Es ist angenehm warm in der Backstube. Acht Frauen sitzen am Tisch und kneten Brotteig. Der Holzofen ist bereits angeheizt: Brotbackkurs in der Backstube "Reifezeit" in Roden. "Bei mir lernen Hobbybäcker, wie sie ein Sauerteigbrot selbst zu Hause backen können", sagt Karin Böhm, die den Kurs leitet.
Vor zehn Jahren hat sie – zusammen mit ihrem Mann – die Gebäude der ehemaligen Gastwirtschaft "Zum Ross" in Roden gekauft und ausgebaut. Zum Haupthaus, in dem die siebenköpfige Familie wohnt, gehören auch ein ehemaliger Schweinestall und andere Nebengebäude aus fränkischem Buntsandstein.
In einem davon, der jetzigen Backstube, steht der Holzofen aus dem 19. Jahrhundert. Dieser war die Initialzündung für die 42-Jährige, sich mit Brotbacken zu beschäftigen. "Ich habe früher schon mit Backmischungen experimentiert, Sauerteig kannte ich jedoch nicht. Als ich den Ofen sah, wusste ich, jetzt will ich das machen", erzählt die Rodenerin.
Völlig ohne Erwartungen begann sie mit dem Brotbacken für sich selbst und ihre Familie. Wie das aber so ist, wenn man etwas mit Herzblut beginnt, "es spricht sich rum." Die Verwandtschaft kam "kannst Du mir mal ein Brot backen?"
"Ich zeig’s Euch, wie es geht, aber machen müsst ihr es selbst", war Böhms Antwort, die neben ihrer Familie auch berufstätig ist. So kam eins zum anderen und sie startete 2016 mit den ersten Kursen. 20 Basiskurse gibt sie mittlerweile im Jahr. Für 2024 ist sie schon ausgebucht. "Für mich wurde das Brotbacken zu einer Leidenschaft und mein Ziel ist, auch andere dafür zu begeistern", sagt sie.
Seit Corona habe sich ein Trend entwickelt, vieles selbst zu machen. Brotbacken kann jeder, der Interesse daran hat. "Meine neunjährigen Zwillinge backen mit Begeisterung selbst", sagt Böhm. Zum Basiskurs bietet sie noch einen Aufbaukurs mit Kleingebäck wie Laugenbrezeln, Körnerstanden, Brötchen, Croissants und vielem mehr.
Wer zum Brotback-Kurs kommt? Die Hälfte ihrer Teilnehmer backt seither zu Hause Brot. Ihre jüngste Teilnehmerin war 14, der älteste 82. "Und er backt seither immer noch sein Brot selbst", ist Böhm beeindruckt. Darauf ist sie auch ein bisschen stolz. Mit ihren Kursen konkurriere sie jedoch nicht mit den Bäckereien, die das wichtige Lebensmittel herstellen und dabei oft unter enormem Preisdruck stehen.
Die Teilnehmerinnen des aktuellen Kurses sind zwischen Mitte 30 und Anfang 60 Jahre alt und kommen aus Main-Spessart und Höchberg. Mit Mehl bestäubt und ganz bei der Sache, lauschen sie Böhms Ausführungen: "Eine Hand bleibt sauber", erklärt sie und hält ihre Schüssel fest. Mit der anderen Hand vermengt und knetet sie geschickt die Zutaten durch. Gebacken werden ein Roggen-Dinkel-Brot und eine Dinkel-Emmer-Kruste.
"Jetzt dehnen und falten wir den Dinkelteig". Böhm nimmt wieder ihre Schüssel zur Hand. Der Teig ist Deutschland, gefaltet wird von Nord nach Süd und von Ost nach West – immer mit Unterfranken als Ankerpunkt in der Mitte. Dann den Teig abdecken und ab ins Regal zum Ruhen. "Wir falten den Teig nach 30, 60 und 90 Minuten", erklärt Böhm.
Für Uschi aus Erlenbach war der Brotbackkurs ein Weihnachtsgeschenk ihrer Tochter. Sie habe vor Jahren schon mal versucht, Brot zu backen. "Das hat aber nicht so gut geklappt, deshalb habe ich es wieder gelassen", zuckt sie mit den Achseln. Jetzt und hier wolle sie es richtig lernen und dann auch daheim Brot backen.
Gegenüber knetet Monika, auch Erlenbacherin, ihr Roggen-Dinkel-Brot. "Wenn es flutscht, dann backe ich daheim mein Brot selbst", lacht sie. "Das fühlt sich zäh an", sie zieht den Teig, der an jedem Finger klebt hoch, "so, als würde das nie mehr von der Hand gehen." Böhm nickt zustimmend: "Der ist sehr gut, Brotteig muss aussehen wie Beton und sich anfühlen wie Fliesenkleber, dann ist er genau richtig."
"Brot braucht Zeit und Wertschätzung", erklärt Böhm. Die angestellten Teige müssen immer wieder ruhen. Zwischen den Arbeitsschritten beantwortet die 42-Jährige Fragen und gibt ihr Wissen rund ums Brotbacken weiter. Nach jedem Arbeitsgang wird der Tisch gesäubert, die Schüsseln gespült und aufgeräumt.
"Mein Freund bekommt das erste Stück von meinem selbstgebackenen Brot", kündigt Alexandra an, "und auch meinen Eltern habe ich eine Kostprobe versprochen." Ihr Freund habe eine Laktoseintoleranz, sagt die Laudenbacherin. Deswegen sei sie vorsichtig bei industriell hergestelltem Brot.
Die Backzutaten für den Kurs hat Böhm vorbereitet, zusammen mit einem Skript. "Ein gutes Brot ohne Gewürze, das man nur mit Butter essen kann ist das, was die meisten am liebsten möchten", sagt sie.
Emil, Heidi, Timo und Mampfred, so tauften die Teilnehmerinnen ihre Sauerteige. Das hat Tradition, denn "nur was einen Namen hat, wird auch gefüttert", sagt Böhm. Ihrer heißt Malte, ihn gibt es seit 2015. Und gefüttert werden muss das Anstellgut, die Basis der Brote. "Das Füttern ist keine Hexerei, vergisst man es jedoch oder arbeitet unsauber, muss man wieder von vorne anfangen", sagt sie. Jede Teilnehmerin füttert mit 20 Gramm Malte ihren eigenen Sauerteig.
"Das Internet ist ja voll von Infos rund um's Brotbacken, da weiß man nicht, was ist jetzt wichtig", erklärt Julia aus Höchberg. "Hier bekommen wir die Basics beigebracht und können dann auch ohne Backmischungen Brot backen."
In der Backstube haben die Teilnehmerinnen inzwischen ihre Roggenbrote in die Gärkörbchen gelegt. In jedem Körbchen liegt zuunterst eine Oblate mit dem Namen der Bäckerin. Christopher Böhm ist für den Holzofens zuständig. Nachdem er die Pizzen aus dem Ofen geholt hat, schöpft er die Glut aus und wischt ihn mit einem Feudel sauber. Der fränkische Holzofen, der nach oben ansteigend gemauert ist, "kühlt" dann auf gut 320 Grad herunter. Dann werden die Brote "eingeschossen", die die Hobbybäckerinnen hernach stolz zu Hause präsentieren und sich munden lassen können.