

Dass Rosemarie Schotte einen besonderen Bezug zu Weihnachten hat, spürt man, wenn sie über ihre Kindheitserinnerungen an die Festtage spricht: Ganz genau kann die 81-Jährige noch die magische Stimmung beschreiben, als die Tante endlich die Glocke läutete, alle den Christbaum bewunderten – und der Duft von Orangen, "die damals noch Apfelsinen hießen", durch das Wohnzimmer zog. Und dann hat sie auch noch am Nikolaustag Geburtstag. Ein Wink des Himmels?
Seit mittlerweile 30 Jahren beantwortet Rosemarie Schotte gemeinsam mit Helferinnen und Helfern Briefe und Wunschzettel aus nah und fern im Namen des Christkinds. 1993 startete die gebürtige Rheinland-Pfälzerin als Ehrenamtliche in der Weihnachtspostfiliale in Himmelstadt (Lkr. Main-Spessart), die es seit 1986 gibt. "Ich war von Anfang an begeistert davon und habe bis in die Nacht Briefe beantwortet."
Schon ein Jahr später übernahm sie im himmlischen Postamt die Leitung – und auch 30 Jahre später denkt sie noch nicht ans Aufhören. "Mir geht es auch nach all den Jahren um die Kinder."
In 30 Jahren hat Rosemarie Schotte so einiges erlebt. Was ihr besonders in Erinnerung geblieben ist und sofort wieder einfällt? Fünf Anekdoten, berührende Momente und spezielle Kinderwünsche.
1. Besondere Briefe, die "Chefinnen-Sache" sind

Schotte stellt gleich klar: Wie viele Briefe sie in den vergangenen 30 Jahren beantwortet hat, könne sie unmöglich sagen. Im Laufe der Zeit habe sich sowieso vieles verändert: Wo es früher noch eine kurze Notiz als Antwort gab, gehen die 40 Helferinnen und Helfer des Christkinds mittlerweile tiefer auf Wünsche und Probleme ein. "Darauf achte ich sehr."
Dafür werden die Zusendungen sortiert. "Briefe, in denen es um Krankheiten, Todesfälle oder auch Mobbing geht, beantworte ich selbst", sagt Schotte. "Ich möchte den Kindern Trost und vielleicht auch den ein oder anderen Ratschlag mitgeben. Vor allem ist mir aber wichtig, dass sie nicht mehr so traurig sind." Und Kinder, die sich über schlechte Noten beklagen, bekommen von der Chef-Assistentin des Christkinds einen freundlichen Hinweis: "Da hilft nur: Üben, üben, üben!"
2. Verona Pooth in der Weihnachtspostfiliale
Barbara Stamm, die Komiker "Erkan und Stefan" und jetzt der bayerische Ministerpräsident Markus Söder: Rosemarie Schotte hat viele Prominente in der Weihnachtspostfiliale begrüßt. 2001 kam TV-Sternchen Verona Pooth, damals noch Feldbusch, in der Vorweihnachtszeit nach Himmelstadt, um einen Fernsehbeitrag zu drehen.
Bei Rosemarie Schotte hat sie keinen guten Eindruck hinterlassen. Drei Mal sei der Termin abgesagt worden. Schotte musste "einiges arrangieren" und organisierte auf Wunsch von "Verona" extra Tische, Stühle und als Nikoläuse verkleidete junge Männer aus Himmelstadt. Nach der mehrmaligen Absage seien einige wieder abgesprungen – keine Lust mehr. Als Pooth dann doch noch auftauchte, sei der gesamte Besuch sehr skurril gewesen: "Verona kam ins alte Rathaus und trug ein pompöses weißes Nikolauskostüm."
Im Raum wurde extra ein großer Make-Up-Spiegel aufgebaut, dazu sorgte eine Maskenbildnerin für Veronas gutes Aussehen – und das TV-Sternchen hatte einen wuchtigen Bodyguard dabei, der sich vor der Tür aufstellte. "Und als es dann losgehen sollte, alle haben nur auf sie gewartet, hieß es: Verona kann jetzt noch nicht." Sie habe erst noch mit ihrem späteren Mann Franjo telefonieren müssen, erzählt Schotte. Auch danach habe sich Pooth nicht wirklich für die Arbeit der Briefebeantworter interessiert. Die 81-Jährige schüttelt heute noch den Kopf.
3. Eine Antwort vom Christkind mit 78 Jahren Verspätung
Eine besondere Freude konnte Rosemarie Schotte 2009 einer 91-Jährigen bereiten: "Die Familie der Frau hatte auf dem Dachboden einen 78 Jahre alten Brief ans Christkind gefunden. Die Enkelin hat mich dann darum gebeten, ihn nach all der Zeit zu beantworten."
Die Chef-Sekretärin des Christkinds machte das gerne: "Im Brief wünschte sich das damals 13 Jahre alte Mädchen einen Holzkasten für die Handarbeitsstunde, eine Puppenküche, für die Mama 'das große Los' und für den Papa 'immer Arbeit'. Das fand ich so schön." Der betagten Frau schrieb Schotte dann einen zwei Seiten langen Brief zurück. "Den hat sie am 24. Dezember erhalten – und auswendig gelernt." Wenige Wochen später sei die 91-Jährige gestorben. Aber wie die Familie danach berichtete, hatte sie noch bis zu ihrem Tod von der Antwort des Christkinds gesprochen.
4. Mut machende Ritter für einen schwerkranken Jungen
Besonders schwer falle es ihr auch nach all den Jahren immer noch, Briefe zu beantworten, in denen Kinder von ihrer Krankheit berichten, sagt Schotte: "Ich versuche, mein Bestes zu geben. Aber manchmal denke ich: Wenn ein Kind so krank ist, können meine Worte da überhaupt noch Trost spenden?" Die 81-Jährige erinnert sich an einen Brief vor einigen Jahren: "Der kleine Junge hatte Krebs und lag im Krankenhaus." Seine Mutter hatte ihm erklärt, dass in seinem Körper Ritter gegen die Krankheit ankämpfen würden.
"Da bin ich mit meinem Mann nach Karlstadt gefahren und habe dem Jungen in einem Spielwarenladen eine Packung mit kleinen Rittern gekauft. Dazu habe ich ihm im Namen des Christkindes geschrieben, dass die ihn jetzt auch unterstützen."
5. Der Brief mit der längsten Anreise und die größten Wünsche

Der längste Weg, den ein Brief bisher nach Himmelstadt zurückgelegt hat? Da muss Rosemarie Schotte nicht lange überlegen: "Schon mehrere kamen aus Neuseeland!" Und gerade ist wieder ein Päckchen aus Taiwan eingetroffen mit zahlreichen Karten einer Schulklasse, die beantwortet werden wollen.
Und wie haben sich die Wünsche der Kinder mit den Jahren verändert? "Klassiker wie Barbie, Lego oder Playmobil bleiben." Besonderes notiert sich Rosemarie Schotte in ihrem dicken Notizbuch. "Ein Kind hat sich einen Geist gewünscht, der Wünsche erfüllen kann. Ein anderes einen echten Drachen." Auf den Wunschzetteln stehen außerdem Dinge wie ein Klavier, ein Schlagzeug oder ein Tisch von Ikea. Aber auch "Danke für die Geschenke von letztem Jahr" oder "gespendete Wünsche" von der eigenen Liste für ein armes Kind.