Es ist ein kalter Herbstmorgen. Noch ist die Sonne nicht aufgegangen. Ausgestattet mit orangenen Warnwesten und Stirnlampen durchsuchen Petra Hoeß und Bertram Kehres die Biomülltonnen in der Oberen Bachgasse. Schon seit halb fünf Uhr morgens sind sie unterwegs, um den Abfall zu inspizieren, bevor ihn die Müllabfuhr wegschafft. Hoeß hebt den braunen Deckel eines Behälters an. Zeitungspapier.
Es ist der Versuch zu verschleiern, dass hier Müll entsorgt wurde, der nicht in die Biotonne gehört. Die Fachkraft für Abfallwirtschaft kennt diesen Trick. Sie hebt das Papier an und wird gleich fündig: Tetrapacks, Plastiktüten und Verpackungen. Ein eindeutiger Fall: roter Aufkleber. „Falsch sortiert!“ steht darauf in Großbuchstaben. Daneben ist ein Stop-Schild abgebildet. Diese Tonne wird heute nicht geleert. Hoeß holt ihre kleine Kamera hervor und macht ein Foto. Ihr Begleiter notiert Adresse und Nummer der Tonne. Weiter geht's. Zwischen 150 und 200 Tonnen sollen heute im Innenstadtbereich kontrolliert werden. Die Aktion läuft über fünf Tage.
Seit drei Jahren gibt das Landratsamt Kitzingen Untersuchungen von Biotonnen in Auftrag. Diese hätten anfangs unter dem Motto „informieren statt sanktionieren“ gestanden, sagt Philipp Kuhn, Sachgebietsleiter der Abfallwirtschaft am Kitzinger Landratsamt. Doch das reicht nicht mehr aus. Wer die Regeln der Mülltrennung weiterhin ignoriert, muss nun mit schärferen Konsequenzen rechnen.
Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber die Quote für sogenannte Störstoffe im Fertigkompost fast halbiert hat. Von 25 Quadratzentimetern pro Liter Kompost auf 15. Eine Untersuchung aus dem Frühjahr 2017 zeigt jedoch, dass im Durchschnitt vier Prozent der Biotonnen in Kitzingen Stadt und Land völlig falsch befüllt werden. Im Kitzinger Zentrum sind es sogar zehn Prozent. So können die neuen Grenzwerte nicht eingehalten werden. Kuhn: „Die Zahlen sprechen für sich. Da müssen wir jetzt einfach sanktionieren.“
Gleiche Straße, fünf andere Biotonnen an einer Ecke. Mit den ersten beiden ist Petra Hoeß zufrieden. Blätter und abgeschnittene Zweige. „Nur Gartenlaub, das ist in Ordnung.“ In der dritten Tonne findet sie ein schwarzes Tütchen für Hundekot. Gehört nicht dort hinein, doch darüber sieht die Inspekteurin großzügig hinweg. Hat vermutlich jemand anderes in die Tonne geworfen.
Um das zu verhindern, vergibt das Landratsamt mittlerweile Tonnen mit Schlössern. Deren Deckel lassen sich ohne Schlüssel nur öffnen, wenn sie von der Müllabfuhr beim Entleeren um 90 Grad gedreht werden. Nachteil: Die Tonnen können bei Kontrollen nicht auf korrekte Trennung überprüft werden. „Eigentlich bräuchten wir dafür einen Schlüssel“, sagt Hoeß.
Stoßen die Kontrolleure auf eine Tonne, die falsch befüllt wurde, haben sie zwei Möglichkeiten. Bei kleineren Verstößen gibt es einen gelben Aufkleber, eine Verwarnung. Dieser enthält auch einen Hinweis, was falsch gemacht wurde. Wenn größere Mengen an Restmüll oder Plastik in der Biotonne liegen, kleben die Mitarbeiter der beauftragten Fachfirma einen hellroten Aufkleber auf den Behälter. Für die Müllwerker, die stichprobenartig ebenfalls Tonnen auf ihren Inhalt kontrollieren, bedeutet das: nicht leeren. Den Behälter muss der Hausbesitzer selbst nachsortierten, also den falsch entsorgten Müll wieder herausfischen, oder eine Firma damit beauftragen. Die Kosten dafür tragen dann in der Regel die Bewohner des Hauses.
Doch damit ist die höchste Eskalationsstufe noch nicht erreicht. „In Extremfällen, also bei mehrfachen Verstößen und wenn keine wesentlichen Verbesserungen zu sehen sind, dann ist die Tonne weg“, sagt Kuhn. Derzeit gebe es etwa 15 solcher Fälle. Statt der braunen Tonne bekommen die Hausbesitzer dann eine zusätzliche Restmülltonne. Ob sie wollen oder nicht. Das Ärgerliche für den Betroffenen: Dadurch erhöhen sich auch die Abfallgebühren, und zwar fast um das Doppelte. „Nach ein paar Monaten kann man es noch einmal probieren und die Tonne wieder austauschen.“ Voraussetzung ist, dass die Hauseigentümer Kontakt mit der Abfallberatung aufnehmen. Ziel der Kontrollen sei allerdings nicht, möglichst viele Biotonnen einzuziehen, sondern bei den Nutzern nachhaltig Verbesserungen zu erzielen, so Kuhn.
Nächster Behälter. Mit ihren dunkelgrünen Gummihandschuhen greift Hoeß hinein und zieht einen Müllbeutel heraus, in dem sich ein Mix aus braunen Bananenschalen und undefinierbaren Essensresten befindet. Der Plastikbeutel ist als kompostierbar gekennzeichnet. Doch auch dieser darf nicht in den Biomüll. Ein klassicher Fehler bei der Mülltrennung. Gelber Aufkleber.
„Es gibt kaum einen Landkreis, der diese nicht ausgeschlossen hat“, sagt Kuhn. Das Problem sei, dass die Vergärungsanlagen im Normalbetrieb nicht die nötigen Temperaturen erreichen beziehungsweise die Zeit zu kurz ist, damit diese Tüten verrotten. „Das ist am Ende des Tages eine betriebswirtschaftliche Frage: Wie lange lasse ich das Zeug da drinnen?“ In der Praxis gelingt die Kompostierung mit den Tüten also nicht. Wenn sich zum Beispiel Speisereste in den Tüten befänden, könnte deren „energetisches Potenzial“ nicht genutzt werden, weil sie nicht verrotten, so Kuhn.
Es ist die fünfte und letzte Tonne an dieser Straßenecke. Petra Hoeß entdeckt einen Joghurtbecher. Wieder eingewickelt in Zeitungspapier. Sonst ist alles in Ordnung. Also gelber Aufkleber. Sie und ihre Teamkollegen werden heute noch Restmüllsäcke mit Essensschalen aus Aluminium, kleinen Wodkafläschchen aus Glas und Zigarettenkippen im Biomüll finden. Doch auch auf mindestens ein Positivbeispiel stoßen sie: Biomüll geschichtet mit Zeitungspapier, damit der Abfall nicht einfriert und es nicht zu Problemen beim Entleeren kommt. Und: Der Behälter ist von innen ausgewaschen. „Eins mit Sternchen“, sagt Kuhn.
Was nicht in die Biotonne darf
In die Restmülltonne gehören Restabfall, Staubsaugerbeutel, Straßenkehricht, Asche, Katzenstreu, Frittierfett, Hundekot, Kleintiermist, Textilien, Windeln, Zigarettenkippen.
Für den Gelben Sack: Plastiktüten, Gemüse- und Obstnetze, Plastikflaschen, Plastikbecher und Dosen, Milch- und Saftkartons, Dosen aus Weißblech oder Aluminium, Vakuumverpackungen (z. B. für Kaffee), Aluminiumdeckel, Aluschalen, Alufolie, Kaffeekapseln aus Kunststoff.
Weitere Infos zur richtigen Abfalltrennung gibt es beim Landratssamt Kitzingen. Telefonisch unter (0 93 21) 9 28 12 34 oder im Internet unter www.abfallwelt.de. cwi