
Entrümpeln, ausmisten, aussortieren: Im ersten Lockdown war das für viele Menschen ein Beschäftigungsanker, um im plötzlichen Stillstand etwas Sinnvolles zu tun. Doch sind die Sachen gepackt, stellt sich die Frage: Wo gebe ich die Tüten hin? Einfach und schnell entsorgen im Altkleider-Container um die Ecke? Abgeben im Secondhandladen im nächstgrößeren Ort? Oder warten auf eine Straßen-Sammlung? Die Redaktion hat sich die möglichen "Absatzwege" einmal genauer angeschaut. Und gefragt: Wie sind sie im vergangenen Jahr genutzt worden?
Welche Kleidungsstücke sollen in den Altkleider-Container?
Gefühlt stehen sie an jeder zweiten Ecke: Altkleider-Container. Wer hier seine ausrangierten Sachen entsorgen möchte, sollte darauf achten, dass es sich um einen kommunalen oder karitativ-gemeinnützigen Altkleidercontainer handelt, wie zum Beispiel die Container der Kolpingfamilien in der Region. Stephan Kowoll ist Geschäftsführer der Kolping Recycling GmbH mit Sitz in Fulda. Er sagt: "Die Welle des großen Ausmistens haben wir hinter uns." Denn sorgte das Entrümpeln daheim bei den Menschen für Ordnung und Leere, füllten sich gleichermaßen unverhältnismäßig die Altkleidercontainer in der Region. Und nicht nur das: Da auch die Wertstoffhöfe zu der Zeit geschlossen hatten, landete auch viel Müll in oder vor den Containern. Ein weiteres Problem: Gleichzeitig brachen wegen Corona weltweit die Lieferketten zusammen. Also blieb die Ware in den Lagern der Sortierbetriebe liegen. Container wurden gar nicht erst geleert.
"Die Situation hat sich zum Ende des Jahres zum Glück beruhigt", so Kowoll. Dafür habe sich nun der Trend vom letzten Frühjahr umgekehrt: Das Recyclingunternehmen spürt einen Rückgang der Kleiderspenden. Ein Resultat des langen Lockdowns und des dadurch reduzierten Konsums. Auch die Verlagerung des Arbeitslebens ins Homeoffice hätte dazu beigetragen. "Und wer nichts Neues kauft, sortiert meist auch nichts Altes aus", so der Geschäftsführer.
Rund 40 Prozent noch tragbare Kleidung
Was aber genau passiert mit dem Inhalt der Container? "Dieser landet zunächst gesammelt in einem Sortierwerk in Holland", so Kowoll. Dort werde jedes einzelne Teil von Hand begutachtet und sortiert. "Eingeordnet wird in 240 Sorten, davon fallen 220 Sorten unter noch tragbare Sachen", erläutert der Geschäftsführer. Insgesamt beinhaltet das Sammelgut in der Regel rund 40 Prozent tragbare Kleidung. Weitere 40 Prozent gelten als nicht verwendbare Kleidung und werden zu Putzlappen oder für Werkstoffe der Automobilindustrie verarbeitet. Der Rest ist Müll und muss vorschriftsmäßig und teuer entsorgt werden.
Die vorsortierte Ware hingegen werde an Händler aus den entsprechenden Ländern verkauft, so Kowoll. Dabei sei die Lage auf den Absatzmärkten noch sehr unterschiedlich: Eine gute Nachfrage habe man aus Afrika. In Osteuropa, einem normalerweise starken Absatzmarkt, sei derzeit noch alles geschlossen und somit auch keine Nachfrage da. Händler aus den jeweiligen Ländern kauften bestimmte Produktgruppen, wie Schuhe oder Babysachen. Die Gelder wiederum fließen wieder zurück an die jeweilige Kolpingfamilien, die die Container aufstellen und betreiben. Wofür die Gelder eingesetzt werden, entscheiden die Gruppen vor Ort. In den Wiederverkauf in Deutschland gelangt nichts aus einem Altkleider-Container, so Kowoll. Denn hier Abgegebenes gilt zunächst als Abfall.
Discounter-Ware mindert die Qualität
Auch das Bayerische Rote Kreuz betreibt Altkleider-Container. 99 Stück davon stehen im Landkreis Main-Spessart, berichtet Kreisgeschäftsführer Thomas Schlott. Auch hier kam es im Laufe des vergangenen Jahres zu überfüllten Containern. Seit Anfang 2021 hat der Verband mit der Firma Texaid einen neuen Sortierdienst, der wieder regelmäßig leert und sich um die Weiterverarbeitung der Ware kümmert, so Schlott.
Rund 120 Altkleider-Container hat das Unternehmen Funk aus Marktheidenfeld in Main-Spessart stehen. Dominik Funk leitet zusammen mit seinem Vater Johann das Familienunternehmen. Mit ihren Spenden versorgen sie unter anderem Kindergärten in der Region und unterstützen den Verein Sternenzelt. Wenn Dominik Funk aber auf das letzte Jahr zurückblickt, fällt ihm nur ein Wort ein: Katastrophe. Der Altkleidermarkt sei am Boden, sagt er, die Zukunft ungewiss. Allein von diesem Dienst könnte das Unternehmen nicht leben. Über Wasser hielten sie derzeit der Containerdienst und die Wohnungsauflösungen.
Die Gründe sind vielfältig: Neben dem Zusammenbruch der Lieferketten im vergangenen Jahr, die dazu geführt hätten, dass die Ware teilweise teuer eingelagert werden musste, spielen die hohen Spritpreise und langen Zahlungsziele eine Rolle. Aber auch: Die abnehmende Qualität der Ware, dadurch, dass viele Textilien mittlerweile vom Discounter kommen. "Das ist fast nur noch Schredderware", so Dominik Funk. Dennoch wollen er und sein Vater die Altkleider-Container so lange wie möglich halten.
Welchen Vorteil haben Secondhand-Läden?

"Wer gute Kleidung abgeben möchte, sollte das in einem Secondhandladen in der Region tun", sagt BRK-Kreisgeschäftsführer Thomas Schlott. "In den Containern werden die Sachen öfters durch hineingeworfenen Müll verschmutzt oder sie nehmen rasch einen modrigen Geruch an und werden so unbrauchbar." Bereits seit 2014 gibt es den Rotkreuz-Kleiderladen in der Ludwigstraße 8 in Lohr. Ende 2020 eröffnete das Rote Kreuz in Main-Spessart einen zweiten Laden in der Alten Bahnhofstraße 30-32 in Karlstadt. Außerdem gibt es im Landkreis drei Anlaufstellen des "Intakt Gebraucht Waren Zentrums" und einige privat betriebene Geschäfte.
In Gemünden, in Lohr und in Marktheidenfeld nehmen die Läden von "Intakt" gebrauchte Kleidung, aber auch Möbel an. "Wir bekommen alles, von frisch gewaschener und gebügelter Ware bis hin zu Müll", sagt der Projektleiter der drei Sozialkaufhäuser Michael Porzelt. Nach dem Lockdown im Frühjahr 2020 kamen auch in den drei Sozialkaufhäusern "hohe Wellen an Ware" an. Diese habe man aber gut auffangen könne, die Lagerkapazitäten seien da, so Porzelt.
Im Lockdown selbst waren dann auch die Intakt-Läden zu – sprich, es wurde nichts angenommen, nichts verkauft und es konnte sich dort nicht mehr getroffen werden. Letzteres sei für manche Menschen besonders schwierig, denn das Sozialkaufhaus sei auch eine wichtige Anlaufstelle, die Mitarbeiter gleichzeitig Ansprech- und Austauschpartner, so Porzelt.
Dazu kommt: Secondhand kommt immer mehr in Mode. "Das Umdenken, dass ein gebrauchter Tisch meist stabiler und somit länger haltbar ist, setzt sich langsam durch", so der Projektleiter. Insofern habe man in der langen Lockdown-Zeit auch darüber nachgedacht, die Ware online anzubieten und zu verkaufen. Doch schnell war klar: "Dafür haben wir derzeit die Ressourcen nicht."