Bei der vergangenen Kommunalwahl hatte Amtsinhaber Peter Paul (CSU-SPD-Unabhängige Bürger) in Mittelsinn keinen Gegenkandidaten. Dieses Mal wird es bei der Bürgermeisterwahl in der mit nur noch knapp 800 Einwohnern kleinsten Gemeinde im Landkreis Main-Spessart jedoch spannend. Paul will es ein drittes Mal wissen, der 68-Jährige sieht sich aber gleich zwei jüngeren Herausforderern gegenüber: Simone Engelhaupt (45, Mein Mittelsinn) und Philipp Kuhn (29, Junge Bürger Mittelsinn).
Bevor Peter Paul Bürgermeister wurde, war er 24 Jahre lang Gemeinderat, war dritter und dann zweiter Bürgermeister. 2008 löste er Karl Kratz, der 19 Jahre lang das Bürgermeisteramt innehatte, ab und setzte sich mit 60 Prozent gegen Kratz' Tochter Petra Klein (Freie Bürger) durch. Bei der Wahl 2014 war Paul der einzige Kandidat und wurde mit 90 Prozent im Amt bestätigt. Von 2008 bis 2014 war er zudem Vorsitzender der VG Burgsinn, unterlag 2014 jedoch dem Auraer Bürgermeister Wolfgang Blum.
Paul will es ein drittes Mal wissen, "damit ich die Projekte, die ich angefangen habe, auch zu Ende führen kann", allen voran der "Soziale Treff" in der sanierten Alten Schule und der Kanalbau, der allein dieses Jahr mit 600 000 Euro zu Buche schlagen werde. "Da sind keine weiteren großen Projekte möglich." Er will aber eine Bürgersprechstunde per WhatsApp einführen und hat die Revitalisierung des Altortes und die Ausweisung eines Neubaugebietes ins Auge gefasst.
Paul schreibt sich auf die Fahne, dass er trotz reger Investitionen und stark gesunkener Einwohnerzahlen die Pro-Kopf-Verschuldung von 1200 auf jetzt 400 Euro reduzieren konnte. Vorzeigeprojekte während seiner Amtszeit waren die energetische Sanierung des Kindergartens sowie die Sanierung der Alten Schule.
Dass er jetzt zwei Gegenkandidaten hat, habe ihn nicht überrascht, sagt er. "Ich sehe der ganzen Sache ganz gelassen entgegen." Zu alt für das Amt fühlt er sich noch nicht. In der großen Politik gebe es viele, die älter seien. Aus den eigenen Reihen hätte er zwei Kandidaten ins Auge gefasst. Wenn die angetreten wäre, hätte er "den Weg frei gemacht". Aber der eine habe nicht gewollt, der andere sei noch nicht so weit. Also will er es noch einmal wissen.
Nach dem Besuch der Realschule in Altengronau lernte Paul in einem Lohrer Autohaus Kfz-Mechaniker und machte sich 1974 als Meister mit einer Werkstätte samt Kfz-Handel in Mittelsinn selbstständig. Inzwischen ist Sohn Frank mit in die Firma eingestiegen. Paul ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Der 68-Jährige ist außerdem Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins sowie stellvertretender Vorsitzender des CSU-Ortsverbandes und der "Hans-August-Fischer-Heimatstiftung".
Gibt es zum ersten Mal eine Bürgermeisterin in Mittelsinn?
Der erste Katholik an der Spitze der Gemeinde könnte jedoch von der ersten Frau im Bürgermeisteramt abgelöst werden. Simone Engelhaupt ist kommunalpolitisch bislang ein unbeschriebenes Blatt. Seit der Gründung 2016 arbeitet sie jedoch als Schriftführerin im Verein "Christbaumdorf Mittelsinn" mit, von dem sich noch weitere Mitglieder auf der neuen Liste "Mein Mittelsinn" finden. Nein, die Liste sei nicht der politische Arm des Christbaumdorf-Vereins, sagt sie. Ihre Motivation sei, Mittelsinn auch für die Zukunft attraktiv zu erhalten, sowohl für Kinder als auch für ältere Leute. Da sie selbst noch eine Tochter in der ersten Klasse und pflegebedürftige Eltern hat, glaubt sie, dass sie die Bedürfnisse beider Seiten kennt.
Das ambitionierte Wahlprogramm der neuen Wählergruppierung sieht unter anderem vor, gemeindeeigene Immobilien mit Photovoltaik auszustatten und zu sanieren, um sie für Mieter attraktiver zu machen. Außerdem soll es einen Dorfladen und die Filiale einer Arztpraxis geben. Engelhaupt will ein attraktives Neubaugebiet, und zwar mit einem Bauzwang innerhalb von fünf Jahren. Um berufstätige Eltern zu unterstützen, soll der Kindergarten länger geöffnet haben und die Schulkindbetreuung bezahlbar sein. Der "Soziale Treff" soll aktiv genutzt werden.
"Ich werde auf keinen Fall eine Bürgermeisterin sein, die zu allem Ja und Amen sagt", sagt Engelhaupt. "Man kann es nicht allen 800 Einwohnern gleichzeitig recht machen."
Die getrennt lebende Mutter zweier erwachsener Kinder und eines Schulkinds, die auch schon ein Enkelkind hat, kam in Bad Brückenau zur Welt und wuchs in Mittelsinn auf. Nach der Mittleren Reife machte sie eine Ausbildung zur Versicherungskauffrau und führt seit 2011 eine eigene Versicherungsagentur in Burgsinn. Nach 17 Jahren in Burgsinn wohnt sie nun in Obersinn, weil sie in Mittelsinn nichts gefunden habe. In ihrer Heimatgemeinde hat sie einen Zweitwohnsitz.
Ein Bürgermeister unter 30?
Vielleicht zieht aber auch der Dritte im Bunde, der Youngster Philipp Kuhn, ins Rathaus ein. "Ich bin ein Vollblut-Mittelsinner", sagt er von sich. Der Kandidat der ebenfalls erstmals antretenden Liste "Junge Bürger Mittelsinn" ist auf der politischen Bühne kein Neuling mehr, schließlich ist er bereits seit 2014 im Gemeinderat. Alle "Junge Bürger"-Bewerber sind unter 40 Jahren alt, die meisten noch keine 30. Kuhn will zeigen, dass junge Leute keineswegs politikverdrossen sind und keine Verantwortung übernehmen wollen.
Mittelsinn, so Kuhns Ziel, soll noch lebens- und liebenswerter werden. Dazu soll die Nahversorgung im Ort gesichert werden – wenn gewollt durch einen Dorfladen. Ein Geldautomat müsse her und der Personennahverkehr soll ausgebaut werden. Ein Neubaugebiet, auch wenn es erstmal nur ein kleines wäre, müsse schnell kommen. Angesichts des aktuellen Mittelsinner Babybooms ist er für mehr Krippenplätze sowie für eine Krabbelgruppe und einen Austausch zwischen Jung und Alt im "Sozialen Treff". Wie auch Amtsinhaber Paul bekennt sich Kuhn klar zur Sinngrundallianz, um den Sinngrund zu stärken. Investitionen seien nötig, aber nur bei einer gleichzeitig soliden Haushaltsplanung.
Der ledige Mittelsinner Kuhn hat nach der Mittleren Reife eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker Sanitär/Heizung/Klima und zum staatlich geprüften Techniker gemacht. Inzwischen hat er sich mit einem eigenen Planungsbüro für technische Gebäudeausrüstung in Mittelsinn selbstständig gemacht. "Langweilig wird es einem da nicht, auch wenn ich kein Bürgermeister werde", sagt er.
In seiner Freizeit engagiert er sich im Posaunenchor, in dem er seit seinem achten Lebensjahr musiziert. Schon mit 20 Jahren wurde er Chorleiter. Eine weitere Leidenschaft des 29-Jährigen, der Mitglied in weiteren Ortsvereinen ist, ist die Feuerwehr. Im Christbaumdorf-Verein war er nach der Gründung zwei Jahre lang Kassier.
