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Kitzingen
Randale auf dem Bleichwasen: Wie eine 33-Jährige zum Polizei-Schreck wurde
Aus dem Gericht: Wenn Alkohol ins Spiel kommt, ändert sich bei einer Verkäuferin alles – Beiß-Attacke auf Polizisten, jede Menge Schmerzensgeld und das nächste Problem.
Bis zur Ausnüchterungszelle war es ein weiter Weg für eine 33-Jährige nach einer Feier auf dem Kitzinger Bleichwasen. Gleich mit vier Polizisten legte sich die Frau an – inklusive Beiß-Attacke (Symbolbild).
Foto: Uwe Anspach, dpa | Bis zur Ausnüchterungszelle war es ein weiter Weg für eine 33-Jährige nach einer Feier auf dem Kitzinger Bleichwasen. Gleich mit vier Polizisten legte sich die Frau an – inklusive Beiß-Attacke (Symbolbild).
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:07 Uhr

Es ist die Zeit nach dem ersten Corona-Lockdown. Mitte Juni 2020 scheint das Leben zumindest für ein paar Monate wieder normal. Feiern sind wieder erlaubt, es gibt einiges nachzuholen. So manche Feier findet erst gar kein Ende, wie etwa auf dem Kitzinger Bleichwasen. Der Stadtschoppen hat längst geschlossen, es kehrt aber keine Ruhe ein. Eine größere Gruppe, um die 200 Menschen, feiert in dieser Nacht ausgelassen weiter. Bei der Polizei gehen die ersten Anrufe von Anwohnern wegen Ruhestörung ein. Auch eine Sachbeschädigung in Form einer zerstörten Palme wird gemeldet.

Als ein Streifenwagen gegen 1 Uhr eintrifft und die Beamten zunächst gegen die laute Musik vorgehen wollen, eskaliert die Situation umgehend. Beleidigungen empfangen die Beamten. Die Stimmung sei "Polizei-unfreundlich" gewesen, wird später einer der Beamten dem Gericht erzählen. Weil es wohl schon kurz zuvor zwischen zwei Gruppen eine Auseinandersetzung gegeben hatte, ist das Wut-Level groß. Die Beamten fordern umgehend Verstärkung an, aus Ochsenfurt und von der Biebelrieder Autobahnpolizei treffen weitere Streifenwagen ein.

Die inzwischen ausgesprochenen Platzverweise interessieren kaum. Dafür weigern sich die Störenfriede, ihre Personalien anzugeben. Handys werden gezückt, um zu filmen. Einer kommentiert beim Filmen das Geschehen so: "Wir rufen jetzt die Polizei – das hier ist nämlich gar nicht die Polizei!"

Tobender Irrsinn

Der tobende Irrsinn verstärkt sich noch einmal, als ein betrunkener Randalierer in Gewahrsam genommen werden soll. Dessen Freundin will das nicht zulassen und eilt dem Mann zu Hilfe. Vier Polizisten sind nötig, um die Frau irgendwie in Schach zu halten. Wie eine Furie, so drückt es ihr Verteidiger aus, wütet sie herum. Beleidigt. Tritt. Kratzt, bis Blut fließt. Und beißt. Das Ergebnis ist eine blutige Wunde – durch die Uniform. Es ist ein hartes Stück Arbeit, bis sich endlich das Gitter der Ausnüchterungszelle hinter der 33-Jährigen schließt.

Jetzt, fast zwei Jahre später, wird der Verkäuferin der Prozess gemacht. Und weil es um einiges geht, sitzt neben ihr ein Pflichtverteidiger. Dieser hebt auf ihr Alkoholproblem ab: Bei mehr als zwei Gläsern "sind bei ihr die Schleusen geöffnet", betont er. Dann sei sie "eine andere Person". An jenem Abend waren 1,2 Promille im Spiel. Ein weiteres Problem: Inzwischen steht fest, dass die Angeklagte Erwachsenen-ADHS hat, was sie zumindest ansatzweise mit Medikamenten in den Griff zu bekommen versucht.

Verhalten "unterste Schublade"

Der als Zeuge geladene Polizist kommentierte das Verhalten der Angeklagte als "unterste Schublade". Besonders perfide: Sie habe es vor den gezückten Handys damals auch versucht so aussehen zu lassen, als werde sie von der Polizei verprügelt. Was scheinbar gar nicht so selten geschieht: Ein weiterer Festgenommener hatte sich in jener Nacht auf dem Polizeirevier die Lippe blutig gebissen, um zu dokumentieren, dass er von der Polizei geschlagen worden sei, gab der Zeuge Einblicke in einen mitunter dann doch gruseligen Polizei-Alltag.

Sind die Schleusen bei der Frau nicht geöffnet, versucht sie immerhin das wieder gutzumachen, was sie in ihren Furien-Momenten anrichtet: Um die 3000 Euro Schmerzensgeld hat sie inzwischen an die verletzten Polizisten gezahlt. Dafür reibt sie sich sogar an zwei Arbeitsstellen auf. Zumal noch einiges mehr zu zahlen ist: Wegen einer weiteren Körperverletzung – damals ging es um Würgen – wurde sie Anfang 2020 zu einer Geldstrafe über 4500 Euro verurteilt. Fünf Monate später kam es dann zu den Geschehnissen auf dem Bleichwasen.

Darüber hinaus schlägt eine weitere Geldstrafe wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln aus dem Jahr 2019 zu Buche. Einigermaßen teuer dürfte es auch werden, den Führerschein wieder zu bekommen, der ihr wegen Alkohol am Steuer entzogen wurde. Eine erste Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) bestand sie nicht.

Der nächste Fall wartet schon

Dass sie verstanden hat, dass sie alles wiedergutmachen will, dass sie sich ändern will – man ist geneigt, es der Frau zu glauben. Wenn da nicht schon wieder der nächste Fall wäre: Im März dieses Jahres war die 33-Jährige in Würzburg mit einem Barkeeper aneinandergeraten. Auch da: Rangelei, Bisse, anspucken, beleidigen. Die nächste Verhandlung ist also bereits in Sichtweite.

Für den Furien-Auftritt am Bleichwasen gibt es jetzt erst einmal sechs Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zu drei Jahren Bewährung. Dazu kommt eine Geldbuße über 3000 Euro, über die sich der Caritasverband freuen darf. Außerdem wurde der Angeklagten vom Gericht auferlegt, unverzüglich eine ambulante Therapie zu beginnen, um die Dinge in den Griff zu bekommen, die sie immer wieder ausrasten lassen. Dazu gehört neben der Alkoholproblematik wohl auch, so vermutet es zumindest der Verteidiger, "eine verminderte Steuerungsfähigkeit", die dafür sorge, dass seine Mandantin regelmäßig "fast schon hysterisch" werde.

 
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