Am Ostersonntag, 21. April, wird Armin Grein 80 Jahre alt. Er hat viel geleistet. Zig Urkunden schmücken die Wände im Haus des Altlandrats und Marktheidenfelder Ehrenbürgers. Nach Thomas Schiebels Ankündigung, nicht mehr als Landrat kandidieren zu wollen, sieht er sich noch mal vor eine unerwartete Aufgabe gestellt.
Frage: Sie waren zeitlebens immer sehr eingespannt, hatten viele Aufgaben und Interessen. Wofür nehmen Sie sich heute noch bewusst und gerne Zeit?
Armin Grein: Die Pöstchen habe ich ja alle bis auf den Vorsitz der Lebenshilfe Marktheidenfeld abgegeben.Und den gebe ich bei der nächsten Wahl ab, in zwei Jahren. Die Lebenshilfe ist mir ein Herzensanliegen und nachdem wir heuer 50-Jähriges feiern, bin ich da aktuell noch gut eingebunden.
Natürlich versuche ich möglichst viel Zeit mit meiner Frau und der Familie zu verbringen. Wenn die Enkel da sind, dann machen wir beispielsweise Liederraten und dann spiele ich Melodien am Klavier. Wer sie erkennt kriegt einen Punkt, da sind die ganz scharf drauf.
Wie startet Armin Grein in den Tag?
Grein: Ich stehe normalerweise so um 8 Uhr auf, trinke Kaffee und dann drehe ich, wann immer es geht, eine Walkingroute oben im Wald hinüber bis zum Kallmuthblick und wieder zurück. Im Gegensatz zu früher, als ich sehr schnell war, laufe ich aber langsam. Und dann lese ich Süddeutsche, Spiegel und Main-Post, die aber am Bildschirm, um informiert zu sein.
Gibt es für Sie noch feste Termine?
Grein: Manchmal gehe ich Montagabend zum Stammtisch ins „Bräustüble“, da geht’s um Politik, aber auch um Fußball und Familie. Und dann bin ich ja noch beim Rotaryclub, da war ich 1986/87 sogar Präsident. Der trifft sich auch montags – ich gehe halt mal dahin und mal dahin, wie es eben passt.
Sind Sie als politischer Ratgeber noch gefragt?
Grein: Langeweile hatte ich bis jetzt noch nicht. Und ganz aktuell habe ich ja das Anliegen, dass der Landratsposten in Main-Spessart nicht der CSU zufällt. Deswegen bin ich an der Kandidatensuche beteiligt. Ich sag nur: Landrat in Bayern ist der schönste politische Beruf, den man haben kann.
Haben Sie damit gerechnet, dass Thomas Schiebel sagt: 2020 ist für mich Schluss?
Grein: Er hat mir schon vor längerer Zeit angedeutet, dass er überlegt, ob er noch einmal kandidiert. Also hör mal, hab ich zu ihm gesagt, ich war 63 als ich das letzte Mal angetreten bin. Vor vier, fünf Wochen hat er mir dann gesagt, dass er aufhören will. Ich finde das sehr schade, denn ich bin fest davon überzeugt, dass er wieder gewählt worden wäre. Trotz der Krankenhausthematik.
Wenn Sie zurückdenken an die Zeit vor 35 Jahren, als Sie erstmals Landrat wurden, und bei der Fahrt durch den Landkreis heute aus dem Autofenster blicken, was fällt Ihnen dann auf?
Grein: Als erstes fällt mir auf, dass die Kreisstraßen sehr viel besser ausgebaut sind als die Staatsstraßen. Das ist ein echtes Problem, denn der Landkreis ist groß und da kann man leicht mit dem Auto zwei Stunden von einem Ende zum anderen unterwegs sein. Ich bin 1984 mit Dieter Thomas Heck mit dem Rad vom Trennfelder Klostersee bis nach Obersinn gefahren. Heck kam wegen einer verlorenen Wetten-dass-Wette hierher. Die Tour machte sogar bundesweit Schlagzeilen, denn bei Hofstetten bekam ich einen Wadenkrampf und der Tross musste Halt machen. Die Bild-Zeitung schrieb: Tour de Heck fordert ihre ersten Opfer – Bürgermeister sinkt vom Rad.
Damals waren Sie noch Bürgermeister in Marktheidenfeld. Was fällt Ihnen zu Ihrer Heimatstadt in Sachen Veränderungen ein?
Grein: Ich hab neulich beim Richtfest für die neue Kita Baumhofstraße zum Architekten gesagt: Ihr reißt ja alles ein, was in meiner Amtszeit gebaut worden ist. Erstens das Maradies, zweitens das Feuerwehrhaus und drittens den Baumhofkindergarten, der damals der modernste weit und breit war. Man kann daraus folgern: Wenn etwas mal 50 Jahre alt ist, dann hat es seine Schäden und dann ist es oft besser, einen Neubau hinzustellen als es zu sanieren.
Die Kreisreform ist auch bald schon 50 Jahre her. Ist sie auch reparaturbedürftig? Hätten Sie bei Ihrer Wahl 1984 gedacht, dass es heute noch so ein ausgeprägtes regionales Denken geben würde?
Grein: Das Zusammenwachsen des Landkreises war mir immer ein großes Anliegen. Ich habe stets versucht, auszugleichen, damit sich niemand benachteiligt fühlt. Das Regionaldenken ist zwar weniger geworden, aber es muss offenbar herauswachsen. Neulich habe ich mal den Begriff Altlandkreis gebraucht und da habe ich eine Reaktion eines jungen Kommunalpolitikers erfahren, die mir Hoffnung macht. Der hat gefragt, was das denn sei. Er ist nach 1972 geboren und kenne nur den Main-Spessart-Kreis.
Sie waren lange Landes- und Bundesvorsitzender der Freien Wähler.Ist das eine späte Genugtuung, dass die FW jetzt im Landtag mitregieren und unser Landkreis mit Anna Stolz sogar eine Staatssekretärin stellt?
Grein: Vor der Wahl war es nicht in meinem Sinne, dass wir in die Regierung gehen. Aber ich muss feststellen, dass das Aiwanger, alle drei Minister und auch die Anna Stolz sehr gut machen. Hubert Aiwanger hat einen anderen Stil als ich, fährt eine andere Linie, aber er macht das gut.
Im kommenden Jahr sind Kommunalwahlen. Viele Parteien und Gruppierungen tun sich offenbar schwer, ihre Listen zu füllen. Kaum jemand will sich kommunalpolitisch engagieren. Woran liegt das?
Grein: Da haben wir wirklich ein Problem. Viele junge Leute sagen, ich hab meine Lebensplanung anders ausgerichtet; ich kümmere mich lieber um die Familie und lebe mein Leben, bevor ich mich mit der unbequemen und undankbaren Kommunalpolitik beschäftige. Ich bedauere das sehr.
Was macht einen guten Kommunalpolitiker aus?
Grein: Er muss vor allem gut Zuhören können. Offen für die Argumente der anderen sein, dann natürlich auch seinen eigenen Standpunkt deutlich machen. Damit bin ich immer gut gefahren. Heute wird mir zu viel auf Gutachter gehört und kommt mir der gesunde Menschenverstand zu kurz.
Gibt es Entscheidungen in Ihrem Leben, bei denen Sie hinterher einräumen mussten: Da hab ich falsch gelegen?
Grein: Naja, ich wollte als Bürgermeister die Justizvollzugsanstalt nach Marktheidenfeld holen, weil ich einen Ausgleich suchte für die Ämter, die uns verloren gingen, wie Landratsamt, Finanzamt oder Amtsgericht. Ich dachte an die vielen Beamten und Juristen, die damit in die Stadt kämen. Aber da hab ich daneben gelegen, das wollte die Bevölkerung nicht und heute bin ich froh, dass es anders kam, wenn ich auf den Dillberg schaue und sehe wie das Gewerbe dort oben brummt. Und als Landrat: Sehr geärgert hat mich die abweisende Haltung des Würzburger OB und der Landräte von Würzburg und Kitzingen auf meine Anfrage wegen der Müllverbrennung . Trittbrettfahrer brauchen wir nicht, wurde ich beschieden. Schweinfurt war dann froh, als wir gekommen sind.
Welches Geburtstagsgeschenk machen Sie sich selbst zum 80.?
Grein: Für mich ist es wichtig, dass ich mich gesundheitlich nicht verschlechtere. Das heißt, dass ich mich weiter körperlich und geistig betätige. Ich wünsche mir, dass ich im Kopf klar bleibe. Mein Leben war bisher hoch interessant und von vielen Menschen begleitet, das war ein großes Geschenk und es wäre schön, wenn das noch einige Jahre so bleibt.
Und wie wird gefeiert?
Grein: Privat am Ostersonntag mit Verwandten und Freunden und politischen Weggefährten im Weinberg. Die S-Klasse vom Ruderclub ist auch dabei. Und der Landkreis hat einen Empfang für mich geplant, allerdings ein paar Tage später. Wie ich höre, haben die Freien Wähler auch noch etwas mit mir vor.