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Kitzingen
Schamlosigkeit und Unverständnis gegenüber Rettungskräften: Kitzinger "Blaulichtkampagne" soll helfen
Das haben Polizei, Feuerwehr, BRK und THW erlebt: Rettungskräfte trafen auf uneinsichtige, pöbelnde Bürger. Wie die "Blaulichtkampagne" in Kitzingen das ändern will.
Steffen Krauß (BRK, von links) , Jochen Göhring (Polizei), Marco Denninger (Feuerwehr) und Daniel Bonic (THW) sind Vertreter der Blaulichtkampagne in Kitzingen.
Foto: Viktor Meshko/Atelier Zudem | Steffen Krauß (BRK, von links) , Jochen Göhring (Polizei), Marco Denninger (Feuerwehr) und Daniel Bonic (THW) sind Vertreter der Blaulichtkampagne in Kitzingen.
Melissa Sauer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:33 Uhr

Mit Sirene eilen sie zu den Einsatzorten, um Menschen zu helfen – die Kitzinger Blaulichtfamilie, Freunde und Helfer in Uniform. Häufig geraten die Ehren- und Hauptamtlichen des BRK, THW, der Polizei und der Feuerwehr jedoch in Kontakt mit Passanten, die ihnen wenig Verständnis für Unannehmlichkeiten im Zuge des Einsatzes entgegenbringen. Schaulustige behindern den Verkehr, Unzufriedene pöbeln und beleidigen.

Die Stadt Kitzingen startet daher nun eine "Blaulichtkampagne", wie das Rathaus-Magazin ankündigt. Das Ziel des Projekts: die Häufigkeit solcher Situationen künftig zu verringern und Passanten für die Wichtigkeit des respektvollen Umgangs mit den Beamtinnen und Helfern zu sensibilisieren.

Vertreter der Feuerwehr, Polizei, des Technischen Hilfswerks (THW) und des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) wollen gemeinsam mit der Unterstützung der Bewohnerinnen und Bewohner Kitzingens die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf das Thema lenken. Das soll durch Plakate in der Stadt und Videos auf den Social-Media-Kanälen der beteiligten Organisationen und des Rathauses geschehen. Wir haben mit vier Teilnehmern und Vertretern der Gruppen über ihre Erlebnisse an Einsatzorten gesprochen.

Polizei: Statt Verständnis gibt es Diskussionen

Die Mehrheit der Mitbürger reagiert laut Polizist Jochen Göring positiv auf polizeiliche Einsätze. Jedoch gebe es viele Menschen, die Videos von Unfällen machen, Straßensperrungen nicht akzeptieren oder Polizisten beleidigen.

"Statt bei einem Unfall erste Hilfe zu leisten, wird lieber das Handy gezückt, ein Video erstellt und hochgeladen."
Jochen Göring, Polizei

Er erinnert sich an einen Wohnhausbrand an einer stark befahrenen Straße im Hochsommer. Mehrere Stunden war die Straße gesperrt. Das habe unter vielen Autofahrern Diskussionen mitten auf dem Kreuzungsbereich veranlasst, der Verkehr war nahezu gänzlich lahmgelegt. "Die Uneinsichtigkeit und das Beharren auf 'Ich muss da aber jetzt rein fahren' zehrt an der Substanz der Einsatzkräfte", erklärt Göring. Anfang des Jahrhunderts war der Bürger seiner Meinung nach noch hilfsbereiter und verständnisvoller. Heute erlebt der Polizist: "Statt bei einem Unfall erste Hilfe zu leisten, wird lieber das Handy gezückt, ein Video erstellt und hochgeladen."

Feuerwehr: Trotz Hubschrauber keine Geduld

Marco Denninger von der Freiwilligen Feuerwehr Kitzingen klagt ebenfalls über das Unverständnis mancher Menschen. Sie verstünden teilweise nicht, wie ernst ein Einsatz sei und glaubten es den Einsatzkräften nicht. Dass Leute beim Vorbeilaufen zum Unfall schauen, sei nicht das Problem, solange sie nicht weiter gaffen, wenn man sie darauf hinweise.

Er denkt an einen großen Einsatz mit Hubschrauber zurück: "Der Helikopter stand mitten auf der Straße und trotzdem haben manche Leute nicht begriffen, warum sie da nicht durchfahren können." Dann habe er sich anhören müssen, dass sie "da doch jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit durchfahren". Viele Diskussionen folgten.

Es gebe sogar Menschen in solchen Situationen, die tatsächlich nochmal anfahren und weiterhin versuchen, durchzukommen. "Da muss man dann nochmal einen Schritt vors Auto gehen, damit sie dich wirklich umfahren müssten", sagt Denninger – und lacht.

THW: Autofahrer schleichen vorbei, um Fotos zu machen

"Autos schleichen auf Autobahnen an Einsatzorten vorbei, um Fotos und Videos zu machen.", erzählt Daniel Bonic vom Technischen Hilfswerk Kitzingen. Das sei häufiger zu beobachten und behindere den Verkehr enorm. "Ich würde mir wünschen, dass die Leute uns einfach unsere Arbeit machen lassen und weiterfahren."

Er erinnert sich an einen Katastropheneinsatz im Jahr 2016 am Tegernsee. Die Straße sei gesperrt gewesen, doch ein Anwohner habe es nicht eingesehen, die Sperrung zu akzeptieren. Er habe die Einsatzkräfte lange angepöbelt und auf sein angebliches Recht beharrt, die Straße trotzdem zu nutzen. Das Unverständnis brachte schließlich andere Anwohner dazu, sich einzumischen. Dankenswerterweise zugunsten der Rettungskräfte.

BRK: Wenn gefilmt wird, dann wird nah gefilmt

Steffen Krauß vom BRK betont: "Bei Standardeinsätzen sind die Leute generell froh, dass die Rettungskräfte da sind." Doch gebe es leider auch extreme Ausnahmefälle, die dann publik gemacht würden. Respektlose Menschen gebe es schon immer, doch die Qualität der Schamlosigkeit habe zugenommen: "Wenn gefilmt wird, dann wird nah gefilmt."

Außerdem habe er es häufiger mit engstirnigen Menschen zu tun, die auf ihre Rechte beharren und so den Einsatzkräften im Weg stünden. Er wünscht sich eine bessere Kooperation zu den Rettungskräften und mehr Respekt im Alltag. "Die Leute sollen nachsichtig sein und einsehen, dass ein Einsatz mal Wege behindern kann."

Sie alle erhoffen sich durch die Kitzinger "Blaulichtkampagne" Bürger, die den Arbeitstag der Rettungskräfte nicht noch kräftezehrender machen. Und vor allem eins: Vertrauen in ihre Arbeit.

 
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  • Martin Deeg
    Alles gut und schön, "Blaulichtfamilie" klingt auch super....

    Sicher gibt es Übergriffe und schlicht dummes Verhalten gegenüber Helfern.

    Die Kehrseite ist aber: es gibt auch rücksichtsloses, gefährliches und völlig unnötiges Verhalten von Rettungskräften und Polizei, die bspw. Fußgänger und Radfahrer gefährdend mit Signal durch die Gegend brettern, weil eine Pfanne auf dem Herd qualmt....solche "Einsätze" erkennt man bspw. daran, dass die Fahrzeuge drei Minuten später in die entgegengesetzte Richtung zurückschleichen.

    Es gibt schlicht Menschen, die ergreift eine seltsame Form des "Jagdeifers", sobald sie hinter dem Steuer sitzen und mit hoheitlicher Aufgabe irgendwo glauben "schnellstmöglich" hin zu müssen. Die Folge sind nicht selten dramatische und völlig unnötige Unfälle.
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  • Stefan Fuchs
    Der"point of no return"ist leider überschritten.
    Unsere Gesellschaft verwahrlost in den sozialen Dingen.
    Bin ich froh das ich bald in Rente gehe.
    Meine Kinder hab ich noch vor ca.10 Jahren gewarnt,dass sie sich bloß nicht von Idioten regieren lassen dürfen.
    Wenn ich in die Zukunft blicke, geschied das vieleicht schneller als ich erwartet hätte.
    Vor der" Blaulichtfamilie " ziehe ich noch meinen Hut. Ein Fels in der dümmlichen Brandung.
    Wie sagte Albert Einstein so schön: Stress wird verursacht durch den täglichen Kontakt mit Idioten“.
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  • Jo Schmitt
    @Peter Koch

    ... Da helfen nur drastische Strafen
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  • Stefan Fuchs
    Neh Hr. Schmitt, da helfen nur Bildung und Erziehung.
    Das ist der nachhaltigere Weg.
    Aber da könnten Mami und Papi schnell an ihre Grenzen stoßen.
    Einfacher ist es doch,“ unseren blöden Lehrer" und unserer*******.Regierung das in die Schuhe, zu schieben.

    Denk ich an Deutschland in der Nacht, so bin ich um den Schlaf gebracht.
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  • Hans-Georg Heim
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • Gerhard Duczek
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  • Peter Koch
    Spart es euch Geld und Arbeitszeit in die Blaulichtkampagne zu investieren. Die Zielgruppe ist viel zu blöd um irgendwas zu kapieren.
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  • Thomas Hemmerich
    Die Antwort mag zwar hart klingen, bringtes aber auf den Punkt.
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Seh ich ähnlich - @ Peter Koch -

    Gerede und Getue nutzen da nix, da gehört einfach durchgegriffen. Für was zum T... haben wir eigentlich unsere ganzen schönen Gesetze, wenn sie niemand durchsetzen mag?

    Und was die Handy-Filmerei angeht, hätte ich aber tatsächlich einen Vorschlag für ein neues Gesetz: wer von einem Unfall o. ä. Betroffene ohne ihre schriftliche Einwilligung filmt und das ins Netz stellt, hat in Worten eine Million Euro für die Rechte am eigenen Bild an die bereffenden Personen zu bezahlen. Am besten pro Kopf. Dann wär 100 %-ig schnell Ruhe.
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