Die Noten auf dem Zeugnis sehen nicht so gut aus und nun muss die Klasse wiederholt werden oder ein Vorrücken auf Probe steht an? Dann müssen oft die Sommerferien zur Vorbereitung herhalten. Aber wie können Eltern und Kinder es einerseits schaffen, den verlorenen Lernstoff nachzuholen und andererseits die Ferien zu genießen? Eine Beratungslehrerin und eine Schulpsychologin aus Volkach (Lkr. Kitzingen) geben Tipps.
Wie viele Schülerinnen und Schüler wiederholen ein Schuljahr?
Zahlen des Kultusministeriums zeigen, dass in den vergangenen Schuljahren deutlich weniger Schülerinnen und Schüler pflichtgemäß das Schuljahr wiederholt haben, aber viel mehr freiwillig wiederholten oder auf Probe vorrückten. Das gilt für ganz Bayern genauso wie auch für Unterfranken. Die Gründe dafür sind nach Angaben des Kultusministeriums vielfältig, aber vor allem das Vorrücken auf Probe sei in den vergangenen beiden Schuljahren wegen coronabedingter Einschränkungen beim Präsenzunterricht großzügig gewährt worden. Die Zahlen für das kommende Schuljahr werden erst im Frühjahr 2023 vorliegen.
Das Zeugnis fiel schlecht aus, vielleicht schlechter als erwartet. Was sollten Eltern nun tun?
"Grundsätzlich wäre alles idealerweise schon vorher gelaufen", sagt Stephanie Ebert, Beratungslehrerin am Franken-Landschulheim Schloss Gaibach (Lkr. Kitzingen). Zeugnisse fielen nicht überraschend schlecht aus: An sehr vielen Schulen gebe es Notenberichte im Dezember, Februar und Mai oder ein Halbjahreszeugnis im Februar. "Schüler müssen nicht heim und ihren Eltern das total überraschend beichten", sagt Ebert. Besteht jemand das Schuljahr nicht, bekommen Eltern außerdem einen Brief mit Empfehlungen der Klassenkonferenz. "Möglichst frühzeitig reagieren" ist die Bitte der Beratungslehrerin an die Eltern.
Was lässt sich noch tun, wenn die Entscheidung aufgeschoben wurde oder bis zuletzt einfach die Hoffnung da war, das Schuljahr doch noch zu bestehen?
Da gibt es mehrere Möglichkeiten: Nachprüfung, eine besondere Prüfung in der zehnten Klasse, das Schuljahr wiederholen oder ein Schulartwechsel. Außerdem kann die Lehrerkonferenz nach festen Kriterien darüber entscheiden, ob Schülerinnen und Schüler auf Probe ins nächste Schuljahr vorrücken dürfen.
Bis wann müssen sich die Eltern oder Schülerinnen und Schüler dafür spätestens entscheiden?
Auch hier gilt laut der Beratungslehrerin Stephanie Ebert: So bald wie möglich. Die Fristen zur Anmeldung der Nachprüfung laufen am Gymnasium schon in der ersten Ferienwoche ab, aber auch Schulartwechsel und Wiederholen sollten schnell gemeldet werden. Wenn die Klassenplanungen abgeschlossen sind, könnte es sein, dass beim Schulartwechsel beispielsweise die gewünschte Realschule keinen Spielraum mehr hat und das Kind an eine nahegelegene Realschule vermittelt.
Im nächsten Schuljahr gilt das gleiche: Wenn die erste Runde Schulaufgaben schlechter ausfällt, möglichst frühzeitig Hilfe suchen. Bis zum Halbjahr sei ein Wechsel in eine andere Klassenstufe gegebenenfalls noch möglich. Außerdem könnten sich die Schülerinnen und Schüler für externe Schulabschlussprüfungen anmelden, beispielsweise kann ein Gymnasiast auch extern den qualifizierenden Mittelschulabschluss mitschreiben. "Man kann vieles machen, aber die Fristen laufen im Laufe des Schuljahres ab", sagt Ebert.
Wenn eine Nachprüfung ansteht – ist es sinnvoll, die Prüfung zu machen und ins nächste Schuljahr zu wechseln, gerade auch im Hinblick auf verlorenen Stoff während der Pandemie?
"Die Nachprüfung rentiert sich tatsächlich, wenn es ein isoliertes Problem ist", sagt Ebert. Lücken in nur einem Fach beispielsweise seien vielleicht eher abgrenzbar und lassen sich nachlernen. Der Stoff fehle allerdings vor allem aus den zwei Jahren davor, in denen die Notengebung teils auch ausgesetzt war. "Man kann nicht in sechs Wochen den Stoff von drei Schuljahren nachholen in mehreren Fächern. Das ist unmöglich", sagt Ebert.
Ob das Wiederholen des Schuljahres dann die sinnvollere Variante sei, oder der Wechsel in eine andere Schulart, sei sehr individuell. "Wenn man wiederholt, besteht die Gefahr, dass es im nächsten Jahr nicht besser wird – einfach, weil es langweilig wird", sagt die Lehrerin. Ein Schulartwechsel könnte dem entgegenwirken, dürfe allerdings nicht als ein Scheitern wahrgenommen werden.
Wie können Eltern den Stress bei Nachprüfungen oder beim Vorrücken auf Probe verringern?
Die Schulpsychologin Anja Sterbling rät, mit einer festen Struktur und einem Plan zu arbeiten: "Die Zeit bis zur Nachprüfung aufzeichnen und dann konkret eine oder zwei Wochen durchstreichen – die sind Pause", sagt sie. In den verbleibenden Wochen sollten dann konkrete Tage und Zeiten zum Lernen eingeplant werden. Auch die Möglichkeit des Nicht-Bestehens sollten Eltern ansprechen: "Dem Kind bewusst machen: Auch wenn du durchfällst, ist das nicht so schlimm."
So könnten Eltern auf andere Stärken hinweisen, beispielsweise im Hobby-Bereich. Oder Vorteile aufzeigen, die das Wiederholen des Schuljahres mit sich bringt. "Natürlich muss man schauen, dass man auch Sommerferien hat. Das ist echt wichtig", sagt auch Stephanie Ebert. Jeden Morgen eine Stunde zu lernen und danach etwas Schönes zu machen, schlägt die Lehrerin beispielsweise vor. Sonst würde Schülerinnen und Schülern möglicherweise im September zum Schuljahresbeginn die Motivation ausgehen. Sterbling sagt auch: "Ganz egal wie das Zeugnis ausgefallen ist: Die Schüler haben ein Recht auf Pause, auf Ferienzeit."
Wenn die Entscheidung zum Wiederholen oder zum Schulartwechsel gefallen ist, was können Eltern tun?
Zuhören und im Gespräch sein mit dem Kind oder Jugendlichen, rät Schulpsychologin Sterbling. "Direkt fragen: Wie können wir dich unterstützen?" Die Unterstützung sei ganz individuell: An der neuen Schule könnte das Kind vielleicht an den ersten Tagen mit dem Auto abgeholt werden, statt mit dem Schulbus fahren zu müssen. Außerdem sei es wichtig, gut im Gespräch zu sein mit den neuen Lehrkräften.
Haben Schüler das vergangene Schuljahr gerade knapp geschafft, wird es wahrscheinlich auch im nächsten Schuljahr anstrengend bleiben. Wie können Eltern das abfedern?
Sterbling wirbt dafür, eine Grenze zu setzen - Weihnachten sei ganz gut, wenn die ersten Schulaufgaben geschrieben sind. "Da zu vereinbaren: Wenn die Leistungen wieder schlecht sind, vielleicht doch zurückzutreten", sagt sie. Ziele sollten möglichst konkret, transparent und realistisch sein; zum Beispiel im Halbjahr oder einfach nur in der nächsten Schulaufgabe eine Note besser zu sein.
Was können Eltern tun, wenn ihr Kind durch das Nicht-Bestehen des Schuljahres oder durch den Notenabfall total unmotiviert ist?
Nach einer Theorie aus der Psychologie stellt Anja Sterbling die Frage: Welche Faktoren beeinflussen meine Motivation zum Weiterlernen? "Das hängt damit zusammen, welche Ursachen ich den Erfolgen oder Misserfolgen zuschreibe", sagt sie. Günstig sei es, kontrollierbare Ursachen zu nennen. Beispielsweise, dass sich das Kind für eine Schulaufgabe einfach nicht ganz so sehr angestrengt hatte.
Ungünstig wäre es, eine geringe Begabung oder generelle Faulheit zu unterstellen. Auch wenn ein Fach immer schon schwierig war, lassen sich kontrollierbare Faktoren finden: "Du kannst das durch andere Stärken ausgleichen. Zum Beispiel weiß ich, dass du besonders ausdauernd bist", bietet Sterbling als Motivationssatz. Auch hier können sich Eltern wieder auf den Alltag beziehen, wie die Ausdauer beim Klassenerhalt des Fußballvereins oder Stärken aus anderen Schulfächern.
Was, wenn die Motivation trotz Lernplan nachlässt und sich das Lernen mit Frust verbindet?
Einfach in Ruhe noch einmal ein Gespräch zu führen, ist der Rat der Schulpsychologin, mit Fragen wie: "Was ist dir wichtig, was ist dein Ziel? Möchtest du diese Jahrgangsstufe bestehen und warum?" Wenn das klar sei, finde sich normalerweise auch Motivation. Dann müsse aber auch klar sein, was dafür zu tun sei. Die Schulpsychologin warnt allerdings: "Unvorbereitet in die Nachprüfung zu gehen, macht wenig Sinn. Das ist nur eine weitere enttäuschende Note."
Wären diese Lücken dann nicht bei allen Kindern gleich? Wäre eine Notengebung nicht doch sinnvoll gewesen? Nur durchwinken bringt genau die Situation vor der nun viele Eltern und Kinder stehen. Sie hat sich zeitlich lediglich verschoben.