„Emotionen, Emotionen, Emotionen!“ Landtagspräsidentin Barbara Stamm ist am Rosenmontagabend überwältigt und schüttelt immer wieder ungläubig den Kopf. Die Karnevalsgesellschaft (KiKaG) hat ihr soeben in Kitzingen den Schlappmaulorden überreicht, Politiker-Kollege Wolfgang Bosbach seine freundschaftliche Laudatio beendet, und dann erwartet sie eine Überraschung, die sie in die Knie sinken lässt: Die „Gebrüder Narr“, als Fasenachter längst im Ruhestand, haben sich noch einmal vereint, um „der Barbara“ ein Ständchen zu singen.
Bisher nicht als Schlappmaul aufgefallen
Der Reihe nach: Die KiKaG hat die Würzburger CSU-Politikerin Barbara Stamm zum „Schlappmaul“ dieser Session ernannt. Eine Auszeichnung, die an Prominente aus Politik und Show geht und deren „lockere Zunge“ und „schlagkräftiges Wort“ ehren soll. Als Schlappmaul ist Stamm zwar noch nicht aufgefallen, aber für klare Worte ist sie allemal. Zugleich ist der Narrenorden eine Anerkennung für die Verbundenheit Stamms mit der heimischen Fastnachtsfamilie – eine Ehrung für ihr närrisches Lebenswerk sozusagen. Seit Jahrzehnten ist sie der TV-Sendung „Fastnacht in Franken“ treu.
In Kitzingen gilt sie überdies als Mutter des Deutschen Fastnachtmuseums. Stamm, so unterstreicht Bernhard Schlereth, Präsident des Fastnacht-Verbands Franken, habe dafür gesorgt, dass die deutschlandweit bedeutsame Einrichtung nicht in eine der Karnevalisten-Metropolen im Rheinland abgewandert sei, sondern in Unterfranken bleibe. Für die Finanzierung habe Stamm elf verschiedene Förderprogramme angezapft.
Mit ihrer Ehrung ist der KiKaG ein echter Coup gelungen. Ausgerechnet in dem Jahr, in dem Stamm wegen Koalitionsverhandlungen nicht zum närrischen Heimspiel nach Veitshöchheim kommen kann, ist sie der Mittelpunkt der Kitzinger Prunksitzung, in der viele Bühnenstars aus Veitshöchheim auftreten.
Eher gütig als streng
Der Kölner CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, Ordensträger aus dem Vorjahr, hält die Laudatio auf seine Nachfolgerin: Ihrem Sternzeichen Skorpion nach wäre sie als Geheimagentin oder Extrembergsteigerin geeignet, hat er nachgelesen. Bosbach, den eine Freundschaft mit Stamm verbindet, lobt ihre „Bodenständigkeit, Herzlichkeit und Trinkfestigkeit“.
Sie besteche durch „Klugheit, Charme und Manieren“. Die gelernte Erzieherin, urteilt Bosbach, „führt selten ein strenges Regiment“ im Landtag, sondern zeichne sich durch „große Güte“ aus. „Sie hat ein Herz für alle Leute“, fasst Bosbach zusammen und reimt: „Barbara ist wunderbar.“
Noch nie in der Bütt gesprochen
Stamm ist gerührt und räumt in ihrer Replik ein: „Ich stand schon an vielen Rednerpulten, aber noch nie in einer Bütt.“ So hält sie keine Büttenrede und das Schlappmaul gibt sie schon gar nicht. Dafür plaudert sie locker über das historische Treffen mit Franz Josef Strauß, der sie 1987 zur Arbeits- und Sozialministerin berief: „Mich Widerspruchsgeist wollen Sie in Ihrer Regierung haben?“, hat Stamm damals gefragt.
„Sie sind für meine Leberkäs-Etage verantwortlich“, habe Strauß geantwortet. Stamm sollte die CSU des kleinen Mannes verkörpern. Und tatsächlich füllt sie diese Rolle bis heute aus.
Lob auf den Laudator
Mit Bosbachs karnevalistischen Reden „kann ich nicht mithalten“, bekennt Stamm freimütig. Stattdessen dreht sie den Spieß um und lobt den Laudator, der für sie auf den Rosenmontag in Köln verzichtet habe. Bosbach könne seine Auftritte in Talkshows wohl kaum mehr zählen, aber was Stamm bewundert: „Du kannst auch aufstehen und gehen, wenn dir jemand nicht passt.“ Damit spielt sie auf eine TV-Sendung im Jahr 2017 an, als Bosbach im Streit mit Jutta Ditfurth die Talkrunde verließ.
Künftig auch Frauen im KiKaG-Elferrat?
Am Ende fasst Stamm doch noch ihren Mut zusammen und stellt den versammelten KiKaG-Frackträgern auf offener Bühne eine freche Frage: „Ist der Elferrat nächstes Jahr auch so männlich geprägt, oder gibt es dann auch Frauen?“ Der Hieb sitzt. KiKaG-Präsident Rainer Müller murmelt zwar etwas von Traditionsbruch, gesteht aber: „Ich hätte nichts dagegen.“
Stamm: „Ich bin einfach hin und weg“
Dann aber verursacht eine Altherren-Riege weiche Knie beim neuen Schlappmaul: Die „Gebrüder Narr“ aus Karlstadt (Main-Spessart-Kreis) haben ihre Narrenuniform längst an den Nagel gehängt, doch an diesem Abend betreten sie wie ehedem so oft im Gänsemarsch die Bühne und besingen im schwarzen Frack die Abendgarderobe von Barbara Stamm. Doch statt sie wieder mit dem „blauen Kleid“ zu necken, raten sie in Anlehnung an Binos Schlager „Mama Leone“: „Mama, geh ohne“. Als Sänger Bruno Gold dazu einen Kniefall zelebriert, kniet auch Stamm nieder und umarmt ihn herzlich.
„Das machen wir nur für unsere Barbara; seit 30 Jahren gehört sie zu unserer Fastnachts-Crew“, erklärt Gold in Anspielung an die vielen Nächte, die das Quartett mit Stamm in Veitshöchheim durchgefeiert hat. Da ist auch ein Schlappmaul fast sprachlos: „Ich bin einfach hin und weg“, sagt Stamm noch. „Ich kann gar keine Worte finden.“
Das muss sie spätestens am Rosenmontag 2019, denn dann muss sie die Laudatio auf den nächsten Schlappmaul-Ordensträger halten.