
Karlstadt ist eine um das Jahr 1200 planvoll gegründete Stadt des Würzburger Fürstbischofs Konrad von Querfurt, die zur Sicherung der Westgrenze des Bistums errichtet wurde. Konrad war gleichzeitig Reichskanzler Heinrichs VI., der die Burgen- und Städtepolitik der Stauffer maßgeblich prägte. Die mittelalterliche Stadtanlage mit dem rechtwinkligen Straßensystem, seinen stattlichen Fachwerkbauten und Steinhäusern, dem großräumigen Marktplatz und dem 1422 begonnenen Rathaus sowie der Stadtpfarrkirche St. Andreas sind eindrucksvolle Zeugnisse dieser Epoche.
Es ist ein Glücksfall der Geschichte, dass sich dieses Stadtbild bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts erhalten hat. Weder die Besetzung der Schweden im Dreißigjährigen Krieg noch die Ende des 19. Jahrhunderts beginnende Industrialisierung bewirkten im Stadtbild entscheidende Veränderungen. Zudem blieb im Zweiten Weltkrieg die Stadt von Luftangriffen der Alliierten verschont.
Anfang der 1960er Jahre begann ein Strukturwandel für die historische Altstadt. Industrie- und Gewerbe boten seit der Jahrhundertwende viele Arbeitsplätze und drängten die Landwirtschaft schrittweise zurück. Eine wachsende Bevölkerung erforderte die Ausweisung großzügiger neuer Wohnbaugebiete im Osten bis an den Hang des Karlstadter Saupurzels. Die Schulen folgten den jungen Familien in die Neubaugebiete.
Hauptstraße erstickte im Verkehr
Hinzu kamen kaum zu lösende Verkehrsprobleme des fließenden und ruhenden Verkehrs. So führte die Ortsdurchfahrt der beiden Bundesstraßen 26 und 27 bis zur Fertigstellung einer Umgehungsstraße Ende der 70er Jahre durch die Hauptstraße und eine Vielzahl der mittelalterlichen Gassen und Plätze erstickte förmlich durch geparkte Autos von Bewohnern, Kunden und Beschäftigten der Geschäfte und Verwaltungen. Die Leerstände nahmen dramatische Ausmaße an. Hinzu kamen der Verfall vieler Baudenkmäler, der nicht mehr aufgehalten werden konnte.

So beschloss der Stadtrat bereits im Jahr 1967, eine umfangreiche Bestandsaufnahme der Altstadt in Auftrag zu geben. Erstmalig wurde eine Verkehrsentlastung der Hauptstraße mit einer neu zu bauenden Umgehungsstraße gefordert und das Ziel formuliert, „den überalterten Stadtkern in ein Zentrum umzuformen, das den neuzeitlichen Anforderungen gerecht wird und lebenswert ist“. Das Städtebauförderungsgesetz von 1971 räumte den Kommunen erstmals einen rechtlichen Rahmen für die Durchführung einer Altstadtsanierung ein.
Als neuer Leiter der städtischen Bauverwaltung ab 1. August 1973 bekundete der Autor dieses Beitrages nach einer Anfrage der Regierung von Unterfranken und nach Rücksprache mit Bürgermeister Werner Hofmann das Interesse Karlstadts an einer Aufnahme in das Bayerische Städtebauförderungsprogramm 1974. Damit war der Weg für ein „Abenteuer“ offen, dessen Ausgang zu diesem Zeitpunkt niemand vorauszusehen wagte.
Die Ziele der Altstadtsanierung
Ein Planungsbüro untersuchte die 12,8 Hektar große Altstadt und formulierte folgende Ziele:
- die Altstadt soll wieder bewohnbar werden, sowohl für ältere Menschen und auch in zunehmendem Maße für junge Familien.
- die Altstadt soll wieder für den Fußgänger zurückgewonnen werden durch eine Reduzierung des Durchgangsverkehrs, einer Neuordnung der Parkplätze und der Umgestaltung öffentlicher Flächen.
- die Altstadt soll als Geschäftszentrum gestärkt werden.
- die historisch überlieferte Stadtstruktur soll erhalten und die stadtbildprägenden denkmalgeschützten Gebäude sollen saniert werden.
Mit dem Bayerischen Denkmalschutzgesetzes von 1973 ging erstmals eine Neubewertung der Denkmaleigenschaften einher, die im Falle der Altstadt und seinen „klassischen Denkmälern“ auch 158 private Wohnhäuser in die Denkmaleigenschaft überführten. Als die Stadt dann 1978 noch eine eigene Gestaltungssatzung verabschiedete, „kochte die Volksseele“ teilweise über. Zur Begleitung der einzelnen Sanierungsschritte wurde mit betroffenen Anwohnern ein Sanierungsbeirat installiert, der als „Mittler“ sich als äußerst hilfreich erweisen sollte.
Schlüsselgrundstück: Die leerstehende Malzfabrik "Frama"
Im ersten Sanierungsgebiet „Nordwestliche Altstadt“ (2,4 Hektar) sollte aufgezeigt werden, wie eine Sanierung vonstattengehen konnte. Dies war für die betroffenen Bürger und für den weiteren Erfolg des Gesamtprojektes erforderlich.
Für den anstehenden Grunderwerb ermittelte der Gutachterausschuss beim Landratsamt Main-Spessart den Wert der Grundstücke und der darauf abzubrechenden Gebäude, das die Grundlage für die Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern bildete. Dies galt auch für das Schlüsselgrundstück der „Frama“, einer leerstehenden Malzfabrik und deren zahlreichen Eigentümern in einer bundesweit verbreiteten Erbengemeinschaft sowie für die Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebes Fehmel.
Das verlassene Grundstück erstreckte sich von der Hauptstraße bis hinunter zur Kärrnergasse und war mit zahlreichen Stall- und Nebengebäuden bebaut. Nach dem Eigentumsübergang an die Stadt erfolgten Abbruchmaßnahmen. Besonders schwierig erwiesen sich die etwa 30 Meter hohen Silotürme der „Frama“, deren Fundamente vorsichtig gesprengt werden mussten.
Nach dem Neuordnungskonzept wurden die Grundstücke entlang der Hofrieth- und Schustergasse für eine Neubebauung geordnet, während die Innenbereiche von einer Bebauung frei bleiben sollten. Bei der Vergabe der neuen Baugrundstücke sollten junge Familien bevorzugt werden, um den Bevölkerungsrückgang zu stoppen. Mit dem damals günstigen Preis von 65 DM pro Quadratmeter für einen Bauplatz mitten in der Altstadt gelang dies auch.
„Pionier“ war die Familie von Willi Ringelmann, der als Rentner in der Hofriethgasse mit seiner Familie sein altes Wohnhaus abbrach und in unmittelbarer Nähe ein neues errichtete. Mit den ersten sichtbaren Bau- und Sanierungsmaßnahmen setzte in der Bevölkerung ein Meinungsumschwung ein, der sich immer weiter steigerte und zum „Mitmachen“ animierte.
Das schwer begehbare Basaltpflaster und die alten Asphaltdecken wurden durch leicht begehbare Porphyrpflastersteine aus Südtirol in der gesamten Altstadt ersetzt. Die Kanal- und Wasserleitungen sowie die weiteren Versorgungsleitungen wurden erneuert, die Rundfunk- und Fernsehantennen auf den Dächern abgebaut und die Anwesen an das Kabelnetz angeschlossen.
Modernisierung von Baudenkmälern
Besonders schwierig gestaltete sich anfänglich die Modernisierung der unter Denkmalschutz stehenden Gebäude. Hierfür lagen überhaupt keine Erfahrungen vor. Daher beschloss der Stadtrat zunächst eine Sanierung des stadteigenen Fachwerkhauses Hauptstraße 24, der ehemaligen jüdischen Synagoge. Nach dem Abtragen des Dachstuhls häuften sich die Probleme. Die Maßnahme lief aus dem Ruder und die Kosten schnellten in ungeahnte Höhen.

Nun wurde das Gebäude zunächst einmal untersucht. Daraus ergab sich in ein Gesamtbild der wirklich notwendigen Maßnahmen zum Erhalt des Gebäudes und eine realistische Abschätzung der Sanierungskosten. Dieses Modell der Voruntersuchungen wurde in Karlstadt entwickelt und ist heute Standard in der Denkmalpflege in der gesamten Republik.
Schon bei den nächsten anstehenden Modernisierungen der Anwesen Hauptstraße 22 (Fehmel) und Hauptstraße 6 (Gasthaus „Batzenärrle“) zeigte sich der Erfolg dieses eingeschlagenen Weges. Es wurden so auch leichter potenzielle Investoren für die einzelnen Maßnahmen gefunden.
Um eine geordnete Finanzierung der Altstadtsanierung sicherzustellen, gelang es bereits 1975, in das gemeinsame Städtebauförderungsprogramm des Bundes und des Freistaates Bayern aufgenommen zu werden. Diese Fördertöpfe waren gut gefüllt. Durch ein eigenes städtisches Förderprogramm werden zudem seit 1998 noch eine Reihe von Maßnahmen in Anlehnung an die Gestaltungssatzung gefördert.
Nach dem erfolgreichen Verlauf der Maßnahmen im ersten Sanierungsabschnitt „Nordwestliche Altstadt“ wurde 1986 die Ausweisung des weiteren Sanierungsgebietes „Südwestliche Altstadt“, ehemaliges Hohenecker-Viertel, und 1998 das Sanierungsgebiet „Östliche Altstadt“, vormals „Mühltürmer- und Rothensteiger-Viertel“, beschlossen. Mit der Erstellung der Bebauungspläne war die Grundlage für weitere Sanierungsmaßnahmen gelegt.
Ende der 1970er Jahre wurde die Hauptstraße durch die neue Umgehungsstraße östlich der Bahnlinie endlich vom überörtlichen Durchgangsverkehr entlastet. Gleichwohl passierten Mitte der 80er Jahre immer noch etwa 8000 Fahrzeuge am Tag die Hauptachse der Stadt. Das Verkehrsgutachten sah eine Herausnahme des Durchgangsverkehres und eine umfassende Verkehrsberuhigung in der Hauptstraße und den Altstadtgassen vor. In der Hauptstraße sollte zudem die Fahrt zwischen dem Historischen Rathaus und dem Marktplatz verhindert werden.
Die Zeit für die Umgestaltung der Hauptstraße und des Marktplatzes verlangte den betroffenen Einzelhändlern einiges ab. Die Hauptstraße entwickelte sich zu einer „Flaniermeile“ für Kunden und Besucher und bot besonders den gastronomischen Betrieben in der unteren Hauptstraße ungeahnte Möglichkeiten zur Erweiterung ihrer Freiflächen. Auch wurde der Marktplatz sichtbar aufgewertet und erlangte eine neue Aufenthaltsqualität mit einer modernen Brunnenanlage.

Um den früheren Verkehr in der Hauptstraße aufzunehmen und auch stadtnah umzuleiten, wurde die Ringstraße am östlichen Altstadtring ausgebaut. Eine Zielsetzung des städtebaulichen Rahmenplanes war es auch, die unmittelbar an den zum großen Teil noch erhaltenen Stadtmauer angrenzenden Stadtgraben von der Bebauung frei zu machen. Hintergrund der Überlegungen war, für die Bewohner der teilweise eng bebauten Grundstücke in der Altstadt Freiflächen in unmittelbarer Nähe zu schaffen.
Dazu war es erforderlich, das alte Feuerwehrgerätehaus, den ehemaligen städtischen Bauhof und das Areal der Frankenbräu abzubrechen. Nach den Abbrucharbeiten wurde der größte Teil des Grabens zu einer öffentlichen Grünanlage mit Kinderspielplätzen umgestaltet. Entlang der Ringstraße im östlichen Teil des Stadtgrabens entstand ein attraktives Geschäftszentrum, das „Schnellertor“.
Herausragend in der Außenwirkung in der Altstadtsanierung sind die zahlreichen Sanierungen der denkmalgeschützter Häuser über die gesamte Altstadt hinweg. Dies war mit großem persönlichem Willen, Einsatz und auch erheblichen finanziellen Mitteln für die einzelnen Bauherren verbunden.
Stadt Karlstadt ging mit positiven Beispiel voran
Die Stadt Karlstadt ging mit positiven Beispielen voran. Erinnert sei an die Sanierung des Historischen Rathauses bis 1978, die mit der Kirchenstiftung St. Andreas erfolgte Sanierung der Stadtpfarrkirche zum Stadtjubiläum im Jahre 2000, den Ausbau der Hohen Kemenate in der Hauptstraße 56 zur Stadtbibliothek und die erst im Frühjahr 2022 abgeschlossene Modernisierung des Anwesens Hauptstraße 9 mit dem Museum.
Der Umfang der Baumaßnahmen, die im Verlaufe der Altstadtsanierung durchgeführt wurden, zeigt sich in eindrucksvollen Zahlen. Bis 2014 (neuere Daten liegen nicht vor) wurden 433 in der Altstadt vorhandene Hauptgebäude erneuert oder instandgesetzt, darunter 13 Baudenkmäler umfassend modernisiert.
Investiert wurden etwa 37 Millionen Euro, wovon 22 Millionen Euro an Zuschüssen eingesetzt wurden. Insgesamt betrachtet, dürften diese Fördermittel nochmals die doppelte Summe an Investitionen seitens der Stadt, der Bürger und der Gewerbetreibenden ausgelöst haben. Auch dies ist ein nicht zu unterschätzender Faktor für die Wirtschaftsstruktur einer Stadt wie Karlstadt.
Zum Autor: Karl-Heinz Keller war von 1973 bis 1990 Leiter der städtischen Bauverwaltung und im Anschluss bis 2008 Erster Bürgermeister der Stadt Karlstadt.
Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter /dossier/geschichte-der-region-main-spessart/
Quellen: 1975 – 2015: 40 Jahre Altstadtsanierung Karlstadt – Eine Erfolgsgeschichte, Freie Planungsgruppe 7, seit 01.08.2015: FPZ Zeese Stadtplanung + Architektur, hervorgegangen aus Freie Planungsgruppe 7, in Zusammenarbeit mit der Stadt Karlstadt.
Welche Geschäfte sind damit gemeint..2 Optiker..1 Kiosk..1 Kleiderladen der erst um 11 Uhr öffnet..der Rest besteht aus Versicherungen..Immobilienmakler usw...Was ist da attraktiv dran..?
Attraktiv sind dort nur die Arztpraxen in Bahnhofsnähe..wobei hier ein behinderten gerechter Bahnhof kein Luxus wäre..