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Kitzingen
Warum Kitzingen der Deutschen Glasfaser misstraut
Ein Highspeed-Glasfasernetz soll die Stadt Kitzingen bekommen, und das zum Nulltarif. Doch der Stadtrat zögert und lehnt erst mal ab. Was steckt hinter dieser Skepsis?
Das Ende eines Bündels Glasfaserkabel auf einer Baustelle. In Kitzingen hat die Deutsche Glasfaser der Stadt ein Angebot gemacht, das eine Versorgung im Gigabit-Bereich verspricht.
Foto: Matthias Rietschel, dpa | Das Ende eines Bündels Glasfaserkabel auf einer Baustelle. In Kitzingen hat die Deutsche Glasfaser der Stadt ein Angebot gemacht, das eine Versorgung im Gigabit-Bereich verspricht.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:13 Uhr

Das Angebot, das der Stadt Kitzingen neulich ins Haus geflattert ist, klingt verlockend. Ein hochmodernes Glasfasernetz für das Stadtgebiet mit Geschwindigkeiten im Gigabit-Bereich – und das Ganze völlig kostenlos. Wo andere Kommunen Millionen hinblättern müssen, soll die Stadt keinen Cent zahlen müssen: Kann das stimmen? Es kann. Im Stadtrat kam die Offerte der Deutschen Glasfaser Mitte Juli gut an, und doch hat er sie vorerst abgelehnt. Denn einen Haken hat die Sache.

Das kann jeder feststellen, der im Internet den Namen des Unternehmens mit dem Stichwort „Erfahrungen“ koppelt. Die Urteile: vernichtend. „Gehwege sehen aus wie nach einem Bombenanschlag.“ Oder: „Bauarbeiten so schlecht hab ich noch keine Ausführung gesehen.“ Betroffene Gemeinden bestätigen den Eindruck. Und das Unternehmen? Spricht von „Einzelfällen“. Wie berechtigt ist also die Kritik? Und vor allem: Soll Kitzingen dem verlockenden Angebot nachgeben?

Breitband ist die Zukunft, vor allem Unternehmen und Geschäftsleute brauchen schnelles Internet. Dass dann auch noch ein privater Betreiber kommt und ein solches Netz auf eigene Rechnung errichtet, „wird als sehr willkommen angesehen“. So stand es in einer Beschlussvorlage aus dem Rathaus an den Kitzinger Stadtrat. Weiter hieß es: „Daher kann die Stadtverwaltung dem Abschluss der vorgelegten Vereinbarung nur unterstützen und als zielführend bewerten.“

Im Rathaus ist keine Rede von den Problemen andernorts

Von den Problemen, die viele Kommunen mit der Deutschen Glasfaser hatten, stand in dem Papier nichts. Formuliert hat die Vorlage Alfred Teichmann. Auf Nachfrage im Rathaus sagt er: „Ich gehe davon aus, dass das, was im Vertrag zugesichert wird, später auch passt.“ Die Chance sei hier größer als das Risiko. Noch größer war aber die Skepsis im Stadtrat.

Die Deutsche Glasfaser wirbt auf einer Tafel mit 'Glasfaser für alle'. Das Unternehmen sieht sich als 'Marktführer im ländlichen Raum'.
Foto: Peter Zschunke, dpa | Die Deutsche Glasfaser wirbt auf einer Tafel mit "Glasfaser für alle". Das Unternehmen sieht sich als "Marktführer im ländlichen Raum".

Die „Vereinbarung zur Wegenutzung“ mit der Deutschen Glasfaser, ein juristisches Standardwerk, bestehend aus 17 Paragrafen, räumt dem Anbieter weitreichende Kompetenzen beim Ausbau ein. So ist in Paragraf 5 geregelt, dass die Deutsche Glasfaser den Trassenverlauf selbst bestimmt. Und Paragraf 7 besagt, dass die Kommune „kleinen Baumaßnahmen“ nicht einzeln, sondern „pauschal“ zustimmt. Für Andreas Moser (CSU) heißt das in der Praxis, dass die Stadt „komplett die Kontrolle darüber verliert, was mit den Straßen passiert“. Moser war im Juli nicht der einzige, der Bedenken vortrug. Manfred Paul (SPD) sagte, er sehe die Sicherungsübereignung „sehr kritisch“. Und Bürgermeister Manfred Freitag (FW-FBW) sprach von einem „großen Übel für Anlieger, wenn Straßen stümperhaft verschlossen werden“.

In Kitzingen sind Telekom und Vodafone am Start

Bislang sind in Kitzingen nur die Deutsche Telekom und Vodafone als Breitbandanbieter vertreten. Sie garantieren in der Regel ein Volumen von um die 400 Mbit/Sekunde. Was den Bereich darüber angeht, ist Kitzingen ein weißer Fleck. Das zeigt ein Blick in den Breitbandatlas des Bundes. Nur ein Prozent der Anschlüsse im Stadtgebiet verfügt demnach über eine Kapazität von mehr als 1000 Mbit/Sekunde. Die Deutsche Glasfaser garantiert solche Geschwindigkeiten im Gigabit-Bereich durch einen Ausbau im FTTH-Standard, bei dem Glasfaserkabel bis in jede einzelne Wohnung verlegt werden. Dadurch, so verspricht das Unternehmen, komme die volle Bandbreite bei den Nutzern an. Erklären sich mindestens 40 Prozent der Haushalte in einem Ausbaubereich bereit, anzuschließen, wird das Unternehmen aktiv.

In Geiselbach, einer 2200-Seelen-Gemeinde am Untermain, war diese Quote „sehr schnell“ erreicht, wie Andreas Jung, geschäftsleitender Beamter im Rathaus, gegenüber der Redaktion erklärt. „Mittlerweile sind wir bei 70 Prozent.“ Geiselbach war 2019 die erste von drei Kommunen im Kreis Aschaffenburg, die mit der Deutschen Glasfaser kooperierte. Jungs Fazit nach Abschluss des Projekts Ende 2020: „Die Technik funktioniert, aber der Weg bis dahin war einfach nur anstrengend.“

Die Deutsche Glasfaser hat keine eigenen Leute für den Straßenbau, sie beauftragt Firmen aus ganz Europa mit den Erdarbeiten. In Geiselbach war das ein Unternehmen aus Griechenland. Andreas Jung sagt, über so ziemlich alle Arbeiten habe die Gemeinde mit Argusaugen wachen müssen. Ein Vierteljahr hatte sie damit zu tun, Schäden aufzunehmen und Nacharbeiten zu reklamieren. „Die sind furchtbar flink, wenn Sie sie gewähren lassen.“

Mit den Erdarbeiten beauftragt die Deutsche Glasfaser externe Trupps, deren Qualität in vielen Gemeinden zu wünschen übrig lässt.
Foto: Sina Schuldt, dpa | Mit den Erdarbeiten beauftragt die Deutsche Glasfaser externe Trupps, deren Qualität in vielen Gemeinden zu wünschen übrig lässt.

Peter Seitz, der Bürgermeister der Nachbargemeinde Krombach, hat eher die gegenteilige Beobachtung gemacht: Arbeiten im Schneckentempo. Seit eineinhalb Jahren läuft in dem 2200-Einwohner-Ort die Breitbandverkabelung. Anfangs seien noch vier bis sechs Baukolonnen im Dorf zugange gewesen, Beschäftigte aus Süd- und Osteuropa und „nicht alles Fachkräfte“, wie Seitz betont. Als jetzt die Ferien losgingen, verabschiedeten sich die Arbeiter erst einmal in den Heimaturlaub. „Es hakt im Moment, nicht nur bei uns.“ Von dreieinhalb Kilometern Straße sei etwa die Hälfte verschlossen, „vielfach nicht fachgerecht“. Manche Stellen mussten drei- oder viermal wieder aufgegraben werden. Seitz sieht es so: „Es muss immer einer daneben stehen. Wir haben eigens einen Mann vom Bauhof dafür abgestellt.“

Auch Mömbris klagt über Probleme mit der Deutschen Glasfaser 

In Mömbris, 11 700 Einwohner groß und ebenfalls im Landkreis Aschaffenburg, hört man fast gleichlautende Worte. Die Ausbauphase sei sehr anstrengend, sagt Bürgermeister Felix Wisel, man müsse der Firma genau auf die Finger schauen. Der Aufwand für den Bauhof sei hoch. Fristen und Absprachen würden nicht eingehalten. „Dies muss immer vor Ort überprüft werden“, erklärt Wissel.

Dennis Slobodian kennt diese Geschichten. Für den Pressesprecher der Deutschen Glasfaser sind es „Einzelfälle“. Mehr als eine Million Privat- und Geschäftskunden hat sein Unternehmen hierzulande schon mit Glasfaser versorgt, in Bayern etwa 100 Kommunen. Die Deutsche Glasfaser, seit 2013 am Start, sei „Marktführer im ländlichen Raum“, sagt Slobodian im Gespräch mit der Redaktion. Und: „Gemessen an der Vielzahl unserer Kunden läuft alles glatt und reibungslos.“

Sieben Milliarden Euro stünden für den weiteren Ausbau bereit, die Geldgeber sind ausländische Investoren. Wer als Partner mit der Deutschen Glasfaser kooperiere, müsse „qualitativ hochwertige Arbeit“ leisten und werde „auf Herz und Nieren geprüft“, betont Slobodian. Werde morgens eine Straße geöffnet, sei diese in der Regel abends wieder verschlossen – provisorisch. „Das wird oft verwechselt mit dem Endzustand, aber das bleibt natürlich nicht so.“

In schmalen Gräben und nur etwa vierzig Zentimeter Tiefe werden wie hier in Erlabrunn (Kreis Würzburg) die Glasfaserleitungen verlegt.
Foto: Herbert Ehehalt | In schmalen Gräben und nur etwa vierzig Zentimeter Tiefe werden wie hier in Erlabrunn (Kreis Würzburg) die Glasfaserleitungen verlegt.

Fragt man Andreas Jung in Geiselbach, Peter Seitz in Krombach und Felix Wissel in Mömbris, ob sie nach ihren Erfahrungen wieder mit der Deutschen Glasfaser arbeiten würden, bekommt man überall dieselbe überraschende Antwort: Ja. Denn wenn das Netz erst einmal steht, stimmt die Qualität – und was wäre die Alternative? Der Preisvorteil gegenüber den Mitbewerbern ist enorm. Das sieht auch Andreas Jung in Geiselbach so. „Die Telekom hat gar nichts geliefert. Sie ist sogar vom Vertrag zurückgetreten.“

Nachbargemeinden, die mit der Telekom arbeiteten, hätten – nach Abzug aller Zuschüsse von Bund und Land – immer noch anderthalb Millionen Euro selbst bezahlen müssen. „Dafür kann ich mal die eine oder andere schlaflose Nacht haben.“ Die versprochenen 600 Mbit pro Sekunde kommen laut Jung auch im Rathaus an. „So schnell“, sagt er mit einem Lächeln, „kann ein Beamter gar nicht arbeiten.“

Und in Kitzingen? Hat der Stadtrat den Antrag erst einmal mit 24:6 Stimmen zurückgestellt. Zu viele Fragen seien offen, hieß es. Vom Tisch ist das Projekt damit nicht. Gut möglich, dass es die Deutsche Glasfaser doch noch auf den Weg bringen wird.

 
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  • Arcus
    Ich frage mich warum die Gemeinden nicht selbst die Leerrohre verlegen und dann diese Infrastruktur an den Meistbietenden vermieten.
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