
Es sah aus wie ein fröhliches Familientreffen unter weiß-blauem Himmel. Eine Traube von etwa 20 gut gelaunten Leuten stand da am Montagabend in gebührendem Abstand zueinander vor gepflegten Gärten, vereint im locker-entspannten Plausch. Dabei hatte das Treffen auf offener Straße einen ernsten Hintergrund. Es ging um die Sicherheit derer, die da in der angrenzenden Wiese beim Fußballspielen tobten oder im Schneidersitz auf dem von der Frühlingssonne erwärmten Asphalt saßen.
Der Bauausschuss hatte zum Ortstermin in der Straße Am Henkelsee geladen, Baugebiet Ost, eine Gegend voller Einfamilienhäuser und gepflegter Kleingärten, aber mit einem Problem, das nicht auf dieses Gebiet beschränkt ist: Obwohl die Straßen eng und verwinkelt sind, obwohl die Stadt dort eine verkehrsberuhigte Zone eingerichtet hat, wird zu schnell gefahren. Die Frage, die manche Anwohner umtreibt, ist: Was tut die Stadt, was kann die Stadt überhaupt tun? Tempokontrollen im ganzen Stadtgebiet wären nur ein Mittel der Wahl.
Sind es nicht zumeist die Anwohner, die zu schnell fahren?
Wer die Szenerie im Baugebiet Ost genau scannt, landet zwangsläufig bei der Frage: Sind es nicht weitgehend die Anwohner selbst, die in den Zufahrtsstraßen verkehren? Ist die Problematik damit nicht hausgemacht? So sieht es Bürgermeister Dieter Lenzer. „Diejenigen, die hier wohnen, verstoßen gegen ihre eigenen Regeln, und wir als Stadt sollen jetzt wieder was tun.“ Die Frage ist: was? Darum kreiste die Diskussion im Bauausschuss, der den Eindruck vermittelte, gerne helfen zu wollen, dem es auch nicht an Fantasie fehlte, der sich aber eingestehen musste, keine Patentlösung zu haben.
Es fängt schon damit an, dass es nicht wenigen Autofahrern offenbar an elementarem Verkehrswissen mangelt. Was ist das Besondere einer verkehrsberuhigten Zone? Die Stadt hat in der Straße Am Henkelsee ein Jahr lang das Tempo gemessen, mehr als 20 000 Fahrzeuge passierten die stationäre Anlage – mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 22 km/h. Das klingt zunächst nach wenig, ist aber deutlich zu viel für eine verkehrsberuhigte Zone, als die der Bereich mittels blauer Schilder und Markierungen auf der Fahrbahn ausgewiesen ist.
Leute wissen offenbar nicht, was das blaue Zeichen heißt
„Ich glaube nicht, dass die meisten Leute wissen, was das blaue Zeichen bedeutet“, sagte Dritter Bürgermeister Jörg Schanow. Das deckt sich mit Aussagen eines Anliegers, der beobachtet hat: „Es wird gefahren, als sei hier Tempo 30 erlaubt.“ Die Folge: „Man muss schauen, dass man mit den Kindern wegspringt, um nicht den Groll der Autofahrer auf sich zu ziehen.“

Stadträtin Peggy Knauer machte klar: „Wir haben uns hier für einen verkehrsberuhigten Bereich entschieden, dann sollten wir das als Stadt auch durchsetzen.“ Lässt sich der Verkehr bremsen, indem man Schilder aufstellt mit dem Hinweis „Spielende Kinder!“ – oder quietschgrüne Plastikfiguren in Kindergröße, wie es Knauer vorschlug? Sollte man auf der Fahrbahn Schutzzonen kenntlich machen, wie es Matthias Schuhmann anregte? Schwellen verbauen, wie es die Stadt in anderen Baugebieten getan hat? Oder ist es so, wie Gerhard Heubach sagte: „Wir können noch so viele Schikanen und Hindernisse einbauen, wir werden nicht ankommen gegen die Unvernunft der Leute.“ Das klang nach Kapitulation, von der Jürgen Kößler eindringlich warnte: „Wenn man gar nichts macht, ist das Risiko am größten.“
Schon einmal hat die Stadt die Blitzer abgelehnt
Jörg Schanow sah in möglichen Hindernissen auf der Straße einen Gewöhnungseffekt und hielt es für sinnvoller, Autofahrer zu identifizieren und gezielt anzusprechen. Andere wie Jürgen Kößler oder Norbert Melber plädierten dafür, Tempokontrollen einzuführen und die Leute mittels Verwarnungs- oder Bußgeldern zur Räson zu bringen. Das sei die Sprache, die man als Autofahrer sofort verstehe. „Dann zahlt hier aber jeder“, sagte Melber. Greift die Stadt also zur harten Keule? 2017 hatte sich der Rat gegen Kontrollen des fließenden Verkehrs ausgesprochen – mit dem Argument, man wolle den eigenen Bürgern nicht in die Tasche greifen. Jetzt hat die Stadt erneut Kontakt zur Nürnberger Wach- und Schließgesellschaft, einem privaten Anbieter, der in kommunalem Auftrag Tempokontrollen durchführt.
Für Stadtrat Andreas Müller ist das ein „absolut sinnvoller Ansatz“ und der „richtige Schritt“. Die Diskussionen hätten doch gezeigt, dass eine Überwachung notwendig sei, vor allem in den Stadtteilen, wo es besonders viel Durchgangsverkehr auf den Hauptstraßen gebe. Ob die Sache nun für die Stadt Gewinne bringe oder ein Verlustgeschäft wird, ist für viele Stadträte zweitrangig. Peggy Knauer verspricht sich von den Kontrollen einen „Gewinn für die Wohnqualität und die Verkehrssicherheit“. Bürgermeister Lenzer will in eine der nächsten Sitzungen einen Vertreter der Wach- und Schließgesellschaft einladen, der das Projekt in seinen Einzelheiten vorstellen soll.
Ganz so ablehnend wie vor vier Jahren klang das alles nicht mehr, auch wenn sich die Leute in den Baugebieten nicht allzu viel Hoffnung machen sollten. Durch die verwinkelten Straßen seien die Messstrecken oft zu kurz für eine normgerechte Messung, gab Zweiter Bürgermeister Hans Brummer zu bedenken. Dort hilft wohl wirklich nur der Appell an die Vernunft.