Beim 189. Oktoberfest in München wird im Hacker-Zelt, bei der Paulaner und der Bräurosl eine Schallmauer durchbrochen: Über 15 Euro, genau 15,10 Euro, kostet dort ab Samstag eine Maß Bier. Bremsen dürfte das den Durst der Besucher jedoch kaum. Vermutlich wird wie eh und je weit aufgeregter debattiert, ob die Maß gut eingeschenkt ist. Oder wie viele Schläge Oberbürgermeister Dieter Reiter wohl braucht, bis am Samstag, Punkt zwölf, beim Schottenhamel das Festbier fließt, bis „O’zapft is!“
Einen Augenblick später hat dann Elmar Henke, wie seit 2006 üblich, seinen großen Auftritt: Im Nymphenburg-Festzelt überreicht Sommerachs Ex-Bürgermeister einen Silvaner im überdimensionalen Weinglas an Stefanie Kuffler, die mit der Losung "Auf eine friedliche Wiesn" das turbulente Treiben in diesem Zelt eröffnet. Mit 2700 Gästen wird das Weinzelt auch heuer proppenvoll sein, die 1000 Gäste im Außenbereich nicht mitgerechnet.
"Wer heute das ganze Spektakel miterlebt, die Warteschlangen vor den 14 Festzelten, kann sich kaum vorstellen, wie ruhig es früher war", blickt Henke auf 1984 zurück, als die Winzergruppe Sommerach und die Stadtkapelle Volkach zum ersten Mal in München dabei waren.
Sommeracher Dörfler genießen das Großstadt-Flair
"Vor 40 Jahren waren bei unserem Einzug ins Weinzelt keine 50 Besucher da, und die Bedienungen waren froh, dass sie dank uns etwas zu tun hatten", erinnert sich Henke. Für viele der damaligen Mitreisenden sei es der erste Besuch beim Oktoberfest gewesen, für einige sogar der erste München-Trip ihres Lebens. "Das war schon etwas ganz Außergewöhnliches. Wir haben das großstädtische Flair genossen", sagt Henke.
Wie beschaulich es 1984 zuging, verdeutlicht der 70-Jährige anhand einer anderen Anekdote: "Ein paar von uns sind damals einfach so durch die Zelte marschiert, Platz gab es ja überall." Im Armbrustschützen-Zelt sei die kleine Gruppe dann Richard Süßmeier, damals Sprecher der Wiesn-Wirte, über den Weg gelaufen. "Er kannte mich von einer Weinprobe und hat nach einem kurzen Hallo gesagt: 'Kommt's Buam, ich bringe euch ein paar Maß Bier.'" Heutzutage unvorstellbar!
Beliebt war die Fahrt zum Einzug der Wiesn-Wirte, bei der die beteiligten Brauereien am Eröffnungstag mit prachtvoll geschmückten Pferdegespannen, Festwagen und Musikkapellen zur Theresienwiese zogen. Zustande kam sie, weil der Betriebsleiter des Weinzelts seinerzeit nach einer fränkischen Winzergruppe suchte, die den Umzug mitgestalten könnte. Elmar Henke arbeitete 1984 beim Fränkischen Weinbauverband, erhielt den Anruf – und nutzte diese Chance für seinen Heimatort.
Winzergruppe aus dem Boden gestampft
Der Chef des Weinbauvereins Sommerach, Josef Drescher, gründete danach im Eilverfahren eine "Winzergruppe". Drescher war von der Premiere 1984 bis 2005 der Reise-Organisator. Henke wiederum war Musiker bei der Stadtkapelle Volkach, "und meine Kollegen hatten ebenfalls große Lust, nach München mitzufahren." Bis 2004 war die Stadtkapelle mit von der Partie, ehe dieser Part neu vergeben wurde.
Die Winzer aus Sommerach jedoch werden am Samstag wieder dabei sein, im 40. Jahr. Inzwischen organisieren Wolfgang Engert und Gertrud Friedrich die Fahrt zum Oktoberfest, bei der das alljährliche Prozedere gleichgeblieben ist: Start um 5 Uhr in Sommerach, Frühstück um 8.30 Uhr im Spatenhaus und dann Aufbau am Max-Josefs-Platz.
Wo die Zapfanlage versteckt ist
"Unser Bekanntheitsgrad ist inzwischen groß. Es ist wichtig, dass Sommerach, die Region und der Frankenwein präsent sind", sagt Elmar Henke vor dem Jubiläum. Wie seit 1984 üblich, wird das geschwungene Schild "Fränkische Winzergruppe Sommerach/Main" vorneweg zur Theresienwiese getragen.
Das Wägelchen mit dem übergroßen Bocksbeutel vom Katzenkopf wird von manchen Schaulustigen auch deshalb sehnsüchtig erwartet, weil es über eine einsatzfähige Zapfanlage verfügt. Den Silvaner darin gibt’s zum Wiesn-Auftakt wie immer umsonst – das Bier später ist ja kostspielig genug.