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Gössenheim
Abrissbagger war schon bestellt: Ein Gössenheimer hat ein historisches Haus gerettet und eine Wärmepumpe eingebaut
Pfarrer Manuel Vetter saniert in seinem Heimatort ein über 200 Jahre altes Haus mit viel Liebe und Eigenleistung. Einiges ist schon fertig, anderes braucht noch Zeit.
Manuel Vetter saniert in Gössenheim liebevoll das historische Haus Simonsgasse 2, das eigentlich abgerissen werden sollte.
Foto: Björn Kohlhepp | Manuel Vetter saniert in Gössenheim liebevoll das historische Haus Simonsgasse 2, das eigentlich abgerissen werden sollte.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 25.08.2024 02:35 Uhr

Das Haus, das Manuel Vetter in Gössenheim liebevoll saniert, sollte es eigentlich nicht mehr geben. Das über 200 Jahre alte Gebäude an der Ortsdurchfahrt sollte eine Abbruchfirma wegreißen. Es sollte einem neuen Dorfplatz weichen. Angedacht war an der Stelle eine Grünfläche mit zwei Bäumen, Sträuchern, Ruhebänken, Informationstafeln und einem Brunnen. "Der Bagger war schon bestellt", erzählt der 42-Jährige, der aus Gössenheim stammt und als Pfarrer in Hofheim (Lkr. Haßberge) tätig ist. Nur weil die Abbruchfirma zunächst keine Zeit hatte, steht es noch.

Zehn Jahre lang habe es leer gestanden, und niemand habe das Haus kaufen wollen, erzählt Vetter. Deswegen kaufte es irgendwann die Gemeinde, um es abreißen zu lassen. Das Anwesen Simonsgasse 2 wurde im April 2010 sogar für eine Übung der Feuerwehren aus Gössenheim, Sachsenheim und Gambach benutzt. In der Zeitung hieß es damals: "Es bot den verschiedenen Trupps ideale Voraussetzungen, da alle Türen erst mühsam geöffnet werden mussten und eventuelle Brände in den Räumen erst durch einen dosierten Wasserstrahl niedergehalten werden mussten."

Amt für ländliche Entwicklung stoppte Abrisspläne

Unter Denkmalschutz steht das Gebäude nicht, dafür war innen zu wenig erhalten. Schließlich habe jedoch das Amt für ländliche Entwicklung (ALE) den Plänen im Rahmen der Dorferneuerung einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es wurde als ortsbildprägend eingestuft und markiere den Beginn des Altortes, erzählt Vetter. "Mir hat das Haus schon als Kind gefallen." Er schlug zu und kaufte es.

"Mir hat das Haus schon als Kind gefallen."
Manuel Vetter

Dem 42-Jährigen kommt dabei zugute, dass er gelernter Schreiner ist. Unter anderem Dinge wie Türen, Dielenböden oder zu ersetzende Balken macht er selbst. Anbauten aus den 70ern riss er weg. Einen Tag die Woche kommt er aus Hofheim und arbeitet an dem sehr aufwendigen Projekt. Deswegen dauert es bisher auch schon fünf Jahre, im ersten Stock einziehen konnte er erst im November.

Die Gössenheimer waren eher für einen Abriss

"Muss der das alte Gerütsch kaufen?", habe es anfangs in Gössenheim geheißen. Viele hätten es lieber gesehen, wenn das Haus weggekommen wäre, sagt Vetter. Um die Leute etwas zu befrieden, habe er außen mit Dach, Fassade und Hoftor angefangen. Natürlich waren die Dachbalken alle morsch. Die Balken des Fachwerks hingegen waren noch gut, bekamen nur neue Farbe. Zwei zugemauerte Fenster am Giebel öffnete er wieder. Er setzte eigenhändig neue, zweifach verglaste Fenster ein – ohne Schaum, nur mit Hanffasern als Dichtung. Jetzt steht ein kleines Schmuckstück da.

Die Decke in der alten Küche musste Vetter teilweise ersetzen.
Foto: Björn Kohlhepp | Die Decke in der alten Küche musste Vetter teilweise ersetzen.

"Ich habe sehr viel gemacht, was nicht hätte sein müssen", sagt er, mehr auch als das ALE gefordert hätte. Das mache ihm aber nichts aus, denn er sieht das Haus als Ausgleich zur Schreibarbeit. So hat er mit Hilfe des ALE und verpixelten Fotos aus den 30ern die Hoftorkronen aus Buntsandstein rekonstruiert. Die seien damals weggeschlagen worden, damit die Dreschmaschine durchs Hoftor passte. Überhaupt habe das ALE ihn unterstützt und auch finanziell gefördert, etwa bei der Kopie der historischen Madonnenfigur an der Hausseite zur Straße. Die ursprüngliche, die dort bis etwa 2009 angebracht war, nahm der Sohn des früheren Besitzers mit, als das Haus an die Gemeinde zum Abriss verkauft wurde.

"Muss der das alte Gerütsch kaufen?"
Gössenheimer freuten sich schon auf den Abriss

Der Leuchterarm unter der Figur stammt von einem Kunstschmied, dessen Vater ihn nach der Zerstörung Würzburgs aus den Trümmern gezogen habe. Der Kunstschmied brachte die Lampe an und fertigte etwa auch die Bänder am Tor der spätbarocken Hoftoranlage, die älter als das Haus sein muss, zeitgetreu. Die Bänder an der Haustür wiederum stammen von der alten, unter Julius Echter erbauten Gössenheimer Kirche. 1959/60 wurde ein moderner Bau an den alten Kirchturm angebaut.

Der Ofen, eine selbst gebaute Tür und die selbst gezogene Stuckdecke im ersten Stock.
Foto: Björn Kohlhepp | Der Ofen, eine selbst gebaute Tür und die selbst gezogene Stuckdecke im ersten Stock.

Im noch unfertigen Erdgeschoss hat sich Erzählungen zufolge im 19. Jahrhundert einmal eine Gaststätte befunden. Unter der mit Gipskartonplatten abgehängten Decke kam Stuck zum Vorschein. Vetter hat, was Privatleute ja auch nicht unbedingt tun, Balken anhand der Jahresringe dendrochronologisch (naturwissenschaftliche Methode zur Altersbestimmung von Holz) untersuchen lassen, um das bis dato unbekannte Baujahr zu ermitteln. Der Experte kam auf ein Fälldatum 1811 oder 1834. Vetter tendiert unter anderem aufgrund der Stuckdecke, die 1834 schon längst aus der Mode gewesen sei, zu 1811. Deswegen ließ er die Jahreszahl 1812 in den Türsturz der Eingangstür meißeln.

Dazugehörige Scheune im Jahr 1825 erbaut

Die Scheune, die zum Anwesen gehört, stammt aus dem Jahr 1825. In den 1970ern wurde sie drei Meter niedriger gemacht. Irgendwann möchte Vetter sie wieder auf die ursprüngliche Höhe aufstocken lassen, damit sie zum Ensemble passt. Unter einem Teil der Scheune, in dem Vetter seinen kleinen alten Fendt-Bulldog stehen hat, befindet sich ein womöglich noch älterer Gewölbekeller.

Decke mit Balken und Lehmwickeln originalgetreu rekonstruiert

Im Erdgeschoss des Hauses hängt teilweise noch alte Tapete an der Wand. In der auf demselben Stock befindlichen Küche muss es kurz nach der Erbauung gebrannt haben, was Vetter aus einem teils verbrannten Balken schließt. An der Decke musste er zum Teil neue Balken einziehen, den Zwischenraum füllte er wieder mit Lehmwickeln aus Lehm und Stroh.

Die Kopie der ursprünglich am Haus befindlichen Madonnenstatue.
Foto: Björn Kohlhepp | Die Kopie der ursprünglich am Haus befindlichen Madonnenstatue.

Weil ihm die teils erhaltene alte Stuckdecke unten so gut gefällt, zog er mit Hilfe einer Kirchenmalerin auch an der Decke im Obergeschoss Stuck aus Lehm mit demselben Profil wie unten. An den Wänden trug er im ersten Stock eine fünf Zentimeter dicke Lehmschicht als Dämmung auf. Der Clou: Eingebettet im Lehmputz befindet sich die unsichtbare Wandheizung. Das Haus heizt Vetter mit einer Wärmepumpe. Das funktioniere einwandfrei.

Die Wärmepumpe funktioniert in dem alten Gemäuer einwandfrei

Im Winter lasse er das Haus in seiner Abwesenheit auf acht, neun Grad herunterkühlen, durch den Lehm schimmele nichts. Von Hofheim aus kann er die Heizung steuern. Innerhalb von drei Stunden sei es dann "gemütlich warm". Zur Not hat er auch noch einen modernisierten gusseisernen Säulenofen von 1880, der die neuesten Abgasnormen erfülle, meist sei der aber nur Deko. Der steht auf 300 Jahre alten Platten aus Solnhofen.

Eine der Außentüren, die Manuel Vetter selbst gefertigt hat. Irgendwann sollen Glasscheiben eingesetzt werden.
Foto: Björn Kohlhepp | Eine der Außentüren, die Manuel Vetter selbst gefertigt hat. Irgendwann sollen Glasscheiben eingesetzt werden.

Die Dielen im ersten Stock konnte er zum Teil erhalten, wobei er dankenswerterweise Maschinen der Schreinerei Sauer in Aschfeld, wo er einst lernte, verwenden durfte. "Sonst hätte ich das Projekt gar nicht machen können." Auch ins Erdgeschoss sollen einmal Dielen kommen. Vorher muss er aber etwas gegen die aufsteigende Feuchtigkeit tun. Gegen sich ansammelnde Feuchtigkeit soll alles im Haus offenporig sein.

Wenn Vetter nicht gerade seinem Beruf nachgeht oder sich seinem aufwendigen Projekt in Gössenheim widmet, lässt er sich derzeit noch zum Glockensachverständigen der Diözese ausbilden.

So sah das Haus, das einem neuen Dorfplatz weichen sollte, im Jahr 2010 aus.
Foto: Herbert Hausmann | So sah das Haus, das einem neuen Dorfplatz weichen sollte, im Jahr 2010 aus.
 
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Kommentare
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  • Anke Weis
    Fantastisch!
    Toll, dass es Menschen gibt, die das Können und Durchhaltevermögen haben, so ein Projekt umzusetzen!
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  • Fabian König
    Wirklich ganz hervorragend! Das Gebäude ist zu einem absoluten Schmuckstück geraten. Unfassbar dagegen, dass es auch heute immer noch Leute gibt, die für so etwas nur Spott übrig haben und den wahren Wert des „alten Gerütsches“ wohl auch dann nicht erkennen würden, wenn er mit großen Lettern auf die Fassade gepinselt wäre. Der Abriss hätte eine klaffende Lücke hinterlassen, ein Dorfplatz an dieser Stelle wäre städtebaulicher Unfug gewesen.
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  • E. Böhrer
    Beeindruckend und ich kann mich nur Silke Trost anschließen. Hoffentlich bekommt er einen Preis für seine Leistung.
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  • Silke Trost
    Toll!
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