19.49 Uhr. Tamara Bischof legt los. Lobesworte für den Gastgeber. Dann geht es um Leerstände, Förderprogramme und Konversion. Um Wein. Das Würzburger Müllheizkraftwerk wird gestreift. Dann der 105-Millionen-Euro-Kreisshaushalt – erklärt in 24 Sekunden. Der Gesundheitsbereich mit Infos über die Klinik Kitzinger Land und die Geburtshilfe. Ein Schwenk in die Vergangenheit zu Alt-Bürgermeister Karl-Andreas Schlier. Weiter mit E-Tankstellen, Biotonnen, Landkreis-Schulen. Holzhackschnitzel. Pflegestützpunkte. Fast ohne Punkt, ohne Komma sowieso. Manchmal auch ohne Luft holen. Aus Tamara Bischof sprudelt es geradezu heraus. Wobei sich die klare Kernbotschaft in fünf Worten zusammenfassen lässt: Der Landkreis Kitzingen ist top.
Oft bleiben während den Wahlveranstaltungen für die Kommunalwahl der keine zehn Minuten für ihre Bewerbungsrede. In Obervolkach kann sie ihre Schnellsprech-Qualitäten heute etwas länger unter Beweis stellen. 20.17 Uhr muss dann auch Tamara Bischof mal Luft holen. Ob es noch Fragen gibt? Die gibt es oft. Das Interesse an der Wahl ist groß. "Die Menschen interessieren sich wieder mehr für Politik!", wird sie später im Gespräch sagen. Unter Applaus verlässt die Landrätin das KVO-Heim in Obervolkach, wo sich an diesem Donnerstagabend die Kandidaten der Freien Wähler an der Mainschleife den gut 60 Anwesenden präsentieren.
Tamara Bischof hat zu diesem Zeitpunkt schon einen ganz normalen Landrätinnen-Arbeitstag hinter sich. Das anschließende Abendprogramm hatte um 18 Uhr in Nordheim begonnen. Mitgliederversammlung der LAG (Lokale Aktionsgruppe). Tamara Bischof sitzt da, wo sonst Bürgermeister Guido Braun sitzt. Der 25-köpfige Kreis kümmert sich um europäische Fördergelder und darum, welche Projekte damit im Landkreis umgesetzt werden können. "Ja, meine Damen und Herren" ist eine typische Begrüßung, dann geht es zackig durch die Tagesordnung. So wie der Abschluss eines jeden Punktes einem eigenen Duktus folgt: "Hat jemand was dagegen? Das ist nicht der Fall! Vielen Dank!"
In jedem Thema drin
Klare Ansprache. Schnelle Zusammenfassung auch komplizierter Sachverhalte. Das macht es möglich, dass sich nahtlos der LAG-Steuerkreis anschließen kann. Selbst beim langweiligsten Thema kann Tamara Bischof interessiert schauen. Sie ist in jedem Thema drin, weiß sogar etwas über zisterziensische Klosterlandschaften zu sagen und um 19.01 Uhr ist auch das Steuerkreis-Programm abgearbeitet.
Auf nach Obervolkach. 19.30 Uhr heißt es dort Umschalten in Wahlmodus. Wo andere vom Zettel ablesen, setzt Tamara Bischof zu einer gewinnenden Rede an. Der angesprochene Ritt durch die Themen. Dann geht es weiter mit dem Ritt durch den Landkreis: Es geht an diesem Abend noch zu einer Freien-Wähler-Veranstaltung nach Nenzenheim ins Feuerwehrhaus. Das ist so ziemlich genau am anderen Ende des Landkreises, das Navi zeigt 32 Minuten Fahrzeit an. Also dreimal so viel wie später Redezeit ist.
Leberkäse für die Stimmung
Was während der Woche nach zeitlichem Wahnsinn klingt, wird an den Wochenenden nicht besser. Eher im Gegenteil. Jetzt warten zusätzlich noch die Vereine mit ihren Versammlungen. Und weil das noch nicht reicht, geht es an diesem Samstag mit einem E-Bus durch den Landkreis, gemeinsam mit den bekanntesten Gesichtern der Freien Wähler. In Marktsteft schmeißt die Landrätin eine Runde Leberkäse-Brötchen für die Mannschaft. Das hält bei Laune und fördert den Teamgeist. Später in Dettelbach gibt es Krapfen für alle. Zum Abschluss am Abend Bratwurst in Wiesentheid.
Dazwischen ein Halt in Kitzingen auf dem Marktplatz, wo neben den bekanntesten Gesichtern der Freien Wähler auch familiäre Unterstützung da ist. Tamara Bischofs Mann hält im Hintergrund die Fäden zusammen, organisiert und managt. Und Tochter Sabrina wirbt ebenfalls mit um Stimmen. Sie ist auf der Kreistagsliste der Freien Wähler auf Platz zwölf und steht inzwischen viele Wahlveranstaltungen gemeinsam mit ihrer Mutter durch. Die nimmt das erfreut zur Kenntnis: Das Interesse der 29-Jährigen an der Politik sorgt für ein Lächeln im Gesicht der Landrätin.
Freie Tage gestrichen
Dem Lächeln kann auch die harte Wahlkampf-Tour scheinbar nichts anhaben. Seit ihrer Nominierung Ende September in der Mehrzweckhalle Mainstockheim befindet sich die Dettelbacherin im Wahlkampf. Erst hat sie sich ihre Zehn-Minuten-Kampfrede zusammengebastelt, in der fast alle denkbaren Themen im Schnelldurchlauf auftauchen. Dann ging es in die unzähligen Versammlungen. Um die 200 dürften es am Ende sein, freie Tage sind bis zum Wahltag am 15. März gestrichen.
In ihrem vierten Landratswahl-Wahlkampf spielt Bischof ihre Routine aus. Wie schon zweimal zuvor, gibt es auch dieses Mal wieder einen Gegenkandidaten. In ihren Reden spielt das keine Rolle, das Thema wird neutralisiert. Etwas ist dann aber doch neu und anders: Erstmal geht es nicht alleine um die Landratswahl, diesmal ist sie wieder in die Kommunalwahl eingegliedert. Das sind noch die Auswirkungen des überraschenden Abgangs ihres Vorgängers, Siegfried Naser. Damals nutzte die Oberregierungsrätin und Abteilungsleiterin für "Baurecht und Umweltschutz" ihre Chance, kandidierte und wurde mit 59,2 Prozent der Stimmen gewählt.
20 Landrätinnen-Jahre später. Von Amtsmüdigkeit keine Spur. "Nachhaltig und innovativ" soll es weitergehen – einem Vierteljahrhundert als Landkreis-Chefin entgegen.