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Aschaffenburg
Aschaffenburg: Mord an Schülerin nach 40 Jahren aufgeklärt?
Neuer Erfolg der Ermittler in einem Cold Case: Für den Tod einer 15-jährigen Schülerin im Schlosspark Aschaffenburg soll ein heute 57-Jähriger verantwortlich sein.
Blick auf den Frühstückstempel in Aschaffenburg: Hier ereignete sich vor 40 Jahren ein schrecklicher Mord. Nun präsentieren die Aschaffenburger 'Cold Case'-Ermittler einen Tatverdächtigen.
Foto: Patty Varasano | Blick auf den Frühstückstempel in Aschaffenburg: Hier ereignete sich vor 40 Jahren ein schrecklicher Mord. Nun präsentieren die Aschaffenburger "Cold Case"-Ermittler einen Tatverdächtigen.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 27.04.2023 08:58 Uhr

Die Suche nach dem Mörder der 15-jährigen Christiane J. dauerte fast 40 Jahre. Nun präsentieren die Ermittler den möglichen Täter: Die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg hat Anklage gegen einen heute 57-jährigen früheren Nachbarn des Mädchens erhoben, der seit Mai in Untersuchungshaft sitzt.

Hat Christiane ihren Mörder – sechs Tage vor Heilig Abend - auf dem Weihnachtsmarkt getroffen? Diese Frage bewegte nicht nur die Ermittler nach dem Fund der Leiche an einem markanten Tatort: im nahen Schlosspark am Frühstückstempel, der weiß leuchtend auf einem Felsen steht und als einer der schönsten Plätze der Stadt gilt. 

Das Mädchen wurde vergewaltigt und erwürgt

Die 15-Jährige hatte am Abend des 18. Dezember 1979 einen Stenografiekurs in der Kolpingschule besucht. Danach kam sie nicht nach Hause. Am nächsten Morgen wurde sie tot im Schlosspark gefunden, unterhalb einer 15 Meter hohen Mauer, von der sie herabgestürzt oder hinunter geworfen worden war.

Rasch fand die Rechtsmedizin heraus, dass Christiane vergewaltigt und anschließend erwürgt worden war. Doch den Täter suchten die Mordermittler lange vergeblich – obwohl der jetzt Angeklagte bereits damals unter Verdacht geriet.

Verdächtig schon damals war ein 17-jähriger Nachbar

Ein Angestellter der Stadt hatte am folgenden Tag zunächst Kleidungsstücke, dann die nackte Leiche des Mädchens unterhalb der Schlossmauer gefunden. Eine Sonderkommission der Polizei hatte danach intensiv ermittelt und mehr als 500 Spuren gesichert - den Fall aber nicht gelöst. 40 Jahre später ist den sogenannten "Cold Case"-Ermittlern der Kriminalpolizei Aschaffenburg, so scheint es, nun der entscheidende Schritt gelungen. Durch eine verfeinerte Analyse der damals sichergestellten DNA-Spuren konnte der Verdacht gegen den 57-Jährigen so erhärtet werden, dass er im Frühjahr festgenommen wurde.

Es ist bereits der zweite Erfolg der Sondereinheit: 2017 hatten die Ermittler den 30 Jahre zurückliegenden Mordversuch an einer jungen Frau nach einem Diskobesuch klären können – auch damals dank verbesserter wissenschaftlicher Methoden zum Identifizieren winziger DNA-Spuren. Polizeisprecher Michael Zimmer hatte schon damals erklärt: "Die Tatsache, dass Mord strafrechtlich nicht verjährt, ist auch für die Ermittler der Kripo Aschaffenburg immer wieder Anlass für sogenannte 'Cold Case'-Ermittlungen." Dabei werden die Unterlagen und Beweismittel dieser zum Teil Jahrzehnte zurückliegenden Fälle immer wieder geprüft.

Mordprozess schon im Januar?

Der Angeschuldigte im aktuellen Fall, "der bislang von seinem Schweigerecht Gebrauch macht, befindet sich nach wie vor in Untersuchungshaft," teilt Leitender Oberstaatsanwalt Axel Weihprecht mit. Über die Haftbeschwerde des Verteidigers des Tatverdächtigen müsse nun das Landgericht entscheiden. Es hat auch zu prüfen, ob die Anklage so plausibel ist, dass sie zur Verhandlung zugelassen wird. Dann dürfte mit einem Mordprozess Anfang nächsten Jahres zu rechnen sein.

Werden nun weitere alte Morde geklärt?
Die Aschaffenburger Mordermittler der "Cold Case"-Einheit bekommen viel Lob für ihre Arbeit, die dem Vorbild einer Hamburger Ermittlungskommission folgt. Quer durch Deutschland häufen sich Erfolgsmeldungen: "Auch hier in Unterfranken haben jetzt hoffentlich einige Täter schlaflose Nächte, deren Taten lange zurückliegen", sagt ein langjähriger Ermittler.
Nach wie vor ungeklärt ist etwa der mysteriöse Thallium-Giftanschlag an der Universität Würzburg von 1983. Zwölf Opfer erlitten schreckliche Qualen und teils bleibende Schäden. Der 24-jährige Robert A. starb, der 21-jährige Peter S. wurde zum Invaliden.
Seit 1990 sucht die Würzburger Kripo den Mörder der jungen Irin Sharon Harper. Neben anderen stehen zwei US-Soldaten unter Verdacht, die wegen ähnlicher Morde in ihrer Heimat im Gefängnis sitzen. Aber die Bitte an US-Ermittler um Unterstützung blieb bis heute unbeantwortet.
Auch der Fall der 2005 in Australien getöteten Kindergärtnerin Simone Strobel ist noch immer ungelöst. Erst in diesem Frühjahr ermittelte die Kripo wieder – ohne einen Täter zu fassen. Aber auch in diesem Fall ist die Akte noch nicht geschlossen.
Wohin verschwand 2005 die junge Mutter Brigitte Volkert in Burgsinn (Lkr. Main-Spessart)? Im vorigen Jahr suchte die Polizei wieder mit großem Aufwand nach ihrer Leiche.
Wer hat vor 26 Jahren die 13-jährige Sabine Back in Wiesenfeld ermordet und in der Jauchegrube eines Aussiedlerhofes versteckt? Wem war 1986 Evelyn Höbler so lästig, dass er sie in der Nähe der Veitshöchheimer Kaserne ermordete? Und wer glaubt bis heute, für den Mord an der Geschäftsfrau Waltraud Ess in Bad Neustadt 1993 ungestraft davon zu kommen, die in der eigenen Wohnung überfallen, gefesselt und am Türgriff erhängt wurde?
Jede Menge Arbeit also für die "Cold Case"-Ermittler. "Wir sind es den Opfern und ihren Angehörigen schuldig. Man muss sich nur einmal ansehen, wie die Eltern unter der Ungewissheit leiden. Da ist man verpflichtet, alles zu tun, um den Täter zu fassen", so einer der Ermittler.
 
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