Mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit rast Georg Sax auf seinem kleinen Traktor durch eine Kultur mit im Herbst frisch gesetzten Christbäumchen. Hinten dran hat er einen sechs Meter breiten Striegel, dessen gebogene Zinken Unkraut an der Wurzel packen. Verblüffenderweise bleiben die kleinen Nordmanntannen davon unberührt.
Sax ist ein findiger Schwabe und hat dieses Jahr, entgegen der Lehrmeinung, darauf gesetzt, das Grün zwischen den ganz jungen Bäumchen konsequent zu entfernen. Das Ergebnis: Während andere Christbaumbauern im Sinngrund durch die Trockenheit selbst auf Nordhängen quasi Totalausfälle bei neu gepflanzten Bäumchen haben, sind die 60.000 von Sax in Burgsinn bis auf wenige Ausnahmen vital – und das auf einem Südhang. Und während Kollegen ein langes Gesicht machen, hüpft er fröhlich auf sein "Schlepperle".
Der Weihnachtsbaum-Quereinsteiger, inzwischen größter Bio-Christbaum-Erzeuger Deutschlands, erzählt, er habe schon in den vergangenen Jahren beobachtet, dass junge Bäumchen immer dann Probleme haben, wenn sie mit viel anderem Grün um Wasser konkurrieren müssen. Also besorgte sich der promovierte Forstwirtschaftler, der hauptsächlich vom Holzhandel lebt, den Mini-Traktor und den Striegel und begann im März damit, das Unkraut zu entfernen.
Zwischen den Bäumchen soll der Boden frei von Unkraut sein
Die Prozedur wiederholte er mehrmals. "30 Prozent wird beim Striegeln ausgerissen, 70 Prozent überschüttet." Das mache dem Unkraut den Garaus. Die Nordmanntannen blieben stehen, weil sie eine Pfahlwurzel haben, denen die Zinken nichts anhaben können. Sax setzte dieses Jahr darauf, den Boden zwischen den Bäumchen "schwarz" zu halten, also frei von Bewuchs. Denn der Boden trockne, anders als immer gesagt werde, im Sommer nicht etwa tiefgründig aus, sondern sei wenige Zentimeter unter einer trockenen Schicht noch dunkel und damit feucht, habe er festgestellt.
Weil das Striegeln allerdings nur etwas bringe, wenn die Bodenoberfläche feucht ist, andernfalls griffen die Haken nicht richtig, schaute der Rienecker den Sommer über immer auf seine Wetter-App und ist beim kleinsten Regen nach Burgsinn gerast und dann mit dem Striegel durch die Kultur. Natürlich sei er etliche Male umsonst gefahren, weil in Burgsinn gar nichts heruntergekommen ist. Außerdem habe er manche Male schon nach zwei Stunden wieder abbrechen müssen, weil der Boden schon wieder zu trocken war, erzählt Sax.
Auch Wurzelballen ohne Grün saugen noch Wasser
Er glaubt, dass das Striegeln auch einen Vorteil gegenüber dem konventionellen Anbau mit Herbiziden hat, die das Begleitgrün zerstören sollen. Denn während er selbst große Wurzelbatzen, etwa der Schafgarbe, mit dem Striegel herausarbeite, vermutet er, dass beim Spritzen noch Wurzeln erhalten blieben, die Wasser saugten.
Das würde für ihn die Ausfälle auch bei Nicht-Bio-Erzeugern erklären. Manche hätten auch Saatmischungen zwischen den jungen Bäumchen ausgebracht, die in normalen Jahren ja nicht verkehrt seien, aber dieses Jahr eine Konkurrenz ums Wasser dargestellt hätten.
Dass es am Grün liege, wie viele Bäumchen durchgekommen seien, zeigt sich für Sax zum einen am Rand seiner Pflanzungen, wo durch nahes Gras mehr verdorrt seien. Zum anderen an einer schon zweijährigen Kultur am selben Hang, wo viel hartnäckiges Grün in den Zeilen wachse und wo deutlich mehr Bäumchen eingegangen seien.
Striegel lockert den Boden um die Bäumchen
Das Freihalten der Zeilen von Unkraut bei ganz kleinen Bäumchen – bei größeren reiche gelegentliches Mähen – ist aber nach Sax' Ansicht nur ein Punkt, der womöglich dieses Jahr seine Bäumchen gerettet hat. So mache der Striegel den Boden sehr locker, wodurch Wasser leicht eindringen könne. Zudem versuche Sax jegliche Verdichtung des Bodens zu vermeiden, daher auch der leichte Traktor. "Das A und O ist der Boden", ist sein Credo.
Er pflanze deswegen jetzt auch nur noch per Hand und grundsätzlich im Herbst, weil eine Pflanzung im Frühjahr mit dem Klimawandel nichts mehr bringe. Er setze außerdem bei einer neuen Kultur auf dreijährige Pflanzen statt wie andere auf vierjährige.
Die jüngeren wüchsen deutlich besser an, weil die Wurzeln weniger Grün versorgen müssten. Und er habe festgestellt, dass die klassische Nordmanntanne aus dem Kaukasus besser mit Trockenheit zurechtkomme als eine in Dänemark gezüchtete Sorte, die häufig verwendet werde.
Die Hälfte der Nordmanntannen-Setzlinge überlebte die Hitze
Auf einer weiteren Fläche von Sax in Mittelsinn sieht es nicht ganz so rosig aus wie auf der in Burgsinn. Dort könne er aufgrund des Steilhangs nicht mit dem Striegel arbeiten. Die jungen Bäumchen wurden dort zwischen ältere Nordmanntannen und hohe Schwarznuss-Walnuss-Hybriden gesetzt. Vor Ort sind von den kleinen Nordmanntannen immerhin noch einige grün.
Sax schätzt, dass von den 20.000 etwa die Hälfte überlebt habe. Er könne aber keine Regelmäßigkeit erkennen, warum manche dort durchgekommen seien, aber andere nicht. Einige der noch grünen Bäumchen stehen recht frei, müssen also volle Sonne abbekommen haben, andere im Schatten größerer Bäume.
Freilich habe er mit seiner Entscheidung für das konsequente Unkrautentfernen auch etwas Glück gehabt, gibt er zu. Aber im Christbaumanbau gehe es viel um "Learning by Doing", also ums Ausprobieren. "Ein Schnapsgläschen Wasser hat fast darüber entschieden, ob ein Bäumchen was wird oder nicht." Kommendes Jahr möchte er noch früher mit dem Striegeln anfangen, um anwachsendem Unkraut frühzeitig einen Striegel vorzuschieben.
Am liebsten würde er sich ein Bänkchen auf seine Burgsinner Fläche stellen und sich an seinen grünen Tännchen erfreuen, sagt er. Durch den Bio-Anbau und die große Nachfrage im Bio-Bereich habe er seine Freude am Christbaumanbau wiedergewonnen, während er vor Jahren schon einmal ans Aufgeben gedacht habe.
Was anderes sagte der Artikel nicht aus.
Er hat dieses Jahr eben Glück gehabt, andere nicht…
Er darf frohlocken…