Als Marcel Brendel, Florian Brückner und Adrian Winheim den Anruf dieser Redaktion am Dienstag annehmen, ist es bei ihnen, im indischen Varanasi, gerade 14:30 Uhr bei 20 Grad Außentemperatur. In Karlstadt ist es im gleichen Moment zehn Uhr vormittags bei eisigen -8 Grad. Ein wenig kälter dürfte es aber auch bei den drei Freunden aus Karlstadt und Gambach die kommenden Tage noch werden. Schließlich führt sie ihre Route mit der türenlosen Rikscha immer weiter Richtung Himalaya, bis in den nordöstlichsten Teil von Indien. An Neujahr starteten sie mit 68 anderen, voll besetzten Rikschas beim "Rickshaw Run India" 2024 ein Abenteuer quer durch den Subkontinent.
Aber wie kommt man auf die Idee, mit Kumpels aus Karlstadt in einer kleinen, landestypischen, dreirädrigen Rikscha einmal durch ganz Indien zu fahren? Adrian Winheim hatte schon vor 12 Jahren aufgeschnappt, dass es diese Rallyes in Indien gibt und wusste sofort, dass er daran unbedingt einmal teilnehmen will. „Alle, die ich gefragt habe, haben gemeint, dass ich spinne und gefragt, ob ich sterben will“, sagt Winheim. Irgendwann erzählte er dann beim Feiern seinem Arbeitskollegen Florian Brückner und dessen Fußballkollegen Marcel Brendel von seinem Plan. „Die beiden haben zugesagt und ich habe gemeint: Wenn ihr morgen nüchtern und trotzdem noch dabei seid, schreibe ich uns ein“, so Winheim.
Unwegsame 1300 Kilometer bis zum Ziel
Da der Rickshaw Run immer mit einem guten Zweck in Verbindung steht, waren Team Indergalactic sowie alle anderen Gruppen dazu verpflichtet, 500 Euro für das „Cool Earth Project“ zu spenden. An Heiligabend entschieden Brendel, Brückner und Winheim, diese Summe selbst aufzubringen und in der Zeit der Reise weitere Spenden für krebskranke Kinder der Station Regenbogen in Würzburg zu sammeln.
Die insgesamt 3800 Kilometer lange Route führt das Trio von Fort Kochi in Südindien bis nach Shillong im Norden des Landes. „Team Indergalactic“, wie die drei sich genannt haben, feiert die Halbzeit am achten Tag mit einem Tag Pause. „Wir wollen uns ein bisschen bewegen und nicht nur in der Rikscha sitzen. Die letzten Tage sind gut gelaufen, wir haben schon über 2500 Kilometer auf dem Tacho und noch etwa 1300 vor uns. Ab jetzt kommen wir aber langsamer voran, da die Straßen unwegsamer werden“, weiß Marcel Brendel, Elektrotechniker aus Karlstadt.
"Flotter Otto" anfangs mit Startschwierigkeiten
Einen Tag Auszeit kann auch der „Flotte Otto“ gebrauchen. So wurde die Rikscha der Gruppe durch über Social Media eingereichte Vorschläge von der Community benannt. Was die vielen Bilder und Videos auf dem Instagram-Kanal von Team Indergalactic nicht verraten: „Flotter Otto“ zog seine drei Passagiere in den ersten Tagen zwischen zehn und dreizehn Stunden täglich durch das Land. Diese Anstrengungen forderten schon am zweiten Tag ihren Tribut von der kleinen Rikscha, die von einem Straßenkünstler individuell designt wurde. „Uns ist das Kupplungsteil abgerutscht und wir konnten nicht mehr schalten. Es war natürlich nicht der Plan, gleich in den ersten Tagen eine Werkstatt zu brauchen“, sagt Florian Brückner.
Die Hilfsbereitschaft der Einheimischen sei aber generell sehr groß – ebenso die Akzeptanz der letztendlich sehr touristischen Aktion. Wie die drei berichten, fragen die Menschen in Indien alle sofort nach, wo sie her sind und wollen ständig Selfies machen. Sogar auf eine indische Hochzeit wurden sie schon eingeladen. „An einem Tag haben wir keine Übernachtungsmöglichkeit gefunden. Dann haben uns drei Einheimische mit einem Lkw zu einem zehn Kilometer entfernten Hotel gezogen und uns das Zimmer überlassen, das sie eigentlich gebucht hatten“, erinnert sich Brendel.
Zwischen Windrädern und "Lagerfeuern" aus verbranntem Müll
Die insgesamt 170 Teilnehmenden des Rickshaw Run India 2024 kommen aus der ganzen Welt und sind dazu angehalten, mit ihren Teams die Strecke nach Shillong auf unterschiedlichen Routen zurückzulegen. Ihren Live-Standort können sie während der zwei Wochen jederzeit über eine App sehen. Die Rikschas wurden von einem lokalen Händler bereitgestellt und können, sollten die indischen Straßen ausnahmsweise frei genug sein, bis auf 70 km/h beschleunigen.
„Sehen kann man die hier überall“, sagt Brendel. „Viele Menschen fahren tagtäglich mit einer Rikscha rum, die sind für viele wie ein Taxi. Vor allem hier in Varanasi haben wir sogar schon einige E-Rikschas gesehen.“ Allgemein gebe es dort, im Norden Indiens, auch mehr moderne Autos als angenommen und sogar ein paar Windräder.
Ganz andere Bilder boten sich den drei Abenteurern auf ihrer Reise in Teilen Zentralindiens. Brendel: „Wir haben in den letzten Tagen auch Menschen in sehr, sehr, sehr armen Verhältnissen leben sehen. Das ist für uns schon krass, zu beobachten, wie Müll auf der Straße verbrannt wird, um sich daran zu wärmen. Das macht nachdenklich und man hält beim Durchfahren wegen des Smogs auch mal die Luft an.“
Schon über 5500 Euro für krebskranke Kinder gesammelt
Angetan hat es den Freunden im Alter von 36 bis 40 Jahren die einheimische Küche. „Flotter Otto“, der Name der Rikscha, sollte möglichst nicht zum Programm werden. "Vor allem Florian und ich hatten Bedenken, aber bisher war alles super verträglich", meint Brendel. Er ergänzt jedoch, dass es auch schon Tage gegeben habe, an denen die Ernährung nur aus Reiswaffeln, Chips und Keksen bestand. Abgesehen von einer Pizza, die mit Mayonnaise statt Tomatensoße bestrichen war, lohne sich auch das indische Essen im Straßenverkauf.
Ebenfalls gelohnt hat sich der anfangs kleine Spendenaufruf im engeren Freundeskreis, der schnell große Dimensionen annahm. „Viele Leute sind auf unseren Content auf Instagram aufmerksam geworden und so haben wir immer mehr Follower und gleichzeitig Spendengelder bekommen“, freut sich Brendel, über dessen Website der Link zum Spenden aufgerufen werden kann. Etwa 5500 Euro wurden nach der ersten Woche schon gesammelt. Wenn die drei mit ihrem „Flotten Otto“ nach 3800 gefahrenen Kilometern in Shillong ankommen, würden sie sich freuen, einen fünfstelligen Betrag gesammelt zu haben.