Auch wenn die Mahnfeuer erloschen sind und derzeit Schnee- und Eisglätte die Berichterstattung dominiert: Die Bauernproteste wirken bei vielen nach und haben die Menschen bewegt. Bereits auf den Demonstrationsfahrten waren einige branchenfremde Unternehmer zu sehen, unter ihnen Spediteure und Handwerker. Was hat sie bewegt, mitzumachen? Was nehmen sie von den Protesten mit für ihre Branche?
Schreinermeister Thomas Heußlein aus Billingshausen ist Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft (KHW) Main-Spessart. Er selbst war nicht bei den Protesten der Landwirte dabei, findet es aber "grundsätzlich nicht verkehrt, was die Bauern machen." Er vermutet auch, dass solche Proteste vermehrt kommen werden – auch aus seiner Branche. So ruft das Handwerk bereits an diesem Freitag, 19. Januar, zu einem bundesweiten Aktionstag gegen bürokratische Belastungen auf. Betriebe sind aufgerufen, für zehn Minuten ihre Arbeit auszusetzen und mit verschiedenen Aktionen auf ihre Situation aufmerksam zu machen, zum Beispiel mit Postings in den Sozialen Medien. Es sei aber natürlich jedem freigestellt, ob er mitmachen wolle oder nicht, so Heußlein.
Handwerk kämpft vor allem mit überbordender Bürokratie
Die Hauptkritik, die aus dem Handwerk kommt, betrifft die überbordende Bürokratie und die wirtschaftspolitischen Entwicklungen in Deutschland. Thomas Heußlein nennt zum Beispiel das fehlende Tempo in der Umsetzung des 14-Punkte-Plans der Bundesregierung, mit der der Wohnungsbau angekurbelt werden sollte. "Wenn wir da in dem Tempo weitermachen, sehe ich schwarz."
Die Lösung nur im Protest zu suchen, sei auch nicht richtig, räumt Heußlein ein. "Man kann sich auch nicht nur auf den Staat verlassen", erläutert er. Aber die Einschnitte der vergangenen Jahre seien zu massiv gewesen, der Frust der Betriebe und die Existenzängste zu hoch, um jetzt nur stillzuhalten.
Nicht in einen Topf werfen mit den Bauernprotesten
Die Initiative sei aus der Handwerkerschaft selbst entstanden, informiert Daniel Röper, Pressesprecher der Handwerkskammer Unterfranken. Die Kammer unterstützt, in dem sie den Kreishandwerkerschaften einen Link zum Herunterladen von Kampagnenmaterial wie Plakaten, Flyern oder Social-Media-Vorlagen weitergeleitet hat. Er vermutet aber, dass der Protest in Unterfranken und Bayern gering ausfallen wird.
"Man darf das auch nicht in einen Topf werfen mit den Bauernprotesten", so Röper. Von Seiten der Handwerkskammer sehe man auch andere Möglichkeiten, Impulse zu setzen und Kritik einzubringen. So sei man beispielsweise im Gespräch mit politischen Parteien, bei Planfeststellungsverfahren dabei oder in Gesetzgebungen involviert.
Recyclingunternehmer Väth: "Chance gesehen, zu sagen: Hört mal, hier gibt es ein Problem"
Mit mehreren Lkw hatte sich das Recyclingunternehmen Väth aus Erlenbach an den Bauernprotesten beteiligt. "Ich finde es gut, dass es eine Gruppe gibt, die sich organsiert", erläutert Firmen-Inhaber Marco Väth auf die Nachfrage, warum er bei der Aktion mitgemacht habe. Was ihm besonders gut gefallen habe, sei die Friedlichkeit der Demonstration.
Er selbst sei in keinem Verband organisiert. Dafür sei die Recyclingbranche zu uneinheitlich, die Forderungen, Wünsche, Ärgernisse zu unterschiedlich, meint er.
Welchem Ärger er mit seinem Protest Luft machen will? Seit August 2023 gilt eine bundeseinheitliche Verordnung zum Umgang mit Bauschutt, die sogenannte Ersatzbaustoffverordnung. Sie regelt erstmals deutschlandweit, wie und wo Bauschutt und Aushub als wiederaufbereitetes Baumaterial zum Einsatz kommen darf.
"Da hat der Staat Gutes gewollt, im Endeffekt aber ist es für die Entsorgungsbranche ein Rückschritt" so Väth. Was sich konkret geändert hat: Früher habe er Baustoffe wie Putz oder Mörtel, die zum Beispiel beim Abriss alter Gebäude anfielen, abgeholt, wiederaufgearbeitet, sie wurden zertifiziert und konnten zur Wiederverwendung verkauft werden.
Mit der neuen Verordnung wurden die Prüfszenarien verändert und die recycelten Baustoffe durchlaufen mehrere Verfahren, bei denen die meisten Stoffe zur Wiederverwertung rausfallen. "Eigentlich können wir nur noch Beton wiederverwerten", so Väth. Das hat zur Folge, dass er die Annahme von anderem Material stark reduziert hat beziehungsweise es gar nicht mehr annimmt.
Brandbriefe auf den Weg gebracht
Väth befürchtet, dass durch die Regelung der Wiedereinsatz von Bodenmaterial, statt zu steigen, weiter sinkt und so künftig wieder mehr Bodenmaterial auf Deponien lande. "Und das Fassungsvermögen von Deponien in Deutschland ist endlich, neue Verfüllflächen nicht gewollt", erläutert er. Diese Entwicklung beschäftigt den Unternehmer. In der Teilnahme an dem Bauernprotest hat er die Chance gesehen, den Menschen zu sagen: Hört mal, hier gibt es ein Problem, das erstmal nur uns betrifft, aber letztlich irgendwann auch beim Verbraucher ankommt. Meist in Form von Preiserhöhungen, die weitergeben werden.
Zusammen mit Kollegen aus der Branche habe er auch schon Brandbriefe an das Bayerische Landesamt für Umwelt und an den Entsorgerverband geschrieben. "Die sagen dann: Das muss in Berlin entschieden werden", berichtet Väth. Aber es könne ja nicht das Ziel sein, alle Deponien vollzufüllen oder den Schutt ins Ausland zu fahren, kritisiert er.
Welche Reaktionen Väth auf seine Teilnahme bei der Landwirt-Demo bekommen hat? Insgesamt zustimmende. Ein Unternehmer fand seine Beteiligung sogar so gut, dass er künftig mit ihm zusammen arbeiten möchte.
"Wenn es den Bauern schlecht geht, geht es uns allen schlecht"
An den Protesten der Landwirte und Landwirtinnen hat sich auch Maurer- und Betonbaumeister Roman Göbel beteiligt. "Wenn es den Bauern schlecht geht, geht es uns allen schlecht", sagt er. Denn wenn in Folge der gekürzten Subventionen für die Landwirtschaft die Lebensmittelpreise steigen, würde sich das auf die gesamte Bevölkerung auswirken. Mit seinem Bau- und Planungsunternehmen spürt er schon jetzt deutlich, dass die Menschen weniger Geld in der Tasche haben - Aufträge für private Einfamilienhäuser bekommt er zurzeit zum Beispiel gar nicht herein. Er war froh, mit der Bauern-Demo "überhaupt eine Möglichkeit zu haben, sich zu äußern": "Das Handwerk bekommt eben nicht so viele Leute auf die Straße, wie die Landwirtschaft", vermutet er.
Er war mit seinem Angestellten bei der Demo in Rohrbrunn. "Alles lief sehr friedlich und freundlich ab. Wer unbedingt vorbeimusste, dem wurde auch Platz gemacht", erzählt er von seiner Erfahrung. Er berichtet von viel Zuspruch von Autofahrern und von Gastronomiebetrieben, die die Demonstranten mit Kaffee oder Mahlzeiten versorgten. Auf die Protestaktion des Handwerks am Freitag blickt er skeptisch: "Von wem wird denn der Handwerker gesehen, wenn er auf der Baustelle ist und 10 Minuten nicht arbeitet?" Er kann sich aber vorstellen, in den Sozialen Medien teilzunehmen.
Der Fahrer ist gestorben, weil er (warum auch immer) unaufmerksam/abgelenkt/zu schnell unterwegs war.
Das wäre bei jedem anderen Stau-Ende genauso passiert, egal welche Ursache der Stau hat.