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SOMMERACH
Als die Wiesn noch nicht überfüllt war
Norbert Hohler
Norbert Hohler
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:14 Uhr

Wer die Schwarz-Weiß-Bilder von 1984 anschaut, mag es fast nicht glauben: Ein Oktoberfest ohne überfüllte Zelte, lange Warteschlangen, abartiges Gedränge – heutzutage kaum mehr vorstellbar.

Und doch war es vor 32 Jahren so, als sich eine fröhliche Reisegruppe aus Sommeracher Winzern und der Stadtkapelle Volkach Richtung München aufmachte, um beim Einzug der Wiesn-Wirte mitzumischen. Der hatte 1887 Premiere, und seit 1935 ziehen alle beteiligten Brauereien mit prachtvoll geschmückten Pferdegespannen, Festwagen und Musikkapelle am Eröffnungstag gemeinsam zur Theresienwiese.

Das Weinzelt der Nymphenburg-Sektkellerei spielte lange Zeit eher eine Nebenrolle. „Eines Tages fragte mich dann der Betriebsleiter des Weinzelts, ob ich nicht eine fränkische Winzergruppe kenne, die den Umzug gestalten könnte.“ Sommerachs Bürgermeister Elmar Henke arbeitete damals beim Fränkischen Weinbauverband – und erkannte sofort die Chance für seinen Heimatort. Schnell war Josef Drescher überzeugt, der Chef des Weinbauvereins. „Und schon damals war ich Musiker bei der Stadtkapelle Volkach. Meine Kollegen hatten ebenfalls große Lust, nach München mitzufahren.“

Um fünf Uhr Start in Sommerach, um 8.30 Uhr Frühstück und Aufbau am Max-Josefs-Platz, dann am Rathaus vorbei zum Sendlinger Tor, wo sich alle Brauereien treffen. Und von dort der Umzug auf die Theresienwiese: All das ist von 1984 bis heute so geblieben. „Genau wie das Schild 'Winzergruppe Sommerach' und das Wägelchen mit dem übergroßen Bocksbeutel vom Katzenkopf, natürlich mit einsatzfähiger Zapfanlage.“

1984 war es für viele Mitreisende der erste Besuch beim Oktoberfest, für Viele gar der erste München-Trip. „Wir haben das großstädtische Flair genossen“, erzählt Henke. Knapp die Hälfte der Mitfahrer der ersten Stunde leben nicht mehr, „auch mein Vater war dabei“, so Henke. Obwohl es viele Wiederholungstäter gibt, Rupert Weikert und Josef Drescher sogar 30 Mal dabei waren, kamen inzwischen rund 120 Sommeracher oder befreundete Gäste in den Genuss des Umzugs mit Festbesuch.

Ausgefallen ist der Zug nur 2001, nach dem Anschlag auf das World Trade Center. Und – toi, toi, toi, passiert ist auf der Tagestour mit HZ-Reisen Sommerach auch noch nie Schlimmeres: Ob einer vergessen wurde, zum Ausnüchtern ins Krankenhaus musste, durch Schlägereien außer Gefecht war – Henke verneint. Hat dort vielleicht jemand seine Frau verloren, oder gar die Frau fürs Leben gefunden? Wieder nein, sagt der 60-Jährige und lacht. Ein echter Medienkracher ist Henke 2006 mit seiner Idee geglückt, dass er Festwirtin Doris Kuffler einen übergroßen Schoppen mit Silvaner überreicht – und sie damit das Weinzelt eröffnet. Seinerzeit war in der Münchner Abendzeitung in Riesenlettern „O'zapft is“ auf der Titelseite zu lesen, mit einem Riesenfoto der beiden darunter. „Sogar der Christian Ude hat sich erkundigt, wer ihm da die Show gestohlen hat. Solange er Münchner OB war, haben wir uns danach jedes Jahr getroffen.“

Wie lange die Sommeracher noch nach München eingeladen werden, steht in den Sternen. „Zu Doris Kuffler besteht eine gewachsene Freundschaft“, erzählt Henke, der hofft, dass die Seniorchefin des Münchner Unternehmens demnächst die Zeit für einen Sommerach-Besuch findet.

Indes hätte Henke Verständnis, falls der Umzug irgendwann neu strukturiert werden sollte. So wie 2004, als die Volkacher Stadtkapelle ersetzt wurde. Nicht jedoch die Sommeracher Winzer, die am 17. September erneut nach München fahren. „Und solange wir eingeladen werden, sind wir gerne dabei.“

Die Ausstellung „Sommeracher Winzer 30 Jahre beim Oktoberfest“ wird am Samstag, 3. September, um 16 Uhr eröffnet und in der Rathaushalle nur bis Sonntagabend gezeigt. Zu sehen sind Gegenstände und Kleidung, die zum Umzug gehören, Fotos und Zeitungsausschnitte, Teilnehmerlisten, die offiziellen Maßkrüge ab 1989, vieles mehr.

Erleben und Genießen

In Sommerach öffnen 20 Weingüter, Winzer- und Handwerksbetriebe am nächsten Samstag und Sonntag (3./4. September/11 Uhr) ihre Tore, bieten Künstlerisches, Kulinarisches und Musikalisches. Es gibt zum Beispiel Weinverkostungen, Live-Musik, Führungen – ja sogar ein Hybrid–Auto kann getestet werden. Unter dem Motto „Sehen und Staunen“ gibt es eine Entdeckungsreise zu Fuß durch den Ort, mit Weinempfang im Rathaus als Abschluss. Dort startet die eineinhalbstündige Tour (acht Euro/Kinder frei) am Samstag um 15 Uhr sowie am Sonntag um 11 Uhr. NOH
Begleitete viele Jahre den Einzug der Sommeracher Winzer aufs Oktoberfest: Die Stadtkapelle Volkach, hier im Jahr 1997.
Foto: ArchivMichael Stössel | Begleitete viele Jahre den Einzug der Sommeracher Winzer aufs Oktoberfest: Die Stadtkapelle Volkach, hier im Jahr 1997.
 
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