
Wie der Franke so ist – das soll an diesem Nachmittag noch öfter eine Rolle spielen. Er kann beispielsweise durchaus auch loben, was gemeinhin oft bestritten wird. Als Ministerpräsident Markus Söder aus dem Auto stieg, befand einer der Umstehenden: „Gardemaß hat er ja!“ Der Besuch in Gaibach (Lkr. Kitzingen) hätte also schlimmer anfangen können. In dem kleinen Volkacher Ortsteil stand Großes bevor: Es galt, 200 Jahre Bayerische Verfassung sowie 100 Jahre Freistaat zu feiern.
Dass Gaibach für ein paar Stunden zum Nabel Bayerns wurde, liegt daran, dass Graf Franz Erwein von Schönborn seinerzeit von der Demokratie und der Verfassung so begeistert war, dass er 1821 in seinem Schlosspark eine Konstitutionssäule und im Schloss einen Konstitutionssaal errichten ließ. Was seinem Nachfahren Paul Graf von Schönborn-Wiesentheid in die glückliche Lage versetzte, bei dem Doppel-Jubiläum als Gastgeber so ziemlich allen die Hand zu schütteln, die heutzutage im Freistaat etwas zu sagen haben – angeführt von Landtagspräsidentin Barbara Stamm und Florian Besold, dem Präsidenten der Bayerischen Einigung, einem Verein, der das Wissen um die staatspolitischen Grundlagen des Freistaats vertiefen möchte.
Leben und leben lassen

Im Konstitutionssaal drehte der Mann mit den Gardemaßen in einem Festakt die Zeit 200 Jahre zurück. Damals sei „eine der modernsten Verfassungen Europas“ entstanden. Seither präge „leben und leben lassen“ die bayerische Gefühlswelt und führe dazu, „ein bisschen anders zu sein als die anderen“, betonte Söder. Dabei vergaß er nicht, dezent darauf hinzuweisen, dass die Festrede aus berufenem Munde komme: Zum einen stehe er – spätestens seit dem Veitshöchheimer Fasching – Prinzregent Luitpold sehr nahe. Zum anderen kann er sich bis heute an seinem Doktortitel erfreuen, den er sich 1998 mit dem Thema „Von altdeutschen Rechtstraditionen zu einem modernen Gemeindeedikt“ sicherte.
Als Fachfrau erwies sich später auch die Kitzinger Landrätin Tamara Bischof, die später bei ihrem Grußwort noch einen drauf setzte und ganz unbescheiden gar davon sprach, dass „die Wiege der Verfassung im Landkreis Kitzingen“ stehe.
Bei dem gemeinsamen Fest des Bayerischen Landtages, der Staatsregierung und der Bayerischen Einigung zeigte sich Söder – ganz dem verfassungsgebenden Anlass entsprechend – in guter Verfassung. Da tat es auch nichts zur Sache, dass er beim Eintreffen kurz vor 17 Uhr mit „Guten Morgen!“ grüßte und irgendwie auch – wenn man das so sagen darf – ein ganz klein wenig zerzaust aussah. Launig ging's durch den Nachmittag. Nach der Festrede begab sich die Festgesellschaft einmal über die Straße zur Kirche. Und weil es just in diesem Moment gerade ein paar Tropfen regnete, zeigte sich, wofür die vielen Personenschützer auch taugen: als Regenschirm-Herbeischlepper.
Neben der Kirche wurde eine Verfassungslinde gepflanzt, die ein weiteres Gaibacher Wahrzeichen werden soll. Dann setzte sich auch schon der Festzug zur 1,5 Kilometer entfernten Konstitutionssäule in Bewegung – mit den Ehrengästen in einer Kutsche vorneweg. Und damit auch das für die Nachwelt festgehalten ist: Die Kutsche des Ministerpräsidenten zogen zwei echte Gaibacher, nämlich Wallach Libber und Stute Aisha, den Kappellenberg bis zur höchsten Erhebung an der Mainschleife hinauf.
Fast ein „Tag der Franken“
Spätestens dort im Festzelt war sie dann wieder anzutreffen – die fränkische Lebensart. Nicht nur durch die handelnden Personen war alles in fränkischer Hand. Wer zufällig vorbeischneite, durfte sich fast beim „Tag der Franken“ wähnen. Der Auftritt von König Ludwig I. (Jürgen Stockerl) brachte die Erkenntnis, dass „Franken wichtig ist, um den anderen den Schlendrian auszutreiben“. Und Söder ließ das Volk in seiner dann schon zweiten Gaibacher Rede wissen, dass „Bayern ohne Franken nicht so schön“ wäre. Außerdem sei der Franke „von edlem Gemüt“ – was ihn „von München unterscheidet“.
Überfülltes Festzelt

Mit derlei Sprüchen stahl Söder fast schon dem moderierenden Comedy-Duo Volker Heißmann und Martin Rassau die Show – besser bekannt als Waltraud & Mariechen. Was insofern verständlich ist, als ein Auftritt unmittelbar nach König Ludwig I. sowieso eigenen Regeln folgen muss. Für die drei anderen bayerischen Stämme – Schwaben, Altbayern und Sudetendeutsche – blieb aber auch noch genug Lob übrig: „In Bayern gehen die Uhren anders – sie gehen richtig!“, brachte Söder schließlich sogar noch Franz-Josef Strauß ins Festzelt.
Das war heillos überfüllt: Weit über 2000 Menschen waren an die Konstitutionssäule zu dem angekündigten „Bürgerfest“ gekommen. Viele warteten jedoch vergeblich auf Einlass. Erschwert wurde das Ganze durch eine – warum auch immer – fehlende Versorgungslage vor dem Zelt. Da hatte es sich dann mit dem edlen fränkischen Gemüt – viele zogen wutschnaubend wieder ab. Die Organisation war in diesem Bereich alles andere als ausgeschlafen. Was dazu führte, dass es auch zu vorgerückter Stunde immer wieder erklang – das „Guten Morgen!“