Was bewegt einen "eigentlich lieben Kerl", voller Aggression auf Polizisten loszugehen? Diese Frage stellen sich die Bewohner Repperndorfs seit Mittwochabend. Ein 46-Jähriger war in dem Kitzinger Stadtteil mit einem Messer auf Polizeibeamte losgegangen, wie das Polizeipräsidium Unterfranken am Tag darauf mitteilte. Pfefferspray und ein Warnschuss hielten ihn nicht auf, erst gezielte Schüsse stoppten ihn. Nach einer Notoperation befand er sich am Donnerstagnachmittag laut Polizei weiter in Lebensgefahr.
Die 43-jährige Ex-Lebensgefährtin hatte die Kitzinger Polizei verständigt, weil ihr früherer Partner nach einem Streit in der bis vor kurzem gemeinsam genutzten Wohnung randalierte. Sie selbst hatte sich bei einer Nachbarin in Sicherheit gebracht. Als die ersten Polizeistreifen gegen 21 Uhr im Kugelspielweg eintrafen, "begab sich der 46-Jährige in das Gebäude und trat kurze Zeit später mit mehreren Messern vor die Beamten". So berichtet es Philipp Hümmer, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken.
Mit einem der Messer ging der 46-Jährige laut Hümmer auf zwei Beamte los. "Diese setzten zunächst Pfefferspray ein und gaben einen Warnschuss ab." Ein unmittelbarer Nachbar bestätigt diese Version. Er habe gehört, wie jemand rief: "Werfen Sie das Messer weg!"
"Als der Mann weiter mit dem Messer auf die Polizisten zulief, machten sie von ihrer Schusswaffe Gebrauch", so der Polizeisprecher. Der 46-Jährige wurde durch Schüsse lebensgefährlich am Oberkörper verletzt. Wie viele Schüsse genau fielen, wird derzeit ermittelt. Die Beamten leisteten Erste Hilfe, bis der Rettungsdienst den Angreifer in die Klinik brachte. Dort wurde er noch in der Nacht notoperiert.
Nachbar: "Sowohl der Mann als auch die Frau waren sehr nett"
Die Bewohner der umliegenden Häuser, denen der "Riesenauflauf" an Polizei und Presse nicht verborgen blieb, konnten kaum fassen, was sie erlebten. "Sowohl die Frau als auch der Mann waren sehr nett", sagt ein älterer Herr. Öfter habe er die 43-Jährige beim Gassigehen mit dem Hund gesehen. "Und wenn ich mal Hilfe brauchte, war das kein Problem. Auch er hat dann unkompliziert mit angepackt."
Der Rentner bezeichnet den 46-Jährigen, der nicht aus Repperndorf stammt, als "lieben Kerl", der im Ort eher unbekannt sei. Auf Social Media zeigt sich der 46-Jährige unauffällig: ein Lastwagen- und Motorrad-Freund, der gerne Witz-Filmchen postet.
Im wirklichen Leben ging es wohl nicht so lustig zu, zumindest nicht in letzter Zeit. "Arg g'fetzt" habe es zwischen den früheren Partner seit einigen Monaten, berichtet ein weiterer Nachbar. Der Mann habe eine Trennung nicht akzeptieren und nicht weggehen wollen.
Ob Alkohol oder Drogen im Spiel waren, konnten am Donnerstag weder die Würzburger Polizei noch das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) sagen. Eine Blutentnahme wurde durchgeführt, doch bis ein Ergebnis vorliegt, könne es dauern.
Jeder Schusswaffengebrauch wird vom LKA untersucht
Wie immer, wenn ein Beamter seine Schusswaffe einsetzt, prüft das LKA, ob dies rechtens war. Alle Polizeibeamten würden regelmäßig in Sachen Schusswaffengebrauch geschult, erklärt Polizeisprecher Manuel Jäger auf Anfrage. Entsprechende Handlungsmuster würden trainiert.
427 Mal haben Polizeibeamte im vergangenen Jahr ihre Schusswaffe in Unterfranken eingesetzt, "allerdings fast nur gegen Tiere", teilt Manuel Jäger auf Anfrage mit. Nur in zwei Fällen war kein verunglücktes Wild das Ziel: "Einmal war es ein Warnschuss, das zweite Mal zielte ein Beamter auf eine Sache." Im Jahr zuvor, 2022, gab es 470 Fälle von Schusswaffengebrauch in Unterfranken, "wovon sich ebenfalls nur zwei gegen Personen richteten". Für 2024 liegen noch keine Zahlen vor.
Dem 46-Jährigen droht wegen des Angriffs auf die Polizeibeamten ein Verfahren; Staatsanwaltschaft und Kripo Würzburg ermitteln. Das "subjektive Gefühl", dass Attacken auf Polizisten – etwa mit Messern – zunehmen, könne er aktuell weder mit Zahlen bestätigen noch dementieren, so Polizeisprecher Jäger. "Das gibt die Statistik leider nicht her."
Auch den Kitzinger Oberbürgermeister Stefan Güntner lässt der dramatische Einsatz in seinem Wohnort Repperndorf nicht kalt. "Der Vorfall ist tragisch", sagt er. "Ich wünsche allen Beteiligten, dass sie keine langfristigen körperlichen oder seelischen Verletzungen davontragen. Das gilt auch für die beteiligten Polizeibeamten."