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Volkach
Wenn Bahn-Profis ihre Kameraden von der Mainschleifenbahn beklauen
Freitags-Fragen: Waren Bahn-Profis die Diebe der Schaltrelais an der Strecke der Mainschleifenbahn? Warum sich Geschäftsführer Wolfgang Schramm so sicher ist.
Die Polizei am Tatort: Wo seit 50 Jahren Relais klickten, da hängen jetzt Stecker in der Luft.
Foto: Interessengemeinschaft Mainschleifenbahn | Die Polizei am Tatort: Wo seit 50 Jahren Relais klickten, da hängen jetzt Stecker in der Luft.
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 14.02.2024 17:12 Uhr

Im Grunde war es mehr als nur ein Diebstahl: Man muss wohl von einem schweren Eingriff in den Bahnverkehr sprechen. Zwei Schaltschränke der Mainschleifenbahn zwischen Astheim und Prosselsheim wurden in den vergangenen Wochen entlang der Strecke aufgebrochen, ganz gezielt wurden Dinge mitgenommen. Wir haben bei Geschäftsführer Wolfgang Schramm nachgefragt, was der Verlust bedeutet und wie das alles aufgefangen werden soll.

Frage: Wie tief sitzt noch der Schock über den Diebstahl?

Wolfgang Schramm: Der Schock sitzt tief. Wir hätten nie gedacht, dass da Leute aus der Bahnszene ihre ehrenamtlichen Kollegen beklauen. Eher haben wir gefürchtet, dass einmal ein Schrank bei einem Verkehrsunfall zusammengefahren wird. Dafür haben wir noch Teile in Reserve – mehr aber nicht.

Was genau kam abhanden?

Schramm: Gezielt geklaut worden sind aus zwei Schränken verschiedene Relaisgruppen, graue Blechkästen, jeder etwas größer als ein Schuhkarton. Mit einem Plexiglas-Fensterchen vorne und jeder ziemlich schwer. Wenn ein Zug kommt, prüfen diese Schaltungen alle Funktionen des Bahnübergangs. Ist alles in Ordnung, signalisiert ein weißes Blinklicht dem Lokführer, dass am Bahnübergang die roten Lichter blinken und dass die ganze Technik bis zur letzten Doppelfadenlampe einwandfrei funktioniert. Damit das so bleibt, hatten wir in den letzten Jahren auch kräftig investiert und einiges von Grund auf erneuert.

War es der erste Einbruch dieser Art?

Schramm: An den Schaltschränken ist es der erste. 2015 hatten Einbrecher den Prosselsheimer Bahnhof geknackt und alle Stihl-Geräte mitgenommen: Kettensägen, Motorsensen, dazu Stromaggregate und andere Geräte, die wir für Streckenarbeiten brauchen. Da standen wir buchstäblich vom einen auf den anderen Tag vor leeren Regalen. Manches fehlt uns noch heute.

Wolfgang Schramm.
Foto: Karoline Schramm | Wolfgang Schramm.

Wie gingen die Täter vor?

Schramm: Das waren Bahn-Profis. Die kannten genau die Schließvorrichtung in den Schränken und haben ihr Brecheisen entsprechend angesetzt. Mit den gesicherten Schließzylindern haben die sich gar nicht erst abgegeben. Die Relaisgruppen sind gezielt und fachmännisch abmontiert worden, keine Gewalt. Wer die gestohlen hat, der weiß ganz genau, wofür die da sind. Das war kein Bruch, um irgendwas auf dem schwarzen Markt oder bei Ebay abzusetzen. Diese Teile kann nur jemand brauchen, der identische Bahnübergänge betreibt. Und die DB ist das auf gar keinen Fall!

Welche Lehren ziehen die Eisenbahnfreunde daraus?

Schramm: Gute Frage. Noch mehr Schlösser und Riegel? Aber wenn einer mit der Akku-Flex oder noch brutalerem Gerät anrückt, wer hat denn dann noch eine Chance? Wir haben Aufrufe zur Klärung der Einbrüche in alle Eisenbahnforen gestellt, in Verbandspublikationen und natürlich auch die lokale Presse informiert. 

Wie ist der Stand der Ermittlungen?

Schramm: Eine Streife hat alles aufgenommen und sogar einige Beweismittel gesichert. Aber nach dem Stand, da müssen Sie bei der Polizei nachfragen. Polizei und Staatsanwaltschaft prüfen sicher, ob diese Aufbrüche auch schwere Eingriffe in den Bahnverkehr sind. Nach Paragraf 315 Strafgesetzbuch stehen darauf Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Wie kam es zu den 500 Euro Belohnung?

Schramm: Die Brüche treffen uns ins Mark. Daher hat der Förderverein die Belohnung ausgesetzt. Wir hoffen noch immer, dass einer der Mittäter oder Mitwisser schwach wird und der Polizei doch noch einen Tipp gibt.

Wie sieht es mit Ersatzbeschaffung aus?

Schramm: Die ist schwierig. Unsere Relaisgruppen sind in den 1970er- und 80er-Jahren gefertigt worden. Jetzt müssen wir den letzten Rest unserer sowieso schon kleinen eisernen Reserve anpacken. Beim Hersteller gibt es definitiv nichts mehr. Immerhin hat uns die Firma Pintsch jetzt einige Adressen vermittelt – dort versuchen wir es gerade. Bei der DB ist für die Ersatzteilversorgung das Signalwerk Wuppertal zuständig. Dort haben wir ebenfalls angefragt: Lieferzeit für Ersatzteile acht bis elf Monate nach Auftragseingang. Das wird teuer werden. Wahrscheinlich hatten die Diebe diese Preise auch schon abgefragt. Immerhin haben uns einige Museums- und Privatbahnen angeboten, das eine oder andere fehlende Teil abzugeben – es gibt halt doch noch Zusammenhalt und Solidarität unter Museumsbahnern! Bis Mai wird an den Bahnübergängen sicher alles wieder funktionieren.

Ihr Appell an die Diebe?

Schramm: Dass sie uns zumindest einige Teile wieder vor dem Bahnhof ins Trockene legen. Aber wer ehrenamtliche Eisenbahner-Kameraden beklaut, der hat offensichtlich keine großen Gewissensbisse. Trotzdem: Vielleicht gibt ja einer von denen der Polizei doch noch einen Tipp.

Themawechsel, ein Blick auf den Saisonstart: Wann geht es los, was ist geplant?

Schramm: Wegen der unklaren Corona-Situation starten wir erst am 26. Mai und wollen dann bis zum 16. Oktober fahren. Heuer können wir endlich wieder mit dem Steuerwagen fahren, seine Revision ist abgeschlossen. Damit haben wir auch wieder genügend Platz für Kinderwagen und Räder. Der Fahrplan und die Fahrpreise bleiben unverändert.

 
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