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Wiesentheid
Wiesentheid will Betroffene für Hochwasser-Einsätze zahlen lassen
Erst kommt die Hochwasser-Flut, dann die Feuerwehr – und jetzt die Quittung. Die Marktgemeinde Wiesentheid will Hochwasser-Opfern ihre Hilfe in Rechnung stellen. Reaktionen.
Blick zurück: Im Juli hieß es in Wiesentheid 'Land unter'. Jetzt geht es um die Kosten der Feuerwehreinsätze – was für einigen Ärger sorgt.
Foto: Gerhard Krämer | Blick zurück: Im Juli hieß es in Wiesentheid "Land unter". Jetzt geht es um die Kosten der Feuerwehreinsätze – was für einigen Ärger sorgt.
Andreas Brachs
 und  Andreas Stöckinger
 |  aktualisiert: 09.02.2024 19:31 Uhr

Der kürzlich gefasste Beschluss des Wiesentheider Ferienausschusses, den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern die Kosten für die Einsäte der Feuerwehr beim Juli-Hochwasser in Rechnung zu stellen, hat in weiten Kreisen für Verwunderung gesorgt. Teilweise für Unmut, wie Feuerwehrkommandant Michael Rückel kürzlich in der Hauptversammlung der Wehr berichtete.

Er sei "von verunsicherten Bürgern häufig und zum Teil kritisch angesprochen" worden. 2013 habe die Gemeinde keine Beiträge für die damaligen Hochwasser-Einsätze verlangt; nun tut sie es. Die Feuerwehr könne dafür jedoch nichts; die Abrechnung sei eine politische Entscheidung, stellt Rückel klar. Er ist zwar auch Mitglied des Gemeinderates, aber sitzt nicht im Ferienausschuss, der jüngst die Kostenbeteiligung der Bürger bestimmte.

Auf die Angelegenheit angesprochen, teilt Bürgermeister Klaus Köhler mit, dass die entsprechenden Briefe noch nicht an die betroffenen Bürgerinnen und Bürger verschickt seien. Ohne die genaue Zahl zu kennen, schätzt er, dass vielleicht 50 Einwohner betroffen sein könnten; die Feuerwehr hat über 100 Einsätze registriert. Das Thema werde derzeit im Rathaus noch geprüft. Möglicherweise kommt es auch nochmals zu einer Diskussion im gesamten Gemeinderat.

Verwaltungsleiter sieht klare Rechtsgrundlage

Dass man die vom Hochwasser Betroffenen in so einem Fall zur Kasse bittet, sei rechtlich möglich, wie es Bürgermeister Klaus Köhler und Verwaltungsleiter Christian Sturm kürzlich in der Ausschusssitzung ausführten. Der Markt habe eine Satzung, laut der er Pauschalsätze bei der Erfüllung von Gesetzesaufgaben verlangen könne.

Überschwemmte Straßen in Wiesentheid im Juli.
Foto: Gerhard Krämer | Überschwemmte Straßen in Wiesentheid im Juli.

In der Vorlage zur Sitzung stand dazu: "Grundsätzlich ist der Markt Wiesentheid nach der Satzung verpflichtet, entsprechende Gebührenbescheide zu erlassen." Allerdings lässt die Satzung auch Ausnahmen zu: "Prinzipiell ist auch Erlass möglich; hierfür müssten aber Erlassgründe, zum Beispiel Zahlungsunfähigkeit oder unbillige Härte, vorliegen." Genau diese Frage hätte der Ausschuss diskutieren können: Was ist recht und billig in so einem Fall?

Auf eine Festsetzung der Kosten zu verzichten, sei nicht möglich, argumentiert die Verwaltung. Die Satzung sehe keine Option zum Verzicht vor, hatte Verwaltungsleiter Sturm als Jurist die Gesetzeslage erklärt. Also einigten sich die Wiesentheider Räte auf den Mindestsatz für die Kostenbeteiligung, der 150 Euro betragen würde. Verlange die Gemeinde nichts, könne das die Rechnungsprüfung bemängeln, fürchtet Bürgermeister Köhler. 

Andere Bürgermeister schütteln den Kopf

Das sehen offensichtlich nicht alle Bürgermeister so: In den ebenso vom Hochwasser betroffenen Nachbargemeinden Prichsenstadt und Schwarzach habe man die Entscheidung aus Wiesentheid "mit starker Verwunderung", gelesen, sagt Prichsenstadts Bürgermeister René Schlehr. Für beide Gemeinden ist es keine Option, diejenigen Bürger zur Kasse zu bitten, die Einätze der Feuerwehr in Anspruch nehmen mussten.

"Wir werden das definitiv nicht verrechnen; die Leute waren schon genug geschädigt", sagt Schlehr. "Ich sehe das als Dienstleistung zum Wohl der Gemeinde", erklärt der Prichsenstädter Gemeindechef. Es gebe zwar auch in seiner Stadt eine ähnliche Satzung wie in Wiesentheid, aber diese müsse man so nicht vollziehen.

Fotoserie

Zudem sei es nicht leicht nachzuvollziehen, wer wie lange Hilfe bekommen habe. Ihm, so Schlehr, widerstrebe es, zu sagen: "Du zahlst dafür!" Er sehe das Ganze als "eine Art Nachbarschafts- oder zivile Hilfe". Als ein weiteres Beispiel dafür führt Prichsenstadts Oberhaupt an, dass der Landkreis seine Container, die er zum Entsorgen von Schlamm und Abfall aufstellte, den Kommunen auch nicht verrechnet habe. 

Landratsamt hatte keinen Katastrophenfall erklärt

In Schwarzach sieht es Bürgermeister Volker Schmitt ähnlich. "Wir rechnen es nicht ab. Die Leute sind doch gestraft genug. Es ist für uns ein Selbstverständnis, dass so etwas die Gemeinde auffängt." Viele Bürger hätten außerdem auch bei den Aufräumarbeiten mitgeholfen, da wäre eine Rechnung der falsche Ansatz.

Als oberster Feuerwehrmann im Landkreis hält sich neue Kreisbrandrat Dirk Albrecht in der Frage bedeckt. Das Ganze sei "ein schwebendes Verfahren", bittet er um Verständnis für seine Zurückhaltung. Hingegen gibt das Landratsamt auf Anfrage der Redaktion Auskunft. Es hatte beim Hochwasser nicht den Katastrophenfall ausgerufen. Der hätte ermöglicht, einen Teil der Einsatzkosten über den Freistaat abzurechnen.

Wie die Kreisbehörde mitteilt, sei geprüft worden, ob die Kriterien für einen Katastrophenfall vorlagen, nämlich "ein Geschehen, bei dem Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen oder die natürlichen Lebensgrundlagen oder bedeutende Sachwerte in ungewöhnlichem Ausmaß gefährdet oder geschädigt werden". Das sah da Landratsamt nicht als gegeben. Man habe sich immer wieder mit Einsatzleitern vor Ort abgesprochen und die Lage mehrmals bewertet.

Dessen ungeachtet seien bislang 333 000 Euro aus der staatlichen Soforthilfe ausbezahlt worden. Zusätzlich habe der Landkreis rund 112 000 Euro Spenden für besondere Härtefälle und für gemeinnützige Betroffene erhalten. Schließlich bekomme der Landkreis noch Aufbauhilfe durch den Bund. Details dazu sollen in Kürze bekannt gegeben werden, erklärt das Landratsamt.

 
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  • N. K.
    Lieber Herr Köhler, dafür haben wir dich nicht ins Amt gehoben
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    Sehr geehrte Kommentatoren,

    leider werden die entsprechende Sitzung des Gemeinderates sowie der Vorschlag der Verwaltung in dem Beitrag nicht ganz richtig bzw. vollständig wiedergegeben.

    Es wurde beschlossen, nur den absoluten Mindestsatz nach der Satzung festzusetzen. Für alle, die nicht durch eine Versicherung Ersatz erhalten und damit eine unbillige Härte nachweisen wird der Betrag in einem zweiten Schritt erlassen.

    Damit muss im Ergebnis keiner der vom Hochwasser Betroffenen im Markt Wiesentheid die Kosten für den Feuerwehreinsatz tragen.

    Wir werden das Thema die kommenden Tage mit der MainPost besprechen.

    Freundliche Grüße.

    Markt Wiesentheid
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  • P. K.
    Dann machen sie das Sitzungsprotokoll im nächsten Amtsblatt öffentlich (im Wortlaut), und schon ist die Sache belegt.
    An der grundsätzlichen Fragwürdigkeit der Inrechnungstellung der Einsätze ändert sich trotzdem nichts.
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  • A. B.
    Sehr geehrte Vertreter vom Markt Wiesentheid!
    Ihrer Darstellung, wir hätten "nicht ganz richtig" berichtet, widersprechen wir:
    In unserem Bericht steht, dass die Gemeinde nur den Mindestsatz verlangen will. Und auch, dass es die Möglichkeit des Erlasses bei "unbilliger Härte" geben kann, ist erwähnt.
    Wir freuen uns auf das von Ihnen angekündigte Gespräch.
    Freundlichen Gruß
    Andreas Brachs
    Main-Post
    Lokalredaktion Kitzingen
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    Sehr geehrter Herr Brachs,

    vielen Dank für die Rückmeldung.

    „Nicht ganz richtig“ ist insbesondere die Überschrift „Wiesentheid will Betroffene zahlen lassen“.

    Genau das will der Markt Wiesentheid eben nicht und hat daher in der Sitzung nach entsprechenden Lösungsmöglichkeiten gesucht - und auch gefunden.

    Fakt ist, dass keiner der Betroffenen persönlich zur Kasse gebeten wird.

    Freundliche Grüße und Ihnen allen ein schönes Wochenende!
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  • P. K.
    Das heißt also sie haben eine Gebühr für die Feuerwehreinsätze beschlossen.
    Zahlen sollen aber nur die die versichert sind
    Allen anderen können die Gebühren erlassen werden?
    Seh ich das so richtig?
    Und das kann man beschließen?
    Interessant
    Bin auf die Fortsetzung gespannt…
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  • I. F.
    Die wenigsten Bürgermeister und Gemeinderäte versuchen aus Feuerwehreinsätzen Profit zu schlagen. Im Gegenteil, fast überall wird versucht die Kosten für die eigenen Bürger im Rahmen zu halten. Leider sind aber sowohl Verwaltung als auch Bürgermeister enge Grenzen gesetzt. Als Feuerwehrler in Führungsposition habe ich selbst öfters Erlebnisse, dass die Rechnungsprüfung der Kommunen Druck macht, für alles was möglich ist Rechnungen zu stellen. Bei so viel Druck "von oben" geben BGM's und Verwaltung klein bei und schreiben eben die Rechnungen. Konsequenz: Viele Einsatzberichte der Feuerwehren werden schon getürkt um möglichst wenig Personal zu verrechnen. Auch aktive Feuerwehrleute, die selbst ihre Freizeit opfern um anderen zu helfen, müssen Rechnungen bekommen, wenn sie selbst mal ein Problem haben. Zumindest in den ländlichen Gegenden mit vielen Freiwilligen sollte die Entscheidung zur Rechnung vom BGM getroffen werden können und nicht von weltfremden Prüfern aus München.
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  • P. K.
    Es ist bekannt, dass der neue Wiesentheid Bürgemeister ein kommunalpolitischer Neuling ist.
    Er muss sich in vielen Dingen auf die Erfahrung und Beratung seiner Verwaltung verlassen. Wenn hier das nötige Fingerspitzengefühl fehlt, kommt genau sowas dabei raus. Vielecht sollte er hier in Zukunft erstmal mit seinen umliegenden Amtskollegen, oder mit der Führung der Feuerwehr sprechen, wie solche Dinge im Allgemeinen gehandhabt werden.
    Reine Juristerei ist hier jedenfalls fehl am Platz.
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  • J. S.
    Vom Grundsatz her doch richtig! Eine gewissene Eigenbeteiligung ist doch grundsätzlich nichts "Schlimmes"! Das hat auch etwas mit Vorsorge zu tun, mit Eigenleistung. Und mit der "Not" und dem "Druck" sich vielseitige Hilfe zu holen und zu bitten. Beispiele dafür gibt es genug. Freunde, Verwandete und so weiter. Auch die Verpflichtung und der triftige Grund für den Abschluss von Versicherungen, wie gegen Fremdschäden, Elementarversicherung und Hausratsversicherung. Auf den Punkt gebracht: Hilfe mit Selbsthilfe. Das gilt auch im Gesundheitsbereich. Unbegrenzte Sorglosigkeit hat irgendwann ihren Preis. Ansonsten wäre "der kluge Mann baut vor", der Depp! Hinterher ist das Geschrei groß. Auch dieses tragische Geschehen sollte wieder ein Signal sein, an den Einzelnen und an uns alle: Vorsorge ist besser als Heilen. Vorsorge ist auch Schadensminderung. Es bleibt hinterher immer noch genug zu tun. Die Feuerwehren und andere Dienste sind immer noch viel viel billiger als Handwerker. Oder nicht?
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  • G. R.
    Die Feuerwehrleute sollten alle ihren Freiwilligen Dienst hinschmeißen, dann muss die Gemeinde eine Pflichtfeuerwehr einführen und das wird teuer. So ein Gemeinderat der das beschließt gehört sofort abgelöst. Pfui Teufel schämt euch.
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    Was wird daran teuer? Die Feuerwehrleute einer Pflichtfeuerwehr bekommen kein Geld.
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  • J. H.
    Ich hatte den gleichen Gedanken. Hier verkauft die Gemeinde für teuer Geld die Freizeit der Freiwilligen Feuerwehr. Die Geräte stehen eh zur Verfügung, also beschränkt sich der tatsächliche Aufwand auf ein paar Liter Diesel und ein bisschen Abnutzung. jedoch wurden die Geräte ja sowieso vom Steuerzahler finanziert, und damit auch von den Betroffenen.

    Ob das nun rechtlich wasserdicht ist, oder nicht: unsolidarisch und verwerflich ist es in jedem Fall.
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  • M. M.
    Und wer hat die Geräte bezahlt die "eh schon" zur Verfügung stehen?
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  • J. H.
    Habe ich doch geschrieben: der Steuerzahler. Dachten Sie, die Gemeinde? Und wo hat die ihr Geld her?
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    Fingerspitzengefühl scheint da völlig zu fehlen. Eine Satzung ist nicht in Stein gemeißelt. Sich aber nur darauf zu berufen zeigt nur, dass niemand gewillt ist, hier Verantwortung zu übernehmen. So kann man auch das Vertrauen der Mitbürger verspielen.
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  • M. B.
    Das ist nicht fair und muss revidiert werden.
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    In was für einer Welt wollen wir leben? In einer, wo Menschen in Not für Dienste bezahlen müssen, die aus gesellschaftlicher Solidarität eine Selbstverständlichkeit sein sollten? Ich möchte das nicht!
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