Helmut Kohl und das Kloster Münsterschwarzach – man konnte durchaus von einer engen Verbindung sprechen. Von 1982 an reiste der ehemalige Bundeskanzler regelmäßig nach Münsterschwarzach; immer brachte er seine engste Führungsriege mit. Eine Art weihnachtlicher Betriebsausflug. Wer mit dabei war, gehörte zum Machtzentrum.
In diesem Kreis saß lange Wolfgang Schäuble. Es gibt da beispielsweise ein Bild von 1987, als Schäuble, damals Minister für besondere Aufgaben, ein wenig im Hintergrund steht und Philipp Jenninger, dem damaligen Staatsminister im Kanzleramt, den Vortritt lässt.
Wolfgang Schäuble gehörte öfter zu dem weihnachtlichen Tross von etwa 30 Personen, die alle einen klangvollen Namen und viel Einfluss hatten. Wer dabei war, befand sich im "Küchenkabinett" des mächtigsten Mannes der Bundesrepublik, eine Art Beraterzirkel, wie ihn viele Regierungschefs nutzen. Die prominente Besuchergruppe landete immer auf dem damaligen Militärflughafen in Kitzingen. Vor der Klosterpforte warteten schon die fränkischen Parteifreunde, Postminister Wolfgang Bötsch und Michael Glos, erst Vorsitzender der CSU-Landesgruppe, später selbst Minister, sowie Abt Fidelis Ruppert, den Kohl besonders schätzte.
Mehrere Stippvisiten im Kloster Münsterschwarzach
Wolfgang Schäuble dürfte also öfter im Landkreis Kitzingen geweilt haben, als das allgemein bekannt ist. So groß die Zahl dieser Stippvisiten war, so gering war die Zahl der offiziellen Anlässe. Im März 2003 weilte Schäuble auf Einladung von Michael Glos in dessen Heimatgemeinde Prichsenstadt. Dort trug sich der stellvertretende Vorsitzende der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion ins Goldene Buch der Stadt ein. Danach machte er sich auf den Weg zur Aschermittwoch-Kundgebung des CSU-Kreisverbands Kitzingen.
Der Eintrag ins Goldene Buch fand in der "Prinzregent-Luitpold-Stube" im Gasthof der Familie Wanya statt. Dort empfingen den früheren Bundesminister der damalige Bürgermeister Adolf Falkenstein und seine beiden Stellvertreter, Christa Röll-Bieber und Harald Eger sowie der Prichsenstädter Nachtwächter Willi Eich.
Der damalige Chronist notierte, dass Schäuble sich beim Nachtwächter für das dargebrachte Ständchen bedankte und überhaupt "gut gelaunt" gewesen sei. Nach einer Stärkung mit Spezialitäten des Gasthofs "Zum Storch" machte sich der Ehrengast schließlich auf den Weg nach Wiesentheid, wo er in der Steigerwaldhalle mit seiner Rede gut 700 Zuhörer in seinen Bann zog.
Gemeinsam fast vier Jahrzehnte im Bundestag
Dass Schäuble privat bei Glos vorbeigeschaut hatte, war alles andere als Zufall gewesen. Beide tauchten Mitte der 70er-Jahre in der Bundespolitik auf, beide verbrachten vier gemeinsame Jahrzehnte im Bundestag. Man lief sich immer wieder in unterschiedlichen Funktionen über den Weg.
Glos beispielsweise agierte als Bundeswirtschaftsminister, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe und stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Schäuble war in seinen vielen Bonner und Berliner Jahren fast alles: Bundesminister für besondere Aufgaben, Chef des Bundeskanzleramtes, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Vorsitzender der CDU sowie Innen- und Finanzminister.
Man schätze sich, man mochte sich – auch privat. Glos nennt es heute rückblickend ein "enges, freundschaftliches Verhältnis", wie er auf Anfrage der Redaktion betont. Im Politikbetrieb ist so etwas eher die Ausnahme. Entsprechend getroffen zeigte sich das Ehepaar Glos, als die Nachricht von Schäubles Tod eintraf.
"Glasklarer Verstand und schnelle Auffassungsgabe"
"Eine bewegte Zeit" sei das gewesen, erinnert sich Glos. Viele Jahre hätte man "fast jeden Tag in Berlin zusammengearbeitet". Wobei es oft "eine fruchtbare Zusammenarbeit" gewesen sei. Besonders gemocht habe er an Schäuble dessen "glasklaren Verstand und die schnelle Auffassungsgabe", blickt Glos zurück.
Um dann noch mit einer schönen Anekdote aufzuwarten: Glos und Schäuble waren so eng miteinander, dass sie sogar noch einmal gemeinsam die Schulbank drückten, um für das internationale Parkett ihr Englisch aufzufrischen.