
Was, wenn man selbst oder ein Angehöriger plötzlich krank wird und Pflege benötigt – aber nirgendwo einen Pflegeplatz findet? Immer wieder stehen auch in Unterfranken Betroffene vor dieser Frage. Besonders prekär ist die Situation für Patientinnen und Patienten, die überdurchschnittlich viel wiegen. Der Fall einer Seniorin aus Schwarzenau im Landkreis Kitzingen hatte zuletzt Schlagzeilen gemacht.
Die Familie fand auch aufgrund des Übergewichts der Patientin kurzfristig im weiten Umkreis keinen Pflegeplatz. Kein Einzelfall. Worum es geht, was die Hintergründe sind und was das Problem in den Pflegeeinrichtungen ist, im Überblick.
Ab wann gilt ein Patient als schwergewichtig?
Eine Gewichtsgrenze ist nicht festgelegt. "Bis 130 Kilo braucht es keine Sonderausstattung", sagt Jürgen Oswald, Geschäftsführer der Krankenhäuser und Heime des Bezirks Unterfranken. "Das Gewicht alleine ist nicht entscheidend. Darauf kann man das Problem nicht reduzieren."
Eine Sonderausstattung werde in manchen Fällen auch bei weniger Gewicht eingesetzt, erklärt Alexandra Fischer vom Qualitätsmanagement der Klinik Kitzinger Land: "Es wird patientenbezogen reagiert, daher gibt es für 'Schwergewicht' keine Klassifizierung." Medizinisch relevant sei der Body-Mass-Index (BMI), der das Verhältnis von Gewicht und Körpergröße beschreibt. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO beginnt Adipositas, also Fettleibigkeit, mit einem BMI von 30.
Wo liegen die Probleme bei der Versorgung Übergewichtiger?
Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen mangelt es an Personal. Die Versorgung schwergewichtiger Patienten bindet oft nicht nur eine Pflegekraft, sondern mehrere oder zusätzliche Helfer. Jürgen Oswald nennt ein Beispiel: "Waschen bei 160 Kilo: Eine Person hält die Bauchschürze hoch, die zweite Person wäscht."
Auch für Heben und Drehen, etwa um Wundliegen zu vermeiden, seien mindestens zwei Personen oder zumindest Hebe-Hilfsmittel notwendig. Dies gilt auch für die Mobilisation der Patienten, also das Trainieren ihrer Muskulatur, sagt Qualitätsmanagerin Alexandra Fischer.
Vor allem im dünn besetzten Nachtdienst machten "schwere Fälle" dem Personal zu schaffen: "Obwohl die Pflegekräfte speziell darauf geschult sind, zum Beispiel rückenschonend zu arbeiten, belasten viele Tätigkeiten das Muskel-Skelett-System der Pflegenden."
Wie viele Pflegebedürftige mit Übergewicht gibt es?
Konkrete Zahlen gibt es den Einrichtungen zufolge nicht, doch die Anzahl Schwergewichtiger steige. Die AOK, mit einem Versichertenanteil von etwa 50 Prozent der Pflegebedürftigen die größte Pflegekasse Deutschlands, verweist auf eine aktuelle Studie der Fachzeitschrift "The Lancet", die vor einem "dramatischen Anstieg von Fettleibigkeit weltweit" warnt. Besonders Zahl der Älteren mit hohem Körpergewicht nehme deutlich zu.
Auch Georg Sperrle, Geschäftsführer der Caritas-Einrichtungen gGmbH in Würzburg, sagt auf Anfrage: "Übergewicht ist – wie auch in der Gesamtbevölkerung – im hohen Alter weit verbreitet. Dadurch stellt es mitunter auch in unseren Pflegeeinrichtungen ein relevantes Thema dar."

Wie kostet die Versorgung schwergewichtiger Menschen?
Die konkreten Kosten hängen von der Erkrankung ab und davon, was Betroffene noch selbst tun können, erläutert Jürgen Oswald vom Bezirk Unterfranken. "Klar ist aber, dass höhere Personal- und Sachkosten entstehen." Alexandra Fischer von der Klinik Kitzinger Land verweist darauf, dass oft Begleiterkrankungen mit Übergewicht einhergehen.
Wer bezahlt Hilfsmittel wie Hebevorrichtungen im Bad, spezielle Rollstühle oder Schwerlastbetten?
"Wir mieten solche Geräte in der Regel", berichtet Jürgen Oswald vom Bezirk Unterfranken. Zu einem Schwerlastbett gehöre immer eine Wechseldruckmatratze, um Wundliegen zu verhindern. Im häuslichen Bereich könnten solche Hilfsmittel verordnet werden, sie würden dann von der Krankenkasse bezahlt. In den Einrichtungen gehören die Hilfsmittel laut Oswald zur Infrastruktur und werden nicht gesondert durch die Kostenträger vergütet.
Die Klinik Kitzinger Land mietet spezielle Betten normalerweise, "weil sie sehr teuer sind", sagt Qualitätsmanagerin Alexandra Fischer. Eine gewisse Anzahl stehe im Krankenhaus immer bereit. "Spezielle Rollstühle und Aufstehhilfen sind als Klinikbestand vorhanden."
Müssen Einrichtungen eine bestimmte Zahl an Betten für Schwergewichtige bereithalten?
"Entsprechende Vorschriften gibt es nicht", heißt es auf Anfrage beim bayerischen Gesundheitsministerium. Es stehe "in der Verantwortung der Krankenhäuser selbst, entsprechende Ausstattung für Patienten mit besonderen Behandlungsanforderungen vorzuhalten", teilt ein Ministeriumssprecher mit.

Wer ist zuständig, wenn jemand plötzlich Pflege braucht, und an wen kann man sich wenden?
Zunächst sei jeder für sich selbst zuständig, dann sind es die Angehörigen oder Betreuer, heißt es beim Bezirk Unterfranken. In den meisten Landkreisen gibt es sogenannte Pflegestützpunkte, die anteilig vom Bezirk finanziert werden. "Diese Pflegestützpunkte beraten kostenlos und individuell zu allen Fragen rund um das Thema Pflege", erklärt Ute Döblinger, Leiterin des Kitzinger Pflegestützpunktes.
Ist ein Betroffener aktuell noch im Krankenhaus, kümmert sich in der Regel der Sozialdienst der Klinik im gesetzlich vorgeschriebenen "Entlassmanagement" zusammen mit Angehörigen und Kostenträgern um einen Pflegeplatz. "Nicht selten kontaktieren die Sozialdienste 80 bis 100 Einrichtungen", berichtet Jürgen Oswald. Nur wenige Heime bundesweit seien auf besonders schwergewichtige Patienten spezialisiert - entsprechend lang seien dort die Wartelisten.
Was passiert, wenn nirgends ein Pflegeplatz gefunden wird?
Zunächst bleibe der Patient im Krankenhaus, auch wenn die Klinik keine Vergütung mehr erhält, sobald die gesetzlich festgelegten Verweildauer überschritten ist, sagt Jürgen Oswald. Die Verweildauer richtet sich nach der Art der Erkrankung. Weil ihnen bei einem Überziehen Strafen drohen, seien die Kliniken bemüht, die Patienten zeitnah zu entlassen, erklärt Annika Behrend, Sprecherin der Klinik Kitzinger Land.
Was ist eine Übergangspflege und wann gibt es sie?
Gesetzlich Versicherte, die aus der Klinik entlassen werden sollen, aber noch nicht ausreichend fit für den Alltag daheim sind oder noch keinen Pflegeplatz haben, können maximal zehn Tage lang weiter auf Kosten der Krankenkasse in der Klinik gepflegt werden. Das Krankenhaus muss dann aufwändig dokumentieren, dass es keine andere Versorgungsmöglichkeit gibt. Nur wenige Kliniken würden deshalb eine solche "Übergangspflege" anbieten, sagt Jürgen Oswald.
Die Familie der Schwarzenauer Patientin hatte erst kurz vor Ablauf der Übergangsfrist einen Heimplatz gefunden. Wäre dies nicht geglückt, hätte die Kitzinger Klinik der Patientin auf Anraten der Krankenkasse nach Ablauf der zehntägigen Übergangspflege täglich 300 Euro in Rechnung gestellt, erklärt die Qualitätsmanagerin.
Grundsätzlich. (Also: unabhängig von Pflegebedürftigkeit.)