Bereits seit 2011 ist der Weißstorch ein regelmäßiger und beliebter Gast in Geiselwind. Jedes Jahr brütet im Nest auf dem Dach der St. Burkhard-Kirche ein Storchenpaar. Diesmal sind drei junge Vögel geschlüpft. Für sie war die kalte und feuchte Witterung der vergangenen Wochen gefährlich. Dieses Jahr hat die Brut die kritischen Tage um die Eisheiligen Anfang Mai überstanden, wie sich beim Besuch vor Ort zeigte.
Der Zeitpunkt am Werktag scheint günstig. „Schnell! Wir müssen uns beeilen, der Altvogel ist gerade runter von den Jungen“, mahnt Geiselwinds Bürgermeister Ernst Nickel bei der Begrüßung zur Eile. Nickel ist der Storchenexperte in seiner Gemeinde. Alle zwei, drei Wochen steigt Nickel im Frühjahr und im Sommer hoch, um zu schauen, wie der Nachwuchs gedeiht. Dazu hat er immer den Fotoapparat dabei.
Nickel weiß einiges über die Vögel. Die meiste Zeit, erklärt er, sitze ein Elternteil auf den Jungen im Nest, um die Kleinen zu wärmen. Der Altvogel stehe nur für kurze Zeit auf, wenn gefüttert werde, oder wenn sich die Störche abwechseln bei der Futtersuche.
Also nichts wie in die Kirche, erst auf die Empore, dann über die Decke aus Holz vor zum Turm. „Achtung, Kopf einziehen“, warnt Nickel vor der schmalen Treppe. Gleich sind wir auf einer Ebene mit den Glocken, zwischen Zwei müssen wir uns durchzwängen.
Drei putzmuntere Jungtiere
Als letztes gilt es, eine hölzerne Leiter zu erklimmen, die gerade so breit ist, dass einer hochklettern kann. Bürgermeister Nickel kraxelt hinauf. Tatsächlich: Die Jungen sind zu sehen, sie sitzen putzmunter im Nest. „Da haben wir aber Glück“, sagt Nickel. Mit geschulten Blick stellt er fest: „Die sind schon ganz schön gewachsen. Der in der Mitte ist ziemlich groß“, beschreibt er die knapp drei Wochen alten drei Jungtiere. Dann darf der Reporter ran, um bei den idealen Bedingungen Bilder zu machen.
Im Turm erzählt Nickel von den Störchen. Ab und zu hört man das Klappern der Schnäbel. Das, so Nickel, sei meist das Zeichen, dass sie Hunger haben. Überhaupt hätten die Jungtiere ganz schön Appetit. „Die fressen Unmengen, so dass einer der Eltern immer Futter suchen muss“, so der Bürgermeister.
Störche sind Fleischfresser: Frösche, Mäuse, Würmer und so weiter. Bis zu 500 Gramm frisst ein Jungtier täglich. In Geiselwind ist der Tisch für ein Paar quasi gedeckt. „Unser Glück sind die Ebrachtalauen, die Bäche, Wiesen und Seen zwischen Gräfenneuses und Wasserberndorf“, weiß Nickel. Darum fühlen sich die schönen, langbeinigen, weiß-schwarzen Vögel in seiner Gemeinde wohl.
Störche als Attraktion
In den elf Jahren, seit die Tiere in Geiselwind nisteten, haben sie laut Nickels Aufzeichnungen dort für insgesamt 32 Junge gesorgt. Die Vögel sind zur Attraktion in der Gemeinde geworden. „Die Störche gehören schon dazu, wie das Freizeitland, oder das Eventzentrum“, so Nickel. Manchmal fahren sogar Reisebusse eine langsame Runde um den Turm, damit die Fahrgäste die Vögel sehen konnten, erzählt er.
In der Regel, so Nickel, sei es immer das gleich Paar, das alljährlich den Horst auf dem Kirchendach aufsuche. Das Männchen kehre meist früher aus dem Winterquartier zurück und warte dann auf seine Partnerin. Nach der Paarung schlüpft der Nachwuchs Ende April.
Seltenes Glück für den Fotografen
Danach dauere es bis etwa Ende Juli bis die Jungen das Fliegen lernen. „Die üben dann rund um die Kirche“, weiß Nickel. Schließlich würden sie noch zum Futter holen angelernt, ehe der Nachwuchs im September wegfliegt. Die Alten folgen meist im Oktober. Jedes Jahr im Winter wird die Plattform auf dem Turm, die als Nest dient, vom Bund Naturschutz gereinigt.
Schließlich folgt beim Besuch im Turm das Happy End. Kaum hat Bürgermeister Nickel sein Wissen weitergegeben, fliegt der zweite Altvogel von der Futtersuche an. Als er eintrifft, sind alle Fünf auf einmal im Nest zu sehen. „Da haben wir aber Glück! So etwas bekommt man äußerst selten vor die Kamera“, schwärmt Nickel. Der Fotograf hat die Bilder im Kasten und steigt zufrieden von der schmalen Leiter im Turm herab.