Der Rundlauf dauert keine zehn Sekunden. Gestartet an der schmalen Eingangstür, entlang der verglasten Wohnfläche, ein paar Schritte an der Rückseite des Flachdachgebäudes und seitlich wieder bis zum Garten vor. Hier also, in diesem knapp 40 Quadratmeter großen, würfelförmigen Haus, dürfen wir uns für zwei Tage einquartieren.
Wir, das sind mein Mann Corey, unsere beiden anderthalb und sieben Jahre alten Kinder und ich. Während die Kleinen ein paar Runden um den "Würfel" rennen, warten wir auf Markus Kießling, den Vermieter des Ferienhauses am Ortsrand von Volkach (Landkreis Kitzingen).
30 Prozent der Familien in Deutschland leben auf kleinstem Wohnraum
Als Tiny House werden Häuser bezeichnet, die maximal 50 Quadratmeter groß sind. In Deutschland liegt die Wohnfläche pro Kopf aktuell bei rund 47 Quadratmetern - allerdings leben mehr als 16 Millionen Menschen alleine. Etwa 30 Prozent der Familien in Deutschland müssen mit weitaus weniger Platz auskommen.
Markus Kießling, dessen eigenes Haus nebenan steht, hat sich mit dem Kauf dieses so genannten "Cube Houses", also einem würfelförmigen Tiny House, einen Traum erfühlt. Bei der Planung seines "Würfels" habe er auf Komfort und minimalistische Inneneinrichtung geachtet.
Es ist alles da, was man braucht - aber nicht mehr
Und tatsächlich ist alles da, was man braucht – viel mehr aber auch nicht. Keine unnötige Dekoration im Schlafraum, keine Regale oder zusätzlichen Schränke im Wohnbereich. In der Küche kann man kochen, ein Drei-Gänge-Menü für die ganze Familie wird man hier allerdings nur schwerlich zubereiten und auftischen können. So zumindest unsere Vermutung. Ob das stimmt, wollen wir an diesem Wochenende testen.
Zuerst erkunden wir die beiden Wohnräume und das kleine Bad. Der Große staunt noch kurz darüber, dass das Gebäude wie aus einem Guss gebaut ist - und verschwindet schon mit Geschwisterchen in den großen und kinderfreundlich eingerichteten Garten.
Während wir unsere Sachen auspacken, fällt uns auf, dass die großen Fenster Richtung Terrasse und der Garten den Innenraum größer wirken lassen. Dieser optische Trick ist typisch für die Tiny-House-Architektur. Doch davon abgesehen ist das Haus weniger beengend, als man erwarten könnte.
Es fehlt an Schränken und Abstellmöglichkeiten
Zwischenbilanz am frühen Abend: Mit zwei kleinen Kindern fehlt es an Schränken und vor allem an Abstellmöglichkeiten für Spielsachen. Das ungenutzte Spielzeug landet im Kleiderschrank. Zwar könnte das Schlafzimmer zum Kinderzimmer umgestaltet werden, doch spätestens im Winter, wenn man nicht auf die Terrasse ausweichen kann, würde uns wohl die Decke auf den Kopf fallen.
Selbst wenn wir das Haus mit "smartem" Mobiliar einrichten würden, müssten wir uns von sehr Vielem trennen, das wir in unserem 100 Quadratmeter großem Haus lieb gewonnen haben: ein großer Esstisch, ausreichend Platz zum Toben für die Kinder, ein Trockner und vor allem ein eigenes abgetrenntes Schlafzimmer. Denn hier schließt sich am Wohn- und Essbereich die Küche an, nachts wird dieser Raum als Schlafraum eingerichtet. Das Problem: Es gibt keine Flure. Ein Filmabend oder eine ausgelassene Cocktail-Party mit Freunden ist undenkbar.
Das größte Problem im Tiny House: Der Winter
Dennoch gibt es sie: Familien, die sich für diese Lebensform entschieden haben. Eine von ihnen ist Familie Gretz aus dem Allgäu, die in der Öffentlichkeit für diese Art des Wohnens wirbt. Die Vier leben in einem selbstgebauten Tiny House. Vor drei Jahren zogen Hanna und Michael Gretz mit ihren beiden Kindern aus einer 114 Quadratmeter großen Wohnung in ein Tiny House mit 38 Quadratmetern.
Nach einer zweimonatigen Reise mit dem Wohnwagen haben sie sich dafür entschieden, dauerhaft kleiner zu wohnen: "Wir hatten gemerkt, dass man gar nicht so viel Platz braucht", sagt Michael Gretz. Durch den Umzug und die damit verbundenen Geldersparnisse konnten beide ihre Arbeitszeit reduzieren.
"Probleme gibt es vor allem im Winter", sagt der zweifache Vater, "denn dann bekommen wir die vielen Jacken und Schuhe in der kleinen Garderobe nicht unter." Darüber hinaus muss die Familie in der kalten Jahreszeit darauf achten, dass sich kein Schimmel an den Wänden bildet: "Die Herausforderung besteht darin, das Haus so zu heizen, dass es nicht feucht wird, während die Wäsche trocknet." Für einen Trockner gibt es keinen Platz, die nasse Kleidung muss direkt über dem Holzofen getrocknet werden.
Ob sich die Familie von vielen Sachen trennen musste? "Teils, teils. Meine Frau mehr als ich. Denn ich habe davor schon recht minimalistisch gelebt und wenig angehäuft", sagt Getz. "Einige Möbelstücke, die uns wichtig waren, haben wir bei Verwandten untergestellt". Nur das Zimmer der Kinder ist durch eine Schiebetür abschließbar. Für die Eltern steht lediglich eine Schlafkammer zur Verfügung: "Wenn ich wirklich Ruhe brauche, gehe ich raus in den Garten oder in die Jurte, die nebenan steht."
Gerade mit Kindern müsse alles gut durchdacht sein. "Wir haben versucht, möglichst viel Stauraum für die Sachen der Kinder zu schaffen. Wir haben ihnen aber auch gesagt, dass sie platzmäßig gut haushalten müssen". Von manchen Dingen müssen sich die Kleinen trennen, wenn sie diese nicht mehr nutzen. Er ist überzeugt: "Sie lernen dadurch, dass sie nur das brauchen, was sie wirklich benutzen und ihnen am Herzen liegt".
Die kleine Spülmaschine reicht für eine Familie nicht aus
Zurück zu unserem Cube House. Noch wirkt alles ein wenig wie im Urlaub. Zum Abendessen gibt es Nudeln mit Tomatensoße und Salat – und auch da gilt: Eins nach dem anderen. Wegstellen, abräumen und dann erst weiter kochen. Die kleine Spülmaschine unter der Arbeitsfläche ist allenfalls für ein Singlehaushalt ausgelegt. Sie nur einmal am Tag laufen zu lassen, reicht für eine Familie nicht aus.
Nach dem Abendessen versuche ich ein paar Eindrücke aufzuschreiben und setze mich an den Esstisch. Neben mir spielt sich derweil der Alltag meiner Familie ab. Mir wird klar, dass es nicht unbedingt die Größe des Hauses ist, die ein Zusammenleben auf Dauer erschweren würde, sondern die Anzahl der Zimmer.
Die Nähe zueinander hat auch ihre Vorteile
Andererseits hat es etwas für sich, seine Liebsten beim Arbeiten im Blick zu haben. Immer wieder schaue ich auf, beobachte die Kinder beim Spielen. Nicht nur die Ferienstimmung scheint die Geschwister näher zusammenrücken zu lassen. Sie sind weniger abgelenkt von zu vielen Optionen und scheinen ein größeres Bedürfnis nach Nähe zu haben. Ganz so, als ob der beschränkte Raum den Blick für das Wesentliche weitet.
Anspruchsvoll ist die Situation dafür am Morgen: Wenn alle gleichzeitig das kleine Bad nutzen wollen, wird es schnell eng. Auf Dauer müsste man eine Art Zeitplan für die Morgenroutine erstellen. Und man müsste sich unter Umständen damit zufrieden geben, ohne Badewanne zu leben.
Fazit: Wir haben zu viele Dinge, die wir nicht brauchen
Nichtsdestotrotz können wir dieser Wohnweise etwas abgewinnen. Die Aussicht auf weniger Haushaltsaufgaben wirkt verlockend. Mein Mann stellt fest, dass die meisten Dinge, die bei uns im Keller und auf dem Dachboden lagern, eigentlich entbehrlich wären, da wir sie nie nutzen.
Weniger Raum und Gegenstände zu besitzen würde viel Zeit einsparen, die man sonst fürs Pflegen und Hegen aufbringen muss. In ein Tiny House würden wir jedoch nur ziehen, wenn es etwas mehr Wohnfläche und vor allem Zimmer hätte.
Unser Sohn allerdings findet: "Wir könnten doch her ziehen. Hier haben wir genug Platz, eine Küche und sogar ein Ofen ist da – zum Kuchen Backen!". Was will man mehr?
Schreibt doch mal so viel über Reihenhäuser
Da ist es doch ganz gut, dass mal berichtet wird für was so ein Tiny House wirklich taugt.
E.Stemmer
Ich könnt mir gut vorstellen, dass diese Häuser entlang des Mainufers (FFH-Gebiete ausgenommen) Karriere machen ..
Ach nee, dann ist es aber keines mehr
Wer meint er müsse auf engsten Raum zusammenkauern und auf alles mögliche verzichten, mag das tun (nach einiger Zeit hat sich das vermutlich sowieso erledigt.
Ich sehe nichts als Nachteile, und irgendwie "nachhaltig" ist das ganze sowieso nicht. Die Ressourcen werden besser geschont, wenn man zweckmäßige Mehrfamilienhäuser baut.