Die Schwimmbäder und Museen geschlossen, die Marktplätze verwaist: Das öffentliche Leben in Bayern steht still, erst recht seit der am Freitag erlassenen Ausgangssperre. Aber während die Einnahmen, etwa aus Eintrittsgeldern, ausbleiben, laufen die Ausgaben weiter. Personal muss bezahlt, Bäder oder Kulturstätten müssen gepflegt werden. Hinzu kommen wohl niedrigere Steuereinnahmen, weil Unternehmen in der Corona-Krise weniger Gewinne einfahren.
Schon schlagen Verbandsvertreter und Kommunalpolitiker Alarm. Der Kitzinger Oberbürgermeister Siegfried Müller rief bei den jüngsten Haushaltsberatungen nach einem Rettungsschirm, etwa in Form höherer Schlüsselzuweisungen des Staates, um drohende Einnahmeverluste wenigstens zum Teil auszugleichen, wie er sagte. Ähnliches ist aus den Reihen des Deutschen Städte- und Gemeindebundes zu hören, der sich um die Liquidität seiner Klientel sorgt.
Frohe Kunde wird von der Corona-Krise eingeholt
Die Situation passt so gar nicht zu der frohen Botschaft, die der Bayerische Gemeindetag erst vor gut einer Woche verkündet hat. Demnach lagen die Steuereinnahmen der Kommunen im Freistaat im vierten Quartal 2019 deutlich über dem Vorjahresergebnis. Das Wachstum speist sich vor allem aus dem um fast 19 Prozent höheren Gewerbesteueraufkommen. Stabil geblieben ist der Anteil der Gemeinden an der Einkommensteuer.
Von solchen Erfolgsmeldungen sind die Kommunen nur ein Quartal später weit entfernt. Die Zeit der finanziellen Höhenflüge dürfte in Folge der Corona-Epidemie und der daraus erwachsenden Rückgänge erst einmal vorbei sein – und keiner weiß, was noch kommt. Das hat den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, vorige Woche zu einem Hilferuf in Richtung von Bund und Ländern veranlasst. „Die Kommunen werden angesichts der notwendigen Maßnahmen zur Einschränkung des öffentlichen Lebens eine Art Corona-Rettungsfonds benötigen.“
Fragt man Peter Kornell und Josef Mend, wird diese Not im Moment noch nicht ganz ersichtlich. Kornell ist Bürgermeister der 9600-Einwohner-Stadt Volkach, die es mit dem Slogan Berlins aufnehmen könnte: arm, aber sexy. Auf zwei Millionen Euro taxiert Kornell im Durchschnitt die jährlichen Gewerbesteuereinnahmen. Im 4700-Seelen-Städtchen Iphofen ist man an warmen Geldregen schon eher gewöhnt: Dort nahm Amtskollege Mend im Jahr 2018 mehr als 19 Millionen Euro Gewerbesteuern ein, was eher die Regel als die Ausnahme ist. Trotz der scharfen finanziellen Kontraste sind sich die beiden lang gedienten Kommunalpolitiker einig in ihrer Bewertung: Es ist noch viel zu früh, um nach konkreter staatlicher Hilfe zu rufen. „Bei aller Besorgnis“, sagt Kornell, „sollten wir jetzt kühlen Kopf bewahren.“
Gesundheit ist für Mend wichtiger als Finanzhilfen
Mend, der auch dem Präsidium des Bayerischen Gemeindetags angehört, ist fast etwas überrascht von der Frage, ob der Staat jetzt einen kommunalen Rettungsfonds auflegen solle. Eine gemeinsame Position dazu gebe es unter Bayerns Städten und Gemeinden nicht. „Ich weiß nicht, ob die Zeit dafür reif ist.“ Der Freistaat Bayern habe gerade ein Hilfsprogramm über zehn Milliarden Euro beschlossen, um die Corona-Krise zu bewältigen. „Irgendwann dürfte die Leistungsfähigkeit auch erschöpft sein“, sagt Mend. Das soll nicht ausschließen, das Thema zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzugreifen. Aber erstens sei die Finanzlage der Kommunen in Bayern längst nicht so prekär wie etwa in Nordrhein-Westfalen, und zweitens habe die Volksgesundheit Priorität vor möglichen Einnahmeausfällen von Gemeinden.
Für Kornell ist entscheidend: Städte wie Volkach, die einem Landkreis angegliedert sind, müssten nicht die Ausgaben von Krankenhäusern oder Berufsfeuerwehren tragen. „Damit stehen wir nicht so direkt im Schussfeld.“ Trotzdem rechnet auch Kornell mit Steuerrückgängen. Denn Volkach lebt vom Tourismus, und wenn kleinere Betriebe wie Restaurants, Pensionen oder Hotels jetzt zusperren müssen, werde das – so rechnet der Städte- und Gemeindebund vor – ein deutliches Minus bei der Gewerbesteuer zur Folge haben. Wie dramatisch die Ausmaße wirklich sind, wird man allerdings erst in einiger Zeit sehen, wenn Betriebe und Unternehmen dazu übergehen, ihre Gewerbesteuer-Vorauszahlungen an die verminderten Einnahmen anzupassen. Iphofen hat damit in den letzten Jahren schon gewisse Erfahrung.
Kornell bietet Wirtschaft und Vereinen Hilfe an
Statt nach Nothilfen für die Stadt zu rufen, kommt es für Kornell jetzt darauf an, der örtlichen Wirtschaft zu helfen, etwa indem man Betrieben Steuern oder Abgaben stundet, um die Liquidität zu erhalten. Auch den örtlichen Vereinen habe er Unterstützung angeboten und gesagt: „Wenn’s brennt, meldet euch.“ Sollte es tatsächlich so kommen, dass Gemeinden in beträchtlicher Zahl um staatliche Finanzhilfen ersuchen, will sich Volkachs Bürgermeister der Solidarität nicht entziehen. Er sagt aber: „Wir sollten nicht übers Ziel hinausschießen.“ Im Übrigen sieht Kornell die Sache pragmatisch: „Wir haben im Jahr zwei Millionen Euro aus der Gewerbesteuer. Wenn die Hälfte nicht kommt, geht die Welt nicht unter.“