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Partenstein
Alles verloren: Wie sich Schuh-Schantz wieder nach oben arbeitet
"Schuhmode Schantz" in Partenstein lief einst sehr gut, 2013 musste Schantz das Geschäft und eine Filiale aufgeben. Jetzt ist der 58-Jährige Staubsaugervertreter.
Thomas Schantz, ehemaliger Inhaber von Schuhmode Schantz in Partenstein.
Foto: Björn Kohlhepp | Thomas Schantz, ehemaliger Inhaber von Schuhmode Schantz in Partenstein.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 11.02.2024 21:50 Uhr

Was macht eigentlich...? Die Frage mag sich beim Partensteiner Thomas Schantz, der einst eines der größten Schuhgeschäfte in der Region betrieb, mancher schon gestellt haben – und angesichts der Antwort womöglich überrascht sein. 2013 musste er Privatinsolvenz anmelden, wovon das Hauptgeschäft in Partenstein und eine kurz zuvor eröffnete Filiale in Karlstadt betroffen waren. Er selbst musste "bluten", wie er sagt. Und jetzt? Inzwischen ist der 58-Jährige Staubsaugervertreter und offenbar recht zufrieden.

Mit Flyern informiert Schantz, Markenzeichen: in die Stirn fallender Pony, dass er in Teilen des Raums Karlstadt Kundenberater für Staubsauger der Marke Kobold von Vorwerk ist. Gut gelaunt kommt er nach einer Anfrage in die Redaktion, um seine Geschichte zu erzählen.

Acht Mitarbeiter hatte er früher in seinem 700 Quadratmeter großen Laden in Partenstein, aus einem Umkreis von 30 Kilometern seien die Kunden gekommen. An die 70 Markenhersteller hatte er im Sortiment, darunter Ara, Rieker, Gabor, Puma und Nike. Durch die Menge, die er verkaufte, habe er die Konkurrenz im Preis um zehn Prozent unterbieten können. Aus heiterem Himmel sei dann die Insolvenz gekommen, erzählt er.

Schantz wurde in der Schuhfabrik in Partenstein geboren

Thomas Schantz ist der Enkel von Otto Schantz, der 1939 die Schuhfabrik in Partenstein gegründet hat. Er ist in der Schuhfabrik auf die Welt gekommen. "Ich hatte jahrelang den Ledergeruch in der Nase." Aber dass er selbst einmal beruflich mit Schuhen zu tun haben würde, war nicht immer ausgemacht. 1989 machte die Schuhfabrik dicht, er selbst studierte Sport auf Diplom. Seine Mutter hatte noch einen Schuhladen in der ehemaligen Fabrik. Jetzt war die Frage, ob er ihn übernehmen wolle. Der Markt für Sportstudenten sei damals nicht so rosig gewesen, also dachte er sich: "Ja, warum nicht? Ahnung hast du von der Materie."

Schantz mietete die Halle im Partensteiner Gewerbegebiet und steckte damals 400 000 DM in den 1995 eröffneten Laden. Es funktionierte, die Kunden überrannten "Schuhmode Schantz" förmlich. "Innerhalb von wenigen Tagen haben mich die Kunden fast komplett leergekauft", erzählt er. Der Laden lief und Schantz führte 15 Jahre lang die Werbegemeinschaft Partenstein.

Thomas Schantz kurz vor der Schließung seines Schuhgeschäfts in Partenstein 2013.
Foto: Johannes Ungemach | Thomas Schantz kurz vor der Schließung seines Schuhgeschäfts in Partenstein 2013.

Dann passierte etwas, womit er nicht gerechnet hätte: Die kleine Einkaufsgemeinschaft, über die er Schuhe bezog, ging insolvent. Um sie zu retten, wurden die Wechsel, die in der Schuhbranche für gekaufte Ware üblich waren, in ein Darlehen über 200 000 Euro mit zehn Prozent Zinsen umgewandelt. Schantz sah darin kein Problem, weitere Sicherheiten hätten sie nicht gewollt. Aber dann wurde die kleine Einkaufsgemeinschaft von einer größeren geschluckt. "Und plötzlich kam da eine Dame und wollte eine Bürgschaft über 60 000 Euro", so erzählt er es. Hunderte weitere Händler seien betroffen gewesen. Er sah es nicht ein, schließlich zahlte er Tilgung und Zinsen pünktlich.

Die Filiale in Karlstadt weckte die Hoffnung auf ein Darlehen

Also wurde er kurzerhand aus der Einkaufsgemeinschaft geworfen. Damit begann ein Teufelskreis für ihn. Die Lieferanten wollten nur noch gegen Vorkasse Ware liefern. "Irgendwann war das nicht mehr zu halten." In dieser Situation eröffnete er 2013 im ehemaligen Schlecker in Karlstadt eine Filiale mit sechs Mitarbeitern. Von diesem Schritt versprach er sich neben einem zweiten Standbein ein 200 000-Euro-Darlehen für Selbstständige der Bürgschaftsbank Bayern, die ihm anfangs auch Hoffnung machte. Damit wäre er gerettet gewesen.

Mit der Einkaufsgemeinschaft gab es unterdessen zwei Schlichtungsverfahren, "wo die eine auf den Deckel gekriegt hat". Aber es half nichts, sie wollte 180 000 Euro von ihm. Und die Bürgschaftsbank zog nach einem sich lange hinziehenden Prozess doch zurück. Ohne das Darlehen ging es nicht weiter. Weil er Einzelunternehmer war, musste er Privatinsolvenz anmelden. Sein Privatvermögen ging in die Insolvenzmasse ein, seine Lebensversicherungen und damit seine Absicherung fürs Alter waren weg. Sein Glück sei es gewesen, erzählt er lachend, dass er kein Haus hatte und nur zur Miete wohnte. Das Haus wäre sonst weggewesen.

Erst wurde er Handelsvertreter, dann Staubsaugerverkäufer

"Dann ging's darum: Was machst du jetzt?" Etwas anderes als Selbstständigkeit konnte er sich erst nicht vorstellen. Also heuerte er bei einer Handelsagentur als Handelsvertreter im sogenannten Postenhandel für Warenüberhänge an, verkaufte von Lebensmitteln über Autoteile alles Mögliche. Er durfte behalten, was er für den Lebensunterhalte brauchte, also etwa Auto und Computer, musste aber dem Insolvenzverwalter monatlich einen Teil vom Gehalt abgeben.

Als die Handelsagentur zumachte, kam er nach anfänglichem Zögern auf das Angebot von Vorwerk zurück, und so vertreibt er nun seit Februar 2017 Kobold-Staubsauger auf Provision. Sein Arbeitszeit teile er sich selbst ein. Sein Festgebiet erstreckt sich über Karlstadt, Himmelstadt, Laudenbach, Mühlbach und Teile von Karlburg. In dem Gebiet ist Schantz der alleinige Kobold-Kundenberater. Der Kundenstamm sei etwa 1200 Festkunden groß. Der Vorteil von einem Festgebiet sei auch, dass er als Kundenberater sogar dann beteiligt werde, wenn ein Kunde aus dem Gebiet ein Kobold-Gerät online kauft. Neue Kunden findet er vor allem über eigene Werbung, Promotionstände auf Märkten und Mundpropaganda.

Abendtermine mit der ganzen Familie sind ihm am liebsten

"Die schönsten Termine sind die abends, wenn alle Familienmitglieder daheim sind", erzählt er. Sein bislang spätester Termin sei erst abends um zehn losgegangen und habe bis ein Uhr früh gedauert. Er erzählt, dass er während der fünf Wochen, als er coronabedingt keine Kunden besuchen konnte, die Inbetriebnahme von Geräten telefonisch gemacht habe. Einmal hatte er sogar einen blinden Kunden. Dem habe er nicht einfach sagen können: Jetzt drücken Sie auf den grünen Knopf. "Ich war tropfnass geschwitzt, aber wir haben's geschafft", erzählt er.

Sechs Jahre lang lief Schantz' Insolvenzverfahren. Inzwischen ist es beendet. Jetzt müsse er eben etwas länger arbeiten, um fürs Alter vorzusorgen, sagt der 58-Jährige, der in Lohr lebt.

 
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Kommentare
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  • waldtroll
    Gratulation an Thomas Schantz, ein sehr positives Beispiel auch für viele andere.
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