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Kitzingen
Schutzschirmverfahren Franken Guss: So kämpfen Politiker und Gewerkschaft für den Industriestandort Kitzingen
Runder Tisch: Die wirtschaftlich schwierige Lage der Gießerei vereint Belegschaft, Gewerkschaft und Politik. So wollen sie Franken Guss helfen, die Krise zu bewältigen.
Die Kitzinger Gießerei Franken Guss befindet sich wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten in einem Schutzschirmverfahren. 
Foto: Thomas Obermeier | Die Kitzinger Gießerei Franken Guss befindet sich wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten in einem Schutzschirmverfahren. 
Andreas Brachs
 |  aktualisiert: 01.07.2024 02:37 Uhr

Die Kitzinger Gießerei Franken Guss und ihre Schwester Sachsen Guss sind in wirtschaftlichen Schwierigkeiten: Hohe Kosten für Strom und Gas belasten das energiehungrige Doppel-Unternehmen ebenso wie nicht auskömmliche Preise bei seinen Produkten für die Automobil-Branche. Daher hat die Gießerei im April ein Schutzschirmverfahren eröffnet, einen Vorläufer der Insolvenz, bei dem Besitzer Josef Ramthun versucht, den Betrieb in Eigenregie zu sanieren.

Unterstützung findet der Gießerei-Chef bei seiner Belegschaft, dem Betriebsrat, der IG Metall und der Kreis- und Landespolitik. Deren Vertreter trafen sich am Donnerstag im Hotel Cavallestro in Kitzingen, um Möglichkeiten für den Erhalt des Betriebs und letztlich des ganzen Industriestandorts Kitzingen zu besprechen.

Im Vorfeld hatte die IG Metall 2500 Unterschriften für ihr Anliegen gesammelt und konkrete Forderungen formuliert, wohl um die Politik von der Notwendigkeit des Handelns zu überzeugen. Doch das war nicht nötig: Die Landtagsabgeordneten Barbara Becker (CSU), Patrick Friedl (Grüne) und Volkmar Halbleib (SPD) sowie die stellvertretende Landrätin Susanne Knof (Freie Wähler) waren gekommen, um parteiübergreifend mit den Arbeitnehmern an einem Strang zu ziehen. Schließlich stehen 650 Arbeitsplätze im Feuer. Und mit ihnen geht es um das Wohl und Wehe von fast ebenso vielen Familien sowie von zuarbeitenden Handwerksbetrieben.

Der Runde Tisch war nötig, weil die Probleme vielschichtig sind und nicht nur auf einer Ebene gelöst werden können, wie die Diskussion zeigte. Manche betreffen den traditionsreichen Industriestandort Kitzingen insgesamt. Dessen "gute, weil tarifgebundene Arbeitsplätze" in den großen Betrieben will die IG Metall erhalten, erklärte deren Erster Bevollmächtigter, Norbert Zirnsak. 

IG Metall: Energiewende ja, aber mit Maß und Förderung

Die IG Metall, der Betriebsrat von Franken Guss, Kreis- und Landespolitiker kämpfen gemeinsam für den Erhalt der Kitzinger Gießerei. Von links: Betriebsrätin Sandra Paul, MdL Volkmar Halbleib, IGM-Bevollmächtigter Norbert Zirnsak, MdL Barbara Becker, Betriebsratsvorsitzender Erich Mirnig, MdL Patrick Friedl, DGB-Regional-Geschäftsführer Frank Firsching, stellvertretende Landrätin Susanne Knof, Landkreis-Wirtschaftsförderer Frank Albert und Betriebsrat Manfred Baier.
Foto: Andreas Brachs | Die IG Metall, der Betriebsrat von Franken Guss, Kreis- und Landespolitiker kämpfen gemeinsam für den Erhalt der Kitzinger Gießerei.

Zirnsak betonte, dass die Energiewende und die angestrebte klimaneutrale Produktion begrüßenswert seien, aber die Politik müsse den Betrieben die Zeit geben, sich dem anzupassen und konkurrenzfähig zu bleiben. Sonst würden Arbeitsplätze mittelfristig in den Osten, nach Nordafrika oder in die USA ausgelagert werden.

Der Gewerkschafter konkret: Franken Guss brauche Investitionen von 70 Millionen Euro, um von den Energieträgern Gas und Koks auf klimaneutrale Formen umzustellen. Die Gießerei habe den Strombedarf von umgerechnet 40.000 Haushalten. Bei einem Jahresumsatz von rund 120 Millionen Euro sei das aus eigener Kraft nicht zu schaffen. Zirnsak forderte einen Fördertopf des Freistaats für die stark energieabhängigen Gießereien in Bayern. 

Kurzfristig brauche es niedrigere Strompreise, ergänzte Betriebsratsvorsitzender Erich Mirnig. 2018 habe Franken Guss noch fünf Millionen Euro für den Jahresenergieverbrauch aufgewendet, rechnete er vor. Heute seien es 21 bis 23 Millionen Euro – eine Vervierfachung innerhalb von sechs Jahren. "Das bezahlt uns kein Kunde", sagte Mirnig mit Blick auf die Verkaufserlöse.

Landespolitiker wollen sich für eine staatliche Förderung einsetzen

Im Ausland würden ganz andere Energiepreise aufgerufen, erklärte der Arbeitnehmervertreter: "Da können wir nicht mithalten." Mirnig betonte: "Die Energiewende ist richtig, aber sie muss umsetzbar sein. Und die Leute müssen ihre Arbeitsplätze behalten."

Barbara Becker wies auf die Rolle der Automobilindustrie hin, die Zulieferern wie Franken Guss die Daumenschrauben ansetze. "Das hat die Grenze des Anständigen überschritten", sagte die Landtagsabgeordnete. Becker will sich für einen Fördertopf für die bayerischen Gießereien einsetzen, verwies aber auch auf ähnliche Begehrlichkeiten der Pharma- und Chemie-Industrie.

Die Flaute bei den deutschen Herstellern von Elektro-Autos schlägt auf die Zulieferer durch, erklärte Zirnsak: "Am Ende des Tages muss Geld verdient werden, aber die Luft zum Atmen wird immer dünner." Franken Guss habe in Erwartung des Zukunftsmarktes 50 Prozent seiner Aluguss-Produktion auf die E-Mobilität ausgerichtet. Entsprechend stark schlagen nun die Nachfrage-Rückgänge zu Buche.

Patrick Friedl zufolge ist der Energiepreis-Anstieg bereits gestoppt oder gar umgekehrt. Er hält einen Festpreis für eine mögliche Hilfe. Zugleich fragte Friedl nach dem Stand des Netzausbaus, denn am Ende müsse die regenerative Energie auch die Unternehmen erreichen können.

Volkmar Halbleib bekannte sich zur großen Bedeutung der Industriearbeitsplätze und redete einem Ausbau von regenerativen Energien, von Netzen und Speichern das Wort. Dabei müssten die Zuständigkeiten von Bund, Freistaat und kommunaler Ebene ermittelt werden. Auch er sah einen Ansatz in einem staatlich subventionierten Strompreis sowie in Förderprogrammen des Bundes und des Freistaats. Die drei Abgeordneten sagten zu, sich gemeinsam für Hilfen zu engagieren.

Der Landkreis setzt auf den Ausbau von alternativen Energien in der Region

Bei Franken Guss stehen bis zu 650 Arbeitsplätze im Feuer. Das Unternehmen steckt derzeit in einem Schutzschirmverfahren.
Foto: Claudia Lehner | Bei Franken Guss stehen bis zu 650 Arbeitsplätze im Feuer. Das Unternehmen steckt derzeit in einem Schutzschirmverfahren.

Der Landkreis will den Unternehmen mit dem Ausbau alternativer Energien durch seine Energieagentur helfen, in der sich Energieversorger, Netzbetreiber und zwei Drittel der Landkreis-Kommunen organisiert haben, erklärte stellvertretende Landrätin Susanne Knof. Während die Windkraft wegen ihrer Privilegierung vielerorts ohne Zutun der Städte und Gemeinden gebaut werden könne, brauche es für Photovoltaik-Anlagen deren Mitwirkung. 

Frank Albert, Wirtschaftsförderer im Landratsamt, richtete den Appell an die Politik, konkrete Projekte zu fördern. Die Unternehmen wüssten am besten, was sie brauchen. So wolle zum Beispiel das geplante Technologie-Transfer-Zentrum im Landkreis mit seiner Forschung die Wirtschaft unterstützen.

Am Ende zeigte sich die Runde zufrieden mit diesem ersten Austausch. Für die Rettung der Gießerei will nun jeder seine Hausaufgaben machen.

 
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  • Edi Prötzel
    das hat leider auch was mit freier Marktwirtschaft zu tun
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  • Peter Koch
    "Das hat die Grenze des Anständigen überschritten" sagt die Frau Becker, ganz richtig, zum Verhalten der Automobilindustrie. Ganz falsch meint sie aber, dass dagegen ein Fördertopf helfen soll. Man muss der Automobilindustrie den Zugang zu Billigstzulieferern verstellen. Wer "Made in Germany" auf die Karre schreibt soll gefälligst "Made in EU" einkaufen müssen.
    Und was macht Aiwanger? Er glänzt durch Abwesenheit und Reden gegen die E-Mobilität.
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