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Gemünden
Auch Barbara Stamm war mal Stammgast: Im Gemündener Tanzcafé Schüßler ging es einst hoch her, jetzt steht es zum Verkauf
Gemündener erinnern sich gerne an die Zeit, als in den 1960ern am Lustberg Bands spielten und die Männer Krawatten tragen mussten. Was das Tanzcafé noch besonders machte.
Faschingstreiben im ehemaligen Tanzcafé Schüßler in Gemünden
Foto: Sammlung Heimann | Faschingstreiben im ehemaligen Tanzcafé Schüßler in Gemünden
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:04 Uhr

Manch ältere Gemündenerinnen und Gemündener kommen ins Schwärmen, wenn man sie nach dem ehemaligen Tanzcafé Schüßler am Lustberg fragt. "Das Café Schüßler war samstags immer gerammelt voll", erzählt etwa Heiko Krutsch, 79, der wie seine Frau Gerlinde Stammgast war. Mitte der 1960er erlebte es seine kurze Blütezeit, in der auch Barbara Stamm, die damals am Kreuzkloster eine Ausbildung zur Kindergärtnerin machte, zu den regelmäßigen Gästen zählte, wie Krutsch weiß. Auch Auswärtige und Amerikaner waren häufig da. Derzeit steht die ehemalige Bäckerei samt Tanzcafé wieder einmal zum Verkauf, aktuell für 350.000 Euro. Von vier Wohnungen seien drei vermietet, es bestehe diverser Renovierungsbedarf, heißt es in der Anzeige.

Besonders die Live-Bands kamen bei den Gästen gut an

"Viele Gemündener reden, wenn sie sich treffen, immer wieder vom Schüßler", sagt Krutsch. Gemeint sei immer die Zeit mit den Livebands. Als Inhaber Karl "Charli" Schüßler nach wenigen Jahren eine Disco mit Discjockeys daraus machte, weil ihm offenbar die Bands zu teuer waren, ging es bergab. "Das mit dem aufgelegten Schallplatten-Zeugs war nichts Genaues", so Krutsch. Auch Norbert Gröner, 83, erzählt, dass er sich dafür dann schon zu alt gefühlt habe.

"Viele Gemündener reden, wenn sie sich treffen, immer wieder vom Schüßler."
Heiko Krutsch, früher Stammgast im Tanzcafé Schüßler

Eine Live-Band, die offenbar über längere Zeit als Stammkapelle auftrat, war das "Moenus Trio" aus Würzburg. Der Gemündener Sänger Manny Kunz, Jahrgang 1947 und auch aus dem Grautal, erinnert sich, dass er, als er mit dem Musikmachen angefangen habe, noch zu jung für das Tanzcafé war, das immer samstags und sonntags aufhatte. Er habe den Tipp bekommen, dass man die Musik, damals oft jazzig mit Saxophon und Kontrabass, gut hören könne, wenn man draußen am Ventilator lausche. Das habe er dann auch gemacht. "Ich wollte ja ein bisschen lernen von den Jungs."

Heiko Krutsch besitzt noch diese Streichholzschachtel vom Café Schüßler.
Foto: Björn Kohlhepp | Heiko Krutsch besitzt noch diese Streichholzschachtel vom Café Schüßler.

Karl Schüßler, der aus einer Bäckersfamilie in der Gemündener Innenstadt stammte, hatte zunächst das lange Hauptgebäude gebaut und dort eine Bäckerei und Konditorei betrieben. Norbert Gröner, 83, erzählt, dass es dort zusätzlich ein Café gab. Irgendwann Anfang der 1960er baute Schüßler dann einen Anbau mit Flachdach und eröffnete dort das Tanzcafé, für das ein Durchbruch zum alten Café geschaffen wurde. Krutsch sagt, es sei wunderschön gewesen: man konnte innen eine Treppe nach oben gehen und habe wie auf einer Hochterrasse gesessen.

Von den Beatles über die Rolling Stones bis hin zu Drafi Deutscher

Die Band 'Les Petits' auf der Treppe hinter dem Tanzcafé Schüßler (ganz oben Manny Kunz) mit Groupies.
Foto: Sammlung Kunz | Die Band "Les Petits" auf der Treppe hinter dem Tanzcafé Schüßler (ganz oben Manny Kunz) mit Groupies.

Schüßler entging nicht, dass Manny Kunz, damals 16, 17, mit seinen gleichaltrigen Bandmitgliedern von "Les Petits" jeden Tag probte, und hat die junge Gemündener Band eingeladen, sonntagnachmittags Musik zum Tanztee zu spielen. "Das ist erstaunlicherweise gut angelaufen", erinnert sich Kunz.

Irgendwann habe Schüßler zu ihnen gesagt: "Ab nächsten Monat spielt ihr von 20 bis 1 Uhr." So viele Lieder hatten sie damals gar nicht im Programm, also haben "Les Petits" manche mehrfach gespielt. Ihr Repertoire umfasste etwa die Beatles und die Rolling Stones, aber auch deutsche Schlager von beispielsweise Drafi Deutscher. Es funktionierte. Kunz: "Das wollten die Leute hören." Die junge Band habe auch Groupies gehabt.

Jedes Wochenende spielten sie beim Schüßler. Und wenn um 1 Uhr Schluss war, sind die Leute oft noch mal runter in die Bar, die Schüßler irgendwann eingerichtet hatte, erinnert sich der 75-Jährige. Heiko Krutsch erzählt, dass einer seiner Kumpels dort unten mal Wein aus dem Stöckelschuh einer Bedienung trank. Aus den großmäulig von Schüßler angekündigten Bedienungen aus Frankfurt sei aber nichts geworden.

"Es war immer voll, es gab ja außenrum nix anderes."
Manny Kunz, der im Tanzcafé Schüßler seine ersten Auftritte hatte

"Das war ein sehr, sehr schickes Café", erinnert sich Kunz. Er weiß noch, dass Karl Schüßler wollte, dass alle Männer Krawatte tragen. Das sei so eine Idee von ihm gewesen, sagt Heiko Krutsch. "Dann mussten wir alle mit Schlips gehen, aber er kam im Pullover rein." Damals wurde viel Wein und Sekt getrunken. Krutsch erinnert sich, dass es einen sehr guten Wein gab. Er habe immer Cinzano für fünf Mark die Flasche getrunken. Als es eines Tages hieß, die koste jetzt zehn Mark, da habe er sich bei Schüßler beschwert, dass das eine Unverschämtheit sei. "Und jetzt kriegst du Lokalverbot auf ewige Zeiten", habe der ihm gesagt. Krutsch: "Die ewigen Zeiten waren nach einer Woche wieder rum."

Das ehemalige Tanzcafé Schüßler am Gemündener Lustberg steht zum Verkauf.
Foto: Björn Kohlhepp | Das ehemalige Tanzcafé Schüßler am Gemündener Lustberg steht zum Verkauf.

Und wie war das mit Barbara Stamm? Die sei mit zwei Kreuzkloster-Mitschülerinnen aus Schweinfurt und München regelmäßig mit der Clique um Krutsch Gast im Tanzcafé gewesen. Abends hätten sie die drei auf dem Heimweg bis zum Kloster begleitet. Dort sei später am Abend zwar das Gitter zugewesen, aber Stamm habe an der Seite kurzerhand die Stäbe etwas auseinandergezogen, so dass zuerst ihre Mitschülerinnen und dann sie durchkonnten.

Etwa 100 Leute hätten im Tanzcafé Platz gefunden, sagt Kunz. "Es war immer voll, es gab ja außenrum nix anderes." Die Zeit der Discos war damals noch lange nicht. Auch Amerikaner von der Radarstation auf der Sohlhöhe bei Ruppertshütten und deren Vorgesetzte, die im Hotel Schäffer untergebracht waren, seien gekommen. Damals sei viel getanzt worden, viele seiner Kollegen haben ihre Frauen im Schüßler kennengelernt, erzählt Kunz. 

So war es im Tanzcafé Schüßler in Gemünden: Mit dabei Karl Schüßlers erste Frau Regina (rechts), vorne Werner Lindowsky, links daneben Werner Schwammel. Außerdem zu sehen sind Gerold Heimann (Mitte links) sowie (oben von links) Jürgen Herr, Helmut Joa und Manfred Kunz.
Foto: Sammlung Heimann | So war es im Tanzcafé Schüßler in Gemünden: Mit dabei Karl Schüßlers erste Frau Regina (rechts), vorne Werner Lindowsky, links daneben Werner Schwammel.

Die Band "Les Petits" hat allerdings nur etwa ein Jahr zusammen gespielt. Mit der professionelleren Nachfolgeband "The Beats" habe Kunz nur ein-, zweimal im Tanzcafé gespielt. Sie seien Schüßler zu teuer gewesen. Kunz habe danach kaum Zeit gehabt, dort privat hinzugehen, weil er zum Teil 130 Auftritte im Jahr hatte.

Auch die amerikanische Militärpolizei sah nach dem Rechten

Kapellen waren Schüßler irgendwann zu teuer, erinnert sich Krutsch. "Der wollte nur eins: Der wollte viel Geld verdienen." Also baute Schüßler ein DJ-Pult ein und machte aus dem Tanzcafé eine Disco mit zwei Ebenen und zwei DJs, erinnert sich Anwohner Karlheinz Herbert, der damals Jugendlicher war. Er weiß auch von großen US-Militärfahrzeugen zu berichten, die damals oft in der Straße standen. Man habe sich auch erzählt, dass ab und zu die Militärpolizei auftauchte, wenn sich die Soldaten etwas danebenbenahmen.

"Es waren wilde und sehr schöne Zeiten."
Ernst Haipl, Musiker und DJ im Tanzcafé Schüßler

Einer der damaligen Discjockeys war der Gemündener Ernst Haipl, Jahrgang 1949. "Es waren wilde und sehr schöne Zeiten", sagt er. "Das Tanzcafé war die Sensation in Gemünden." Er habe als Gitarrist zunächst Ende der 1960er und Anfang der 1970er noch mit seiner Band "The Impacts" dort gespielt, erzählt Haipl, bevor er als einer von mehreren DJs anfing. Es sei ständig alles voll gewesen, in Erinnerung sind auch ihm die amerikanischen Soldaten geblieben.

Ab Mitte der 1970er war Schluss mit dem Tanzcafé Schüßler

Er kann sich an Wetttrinken der Amerikaner – etwa eine Flasche Jägermeister auf Ex – erinnern und dass sich diese dann draußen vor der Tür übergeben mussten. Nach dem Auftritt hätten sie mitunter noch ihre Instrumente auf deren Fahrzeuge geladen und seien mit auf die Radarstation gefahren, um dort weiter zu spielen. Haipl, der damals noch Finanzbeamter war, erzählt, dass er in Aschaffenburg immer die neuesten Platten kaufte. Schüßlers Frau habe ihm dafür ab und zu heimlich Geld zugesteckt. Mit dem Tanzcafé sei es später rapide bergab gegangen. Mitte der 1970er habe es zugehabt.

In den Jahren danach war das ursprüngliche Café im Haupthaus ein Lokal, erinnert sich Heiko Krutsch. Einmal noch sei er zu einer privaten Feier Mitte/Ende der 1970er ins Tanzcafé gekommen, da habe alles noch so ausgesehen wie zu den besten Zeiten. Schüßlers zweite Frau habe das Ensemble dann verkauft.

Ab dem 1. Oktober 1979 hatte die Fahrschule Feser in den Räumen des ehemaligen Tanzcafés Schüßler für ein Jahr ihren ersten Standort. Karlheinz Herbert erzählt, dass er vor etwa 20 Jahren noch einmal im ehemaligen Tanzcafé war. Die Einrichtung sei teilweise noch da gewesen, etwa die je zwei Plattenspieler unten und oben, alles aber in einem schlechten Zustand. Die Toiletten im Keller seien mit Beton zugeschüttet gewesen.

 
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    Mei habe ich mich gefreut, als mein Freund Sepp Ruppert mir den Link zu ihrem Artikel zum Tanzcafe Schüssler nach Löwenstein schickte, denn auch wir waren mit unseren Freundinnen aus Lohr und Freunden aus Marktheidenfeld - wir selbst wohnten in Hafenlohr - sehr oft beim Schüssler. Aber nicht jedes Wochenende, denn wir hatten in Hafenlohr ja auch ein Tanzsafe, nämlich das Cafe Bergfried genannt" Die Gääs". Die Besitzerin war die Agnes Geis. Ich habe mich so gefreut als ich Helmut Joa, der Schlagzeug spielte, auf dem Foto sofort wieder erkannte. Mit ihm besuchte ich ein paar Jahre das "HumGym" in Lohr. Auch seinetwegen und weil die Le Petits eben "Unsere Musik spielten" kamen wir dann noch öfters nach Gemünne. Ich bin jetzt bald 76 und da lebt die Erinnerung durch solche "Retros" sofort in einem auf. Danke an Herrn Kohlhepp Gruß in die Heimat Nivard Schmitt
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