
Der Auftakt eines Prozesses um einen Kettensägen-Angriff hat am Landgericht Würzburg am Freitag unerwartet tiefe Einblicke geboten. Der Angeklagte hatte am 23. März dieses Jahres in Albertshofen (Lkr. Kitzingen) mit einer Motorsäge einen Liebhaber seiner Frau angegriffen. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet deshalb: versuchter Totschlag.
Und doch galt die Attacke des 38-Jährigen, der sich nach eigenen Angaben zuvor Mut und Wut angetrunken hatte, wohl eher nicht dem Leben des Nebenbuhlers. Der Angriff mit der Motorsäge war wohl eher ein Verzweiflungsakt, wie der vorsitzende Richter Thomas Schuster feinfühlig herausarbeitet.
Der Angeklagte und seine Ehefrau haben gemeinsam drei Kinder. Ihre Beziehung litt aber offenbar zunehmend unter Existenzängsten, die sie dann mit Alkohol und Drogen betäubten - nach eigenen Angaben Speed und Haschisch. Die Drogen kaufte das Paar von einem Mann, der später der Liebhaber der Frau wurde.
Als der Ehemann seinen Nebenbuhler mit der Kettensäge angriff, war die Affäre seiner Frau schon beendet
Das Paar lebte vor dem Kettensägen-Angriff schon länger getrennt. Die Schilderungen der gescheiterten Ehe klingen vor Gericht kompliziert. Mal machte die Frau ihrem Mann offenbar Hoffnung auf Rückkehr, um dann wieder das Ehe-Aus per Handy zu erklären. "Da habe ich Scheiße gebaut", sagt sie selbstkritisch im Zeugenstand.
Zu der Attacke mit der Motorsäge entschloss sich der ratlos Mann, als die Affäre seiner Frau schon wieder beendet war. Der Liebhaber kam nach eigenen Aussagen an jenem März-Abend nur bei der Frau vorbei, um seine Sachen abzuholen.
Mit 1,7 Promille und einer Motorsäge kam der Angeklagte zu seiner Frau zurück
Die Anwesenheit des früheren Liebhabers trieb den eifersüchtigen Ehemann offenbar zur Raserei. Der trank sich Mut an, die Polizei stellte später 1,7 Promille fest. Dann kam er mit der Kettensäge zu seiner Frau zurück, bei der der Ex-Liebhaber noch stand. "Du machst meine Familie kaputt," soll der Ehemann gerufen haben.
Der Angeklagte lässt vor dem Landgericht Würzburg zunächst seinen Verteidiger sprechen. Ziel sei es nur gewesen, dem Nebenbuhler mit der Kettensäge "Angst zu machen und ihn zu vertreiben", sagt Verteidiger Norman Jacob. Dann sagt der Angeklagte selbst: "Ich war schon ein bisschen Banane."
Der Angeklagte will einen Entzug von Alkohol und Drogen machen
"Er wollte ein bisschen Eindruck schinden", sagt der angegriffene Liebhaber, ein ausgebildeter Sicherheitsexperte, im Zeugenstand. "Ich habe mich nicht bedroht gefühlt." Der Ehemann sei ihm als "eher lustig, wie ein Tanzbär" bekannt gewesen.
Vorsichtshalber habe er eine Kette zur Selbstverteidigung ergriffen, mit der er dem angetrunkenen Ehemann die Motorsäge ohne größere Verletzungen entriss. Er habe nicht einmal Anzeige erstattet. An Drohungen wie "Ich schlitz dich auf!" kann er sich nicht erinnern. Eine Entschuldigung des Angeklagten nimmt er nickend zur Kenntnis.
Am Donnerstag soll im Prozess ein Video des Kettensägen-Angriffs gezeigt werden
Der Angeklagte sagt auf Nachfrage: Er wolle einen Entzug von Alkohol und anderen Drogen machen, um nicht wie sein Vater zu enden, der vom Heroin nicht loskam. "Meine Mutter hat es aber geschafft," sagt er dem Gericht. In sieben Monaten in Untersuchungshaft habe er Zeit zum Überlegen gehabt. "Ich will einen Schlussstrich ziehen."
Wie es weitergehen soll mit der Beziehung, will der Vorsitzende wissen. "Ich liebe meine Frau, egal, was war", sagt der Angeklagte. "Wir schreiben einander."
Der Prozess wird am Donnerstag, 26. Oktober, fortgesetzt. Dann will Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach das Video aus einer Überwachungskamera zeigen, die den Angriff mit der Motorsäge gefilmt hat.