittelsinn

Aber natürlich sei die Industrie finanziell etwas anderes gewesen, bei so einem Laden habe man keine Riesenmarge. "Ohne noch einen Job im Hintergrund geht das nicht", sagt Marcus Herr, der für einen Natursteinhandel in Wächtersbach arbeitet. Weil seine Arbeit von den Arbeitszeiten her recht flexibel sei, könne er immer wieder mithelfen. Die Schwiegermama aus Aura springe ein, sollte ihre Tochter mal mit einer Erkältung das Bett hüten müssen. Angestellte sind finanziell nicht drin.

Für das frische Obst und Gemüse kommen die Kunden auch von auswärts

Catherine Herr halfen ihre Erfahrungen und Kontakte zu Lieferanten aus Lohrhaupten. Für das täglich frische Obst und Gemüse, das frischer sei als im Supermarkt, kämen auch Kunden aus Obersinn, Aura und Burgsinn in ihr Lädchen. Ansonsten haben sie das Edeka-Sortiment aus Lohrhaupten genommen und das weggelassen, was nicht so gut lief. Außerdem haben sie Wurst aus Fellen, Milchprodukte aus Hohenroth, Marmelade aus Rothenfels und Pizza aus Gemünden. Seit acht Wochen führen sie auch Backwaren aus dem Jossgrund. Donnerstags gibt es frischen Kuchen.

"Ach, guck mal hier, eine neue Theke", freut sich eine Kundin, die in den Laden kommt. Seit vorvergangenen Samstag gibt es die Theke. Die "neue" stammt aus der Tankstelle in Wernfeld und hat glücklicherweise genau gepasst.

Veranstaltungen als zusätzliche Einnahmequelle

Damit zusätzlich etwas Geld in die Kasse kommt, haben die Herrs schon zweimal bei den Adventsmarkttagen im Christbaumdorf mitgemacht und dafür auf ihrer Terrasse Dinge wie Langos, Hot Aperol und Winzerglühwein angeboten. "Die vier Tage sind schon sportlich." Anfang Januar haben sie eine Happy-New-Year-Feier mit Bratwurst und Fischweck gemacht. Es sei auch schon die Nachfrage gekommen, ob sie nicht an Fasching was machen wollen, allerdings müssen sie alles nebenbei machen, und immer sei eine mehrwöchige Planung nötig.

Rund 30 Jahre habe es in Mittelsinn nach dem Ende des Edeka Weininger, des Tante-Emma-Ladens, keinen Nahversorger mehr gegeben. Nur einen Getränkehandel und zwei Bäcker. Für die Mittelsinner sei es eine Umgewöhnung. "Jetzt merken sie, dass sie für eine Butter nicht mehr nach Burgsinn fahren müssen", sagt Marcus Herr. Weil auch immer wieder Radfahrer, die im Dorf gefragt haben, wo man etwas kaufen könne, bei ihnen gelandet sind, wollen sie jetzt Banner am Radweg aufhängen.

Das Flur-Lädchen hat folgende Öffnungszeiten: Di., Do., Fr. 8 bis 18 Uhr, Mo. und Mi. 8 bis 14 Uhr und Samstag 7.30 bis 12 Uhr.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Mittelsinn
Aura im Sinngrund
Karlburg
Burgsinn
Obersinn
Wernfeld
Lohrhaupten
Björn Kohlhepp
Arbeitszeit
Dorfladen Aura
Edeka-Gruppe
Getränkehandel
Kunden
Lebensmittelläden
Lohrhaupten
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Gerhard Höfler
    Super Sache... andere Ortschaften wären froh, solch einen Anlaufpunkt zu haben...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Peter Lelowski
    Bitte mit Rabattkarten für einkehrende RadfahrerInnen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Thomas Weismantel
    So freundlich und zuvorkommend wird man selten bedient! Da geht man einfach gerne hin!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten