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Dettelbach
Plage: Wie es den Ratten in Dettelbach an den Kragen gehen soll
Neue Vorschriften, Essensreste in der Kanalisation und eine beginnende Plage: Dettelbach geht bei der Rattenbekämpfung jetzt neue Wege – und setzt auf moderne Technik.
Bei der Rattenbekämpfung geht Dettelbach jetzt neue Wege.
Foto: gettyimages | Bei der Rattenbekämpfung geht Dettelbach jetzt neue Wege.
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 14.02.2024 00:01 Uhr

Martin Prühl fiel schon länger auf, dass sich da gerade etwas ändert. Der Betriebsleiter der Dettelbacher Kläranlage ahnte, dass eine Folge von Corona zum Problem werden könnte: Zunehmend tauchten Essensreste in der Kanalisation auf. Der Grund lag auf der Hand: In der Pandemie und vor allem im Lockdown kochen die Menschen notgedrungen wieder mehr daheim – und entsorgen dann die Reste ohne nachzudenken gerne mal über das Klo statt in der Bio-Tonne.

Für Ratten das Schlaraffenland: Die Frei-Haus-Lieferung über die Kanäle als ideale Nahrungsgrundlage. Und das wiederum heißt: mehr Ratten samt eines nachdenklichen Martin Prühl.

Anschauungsobjekt: Die neue Box wird in Dettelbach getestet – und für gut befunden.
Foto: Matthias Bielek | Anschauungsobjekt: Die neue Box wird in Dettelbach getestet – und für gut befunden.

Wenn man so will, ist der Klärwärter von Gesetzes wegen mit der Ratte verbandelt: Wer abwassertechnische Anlagen betreibt, ist zur Rattenbekämpfung verpflichtet. Warum, liegt auf der Hand: Ratten übertragen für den Menschen gefährliche Krankheiten und so ganz nebenbei verursachen sie auch noch Schäden an Gebäuden und der Infrastruktur.

Verschärfte Gesetze

Damit hatte es sich aber noch nicht mit den Sorgenfalten bei dem Klärwärter. Schon vor der neuen Rattenplage war ein weiteres Problem aufgetaucht: Das Gesetz zur Rattenbekämpfung wurde verschärft. Man könnte auch sagen: Es wurde richtig kompliziert. Es gibt eine europaweit gültige Biozid-Verordnung, es gibt Anwendungsbestimmungen für Giftstoffe, dann gibt es das Wasserhaushaltgesetz (WHG), das Chemikaliengesetz (ChemG) sowie die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV). Viele Vorschriften, die alle eingehalten werden wollen. Und das alles trifft sich bei der Rattenbekämpfung in Richtlinien, sogenannte Risikominderungsmaßnahmen (RMM). Diese wurden neu überarbeitet, wobei alles viel strenger wurde.

Um es abzukürzen und auf den Punkt zu bringen: Einfach Giftköder in den Kanal werfen, wo viele Ratten vermutet werden, ist nicht mehr erlaubt. Weil gewährleistet werden muss, dass die Köder nicht mit Wasser in Kontakt kommen. Und Köder vorbeugend einzusetzen, war nun auch keine Option mehr. Das klingt alles vernünftig, wurde aber für viele Städte und Gemeinden plötzlich zum Problem.

Zeitgemäße Lösungen

Die Stadt Dettelbach kündigte deshalb im Januar 2020 den bestehenden Wartungsvertrag zur Kanalbeköderung. Weil es jetzt darum ging, zeitgemäße Lösungen zu finden und den neuesten Stand der Technik auszuloten. So weiterzumachen wie bisher ging jedenfalls nicht, weil das am Ende sogar gegen geltendes Recht verstoßen würde.

So sieht es aus, wenn die Box im Kanal eingesetzt ist.
Foto: Matthias Bielek | So sieht es aus, wenn die Box im Kanal eingesetzt ist.

Wie aber sollte es weitergehen? Die Stadtverwaltung schaute sich auf dem Markt um und stieß auf einen Hersteller, der patentierte Köderschutzboxen anbietet. Die Box besitzt eine Rückstauklappe und ist so gegen eindringendes Wasser geschützt. Steigt der Wasserpegel im Kanal oder an einem anderen Standort wie beispielsweise in Flussnähe, schließt sich die Klappe der Köderschutzbox und dichtet diese ab. Sobald der Wasserpegel zurückgegangen ist, öffnet sich der Eingang zur Box wieder, sodass der Köder für die Ratten wieder erreichbar ist. Also Schutztechnologie mit Intelligenz. Zumal die Bewegungen in der Box per Sensor erfasst und nach oben gemeldet werden.

75 Kanal-Kilometer

Die Dettelbach Stadträte waren von dem System prinzipiell überzeugt, mussten nun aber bei der jüngsten Sitzung eine Entscheidung treffen. Entscheidet man sich erst einmal für eine kleine und damit auch billigere Lösung mit einer Handvoll Boxen oder geht man gleich in die Vollen: mit 35 Boxen für die Unterwelt und zehn Boxen für den mobilen oberirdischen Einsatz. Der Stadtrat entschied sich für die große Lösung, die mit 33 000 Euro zu Buche schlägt. Dabei hatte man nicht zuletzt auch die neun Stadtteile im Blick. Alles in allem bringt es die Stadt samt der Stadtteile auf 75 Kanal-Kilometer.

Das Ganze ist mit einem großen Versprechen versehen: Die Methode ist effizient und umweltfreundlich. „Das seriöse Konzept“ habe überzeugt, betont Bürgermeister Matthias Bielek. Und vielleicht auch ein Versprechen: Die Rattenpopulation soll laut Hersteller nicht nur im Zaum gehalten werden, sondern fast in Richtung Null gedrückt werden. Während normalerweise vier Ratten auf einen Mensch kommen, soll es künftig also 1:0 statt 1:4 heißen. Der Praxistest kann Anfang August starten, bis dahin sollen die Boxen bestellt und eingebaut sein.

 
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